LTE-Bandbreite: Warum kommen keine 100 Megabit/s?

ZDNet.de: Herr Koenzen, Sie gehören mit Ihrem 4G-Business-Router zu den LTE-Pionieren in Deutschland. Mit dem iPhone 5 ist der neue Standard nun auch in Deutschland sehr bekannt geworden. Bekommen Sie als Hersteller jetzt mehr Konkurrenz?

Ralf Koenzen: Nein, ganz im Gegenteil. Wir freuen uns über das iPhone 5 mit LTE, denn Apple spricht damit eine große Zielgruppe an und beweist mit seinem jüngsten Handy einem breiten Publikum, wie flott sich LTE tatsächlich anfühlt. Bei mobilen Pingzeiten um die 30 Millisekunden macht jede Internet-Anwendung gleich viel mehr Spaß! Vom Online-Gaming über Video-Streaming bis hin zum Business-Cloud-Computing.

Ralf Koenzen, Geschäftsführer der LANCOM Systems GmbH: „Wir freuen uns über das iPhone 5, denn Apple zeigt damit einem breiten Publikum, wie flott sich LTE tatsächlich anfühlt.“ (Foto: LANCOM Systems).

Was den LTE-Speed befeuert

ZDNet.de: Im Jahre 2004 hat UMTS in Deutschland mit 0,384 MBit/s Download-Speed gestartet. Seit 2010 funkt der UMTS-Nachfolger LTE mit bis zu 100 MBit/s durch deutsche Lüfte. Teilt man 100 MBit/s durch 0,384 MBit/s, dann ist das immerhin der 260-fache Speed-Zuwachs in nur sechs Jahren. Wie war das möglich?

Ralf Koenzen: Eine immer intelligentere Mischung aus den drei Turbo-Techniken OFDM-Multiplexing, QAM-Modulation und MIMO Antennen-Technik hat im Wesentlichen den Speed-Zuwachs von UMTS über HSPA zu LTE ermöglicht. Just diese drei Beschleunigungstechniken haben auch schon beim WLAN-Funk die Geschwindigkeit von 11 MBit/s anno 2000 auf 450 MBit/s in 2012 gesteigert. Dabei hat sich der WLAN-Durchsatz in zehn Jahren um den Faktor 40 gesteigert. Mit WLAN-11ac kommt 2013 dann grob gesagt eine weitere Verdoppelung hinzu. Mit der WLAN-Technik hat ein großer Teil unserer LANCOM-Entwickler schon mehr als zehn Jahre Erfahrung. Dieses tiefgehende Wireless-Know-How hilft uns auch in der Entwicklung innovativer LTE-Produkte. Viele physikalische Grundprinzipien sind beim WLAN-Funk und beim LTE-Funk doch gar nicht so weit auseinander.

ZDNet.de: Warum findet man bei 4G in der Praxis so viele verschiedene Geschwindigkeiten?

Ralf Koenzen: LTE ist zwar ein komplexes, aber auch ein sehr flexibles Daten-Kommunikations-System: Man kann an vielen Schräubchen drehen und das System so an die unterschiedlichsten Bedarfe und Situationen aller Länder dieser Welt anpassen. Ein besonders starker Hebel ist die sehr flexible Wahl der Kanal-Bandbreite von 1,4 bis 20 MHz. Oder die Wahl des Modulations-Verfahren bis hinauf zu 64QAM. Oder die Anzahl der Antennen bis hin zu 4×4-MIMO-Systemen. Das ist auch einer der Gründe, warum für LTE so viele scheinbar widersprüchliche Speed-Angaben kursieren.

Dreht man alle Schräubchen, sprich alle Technik-Parameter, so weit wie möglich auf, dann entsteht mit LTE Release 8 ein Endgerät der Kategorie 5: Das schafft dann, unter perfekten Randbedingungen, Download-Spitzen bis 300 MBit/s und Upload-Spitzen bis 75 MBit/s.

Die bislang typischen Geräte, so auch unser 4G-Business-Router, entsprechen aber der LTE-Kategorie 3: Damit lassen sich unter optimalen Bedingungen 100 MBit/s Download und 50 MBit/s Upload über die Luftstrecke erzielen.

Wie schon beim WLAN, so hat auch beim Mobilfunk ein raffinierter Mix aus OFDM, QAM und MIMO den effektiven Datendurchsatz erheblich gesteigert (Grafik: LANCOM Systems).

Was den LTE-Speed behindert

ZDNet.de: Viele iPhone-5-User machen dieser Tage erstmals die Erfahrung, dass die versprochenen 100 MBit/s im echten Leben äußerst selten oder gar nie kommen. Was kann man denen sagen?

Ralf Koenzen: Ob die vollen 100 MBit/s bei SmartPhones, Tablets, Laptops oder auch bei Routern wirklich kommen, hängt von vielen Faktoren ab: Zum Beispiel von der Zahl der aktiven LTE-Geräte in einer LTE-Funkzelle, von der Entfernung zur Basisstation, Frequenz, Kanalbreite, oder von Funkhindernissen wie etwa Stahlbeton. Nur wenn alle Faktoren gleichzeitig optimal ausfallen, kommen die vollen 100 MBit/s. Ansonsten ist die Netto-Datenübertragungsrate zum Teil erheblich geringer. Wir können nicht für das iPhone 5 sprechen, das LTE in Deutschland sowieso nur bei 1800 MHz unterstützt. Aber wir können die komplexen Zusammenhänge sehr gerne ganz konkret an unserem eigenen Router LANCOM 1781-4G erklären, der alle drei deutschen LTE-Frequenz-Bereiche bei 800, 1800 und 2600 MHz lückenlos versteht.

Shared Medium: Speed gerecht auf alle User verteilen

ZDNet.de: Eine Woche nach Verkaufsstart des iPhone 5 konnten wir samstags in der überfüllten Münchener Innenstadt noch sehr erfreuliche, zweistellige LTE-Durchsatzraten messen. Nach zwei Wochen kam fast gar kein Durchsatz mehr per LTE. Sind derweil schon zu viele Smartphones im 4G-Netz unterwegs? Legen die vielen High-Speed-iPhones jetzt schon die ersten LTE-Zellen zeitweise lahm? Wie verhalten sich die Funk-Zellen, wenn zu viele 4G-User gleichzeitig auf das Internet zugreifen?

Ralf Koenzen: Grundsätzlich ist LTE, genau wie WLAN, ein so genanntes Shared Medium. Das heißt, die Gesamt-Kapazität einer Funkzelle wird mehr oder weniger gerecht auf alle aktiven User verteilt. Dabei können die LTE-Betreiber ihren Usern allerdings unterschiedliche Speed-Prioritäten zuweisen, was sich im Preis der verschiedenen LTE-Tarife widerspiegelt.

Diese „künstliche“ Begrenzung der verfügbaren Bandbreiten seitens der Netzbetreiber ist technisch und ökonomisch sinnvoll, um allen Teilnehmern insgesamt eine höhere Verlässlichkeit anbieten zu können. Gerade im 800-MHz-Band geht es in der ersten Rollout-Phase ja darum, einer möglichst großen Zahl von bislang unterversorgten Usern auf dem Lande per LTE eine Grundversorgung zu geben, zum Beispiel mit 6 MBit/s. Hier dient LTE ganz klar als Ersatz für einen nicht vorhandenen DSL-Basis-Anschluss.

Laden gleichzeitig zehn Router oder zehn Smartphones in der gleichen 100-MBit/s-LTE-Zelle nonstop große Datenmengen aus dem Internet herunter, dann bekommt, ohne weitere Priorisierungs-Mechanismen, im Prinzip jedes LTE-Gerät nur noch einen Datenstrom von 10 MBit/s. An verkaufsstarken Samstagen kann man sich auch 100 aktive Smartphone-User in einer einzigen LTE-Zelle in der Innenstadt vorstellen. Rein rechnerisch bekommt dann jeder nur noch 1 MBit/s Datendurchsatz, und das auch nur, wenn er sich in der Nähe der Basis-Station aufhält.

Pro LTE-Smartphone haben Sie in der Regel ja nur einen einzigen mobilen User. Bei einem stationären LTE-Business-Router ist es aber normal, dass eventuell mehrere Dutzend User „hinter“ dem Router per LAN-Switch oder per WLAN-Hotspot angeschlossen sind. Wenn Sie dann jedem User in der Firma das ungehinderte Video-Streaming oder gar File-Sharing gestatten, dann bekommt der einzelne User keine erfreulichen Datenraten mehr. Deshalb verfügt unser 4G-Business-Router über einen optionalen Internet-Content-Filter für bis zu 100 Nutzer, mit dem Sie im Bedarfsfall die Verbrauchs-Prioritäten gestalten können.

LTE ist ein Shared Medium, wie man das auch von WLAN kennt: Fordert nur ein einziger Verbraucher einen Downstream in der LTE-Funkzelle ab, und steht er zudem in der Nähe der LTE-Antennen, dann kann er mit einem LTE-Cat-4-Gerät bis zu 150 MBit/s bekommen. Sind es mehrere User, dann müssen diese sich die verfügbare Bandbreite teilen. Entfernen sich die User von der Antenne, dann geht der Daten-Durchsatz ebenfalls herunter (Grafik: LSTI-Forum).

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ZDNet.de Redaktion

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