Mitbewerber: Telekom erhält durch Bundesnetzagentur Quasi-Monopol beim Vectoring

Die Behörde legte heute eine fünfseitige Zusammenfassung und den 300 Seiten umfassenden Entscheidungsentwurf vor. Demnach hat sich die Telekom mit der 2015 von ihr beantragten exklusiven Nutzung von VDSL2-Vectoring weitgehend durchgesetzt.

Nachdem die Bundesnetzagentur gestern die EU-Gremien in Brüssel über ihren Entscheidungsentwurf zum VDSL2 Vectoring informiert und dabei zunächst nur vage über deren Inhalt informiert hatte, veröffentlichte sie heute eine fünfseitige Zusammenfassung, die dem Beirat der Regulierungsbehörde für seine Sitzung am kommenden Montag als Informationsgrundlage dienen soll. Außerdem liegt den Beteiligten nun auch der gesamte, rund 300 Seiten umfassende Entscheidungsentwurf vor. Allein die Zusammenfassung hat aber im Markt Bestürzung und Ärger ausgelöst.

Mitbewerber: Bundesnetzagentur gewährt Telekom Quasi-Monopol beim Vectoring (Grafik: Bundesnetzagentur)

Mit dem Dokument soll über einen Antrag der Telekom entschieden werden, die 2015 die exklusive Nutzung von VDSL2 Vectoring in den Nahbereichen der gut 7900 Hauptverteiler in Deutschland beantragt hatte. Das Ansinnen hatten die Konkurrenten stets als unberechtigt zurückgewiesen. Sie argumentierten unter anderem damit, dass dadurch der Wettbewerb verzerrt und der Breitbandausbau gebremst würde.

Nach der ersten Durchsicht stellten die Telekom-Wettbewerber fest, dass sich durch die Überarbeitung des Entwurfs an den wesentlichen Kritikpunkten der ersten Fassung „so gut wie nichts“ geändert hat. Laut VATM ist die Telekom damit beim „Vectoring im Nahbereich de facto ohne Wettbewerb“ und überlasse die Bundesnetzagentur den Ausbau „fast vollständig der Telekom“. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) hat bereits angekündigt, dass die Mitgliedsunternehmen des Verbands gegen die Entscheidung klagen wollen, sollte sie wie erwartet im dritten Quartal dieses Jahres in der nun vorliegenden Form in Kraft treten.

„Die Zusammenfassung des nochmals überarbeiteten Entwurfs lässt die massiven Bedenken der Monopolkommission, des Bundeskartellamts, der Politik und der Wettbewerber unberücksichtigt“, kritisiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner in einer Pressemitteilung. Die Möglichkeit, die Vectoring-Technologie auch im Nahbereich zu nutzen, sei für alle Investoren wichtig. Seiner Ansicht nach wird es mit den nun vorgeschlagenen Regelungen insbesondere schwierig, Glasfaseranschlüsse (FTTB und FTTH) wirtschaftlich auszubauen. Er hofft nun darauf, dass „die EU-Kommission die Gefahr dieses Antrags für Deutschland, aber auch dessen politische Relevanz für ganz Europa erkennt und entsprechend ablehnend Stellung beziehen wird.“ Allerdings könnte auch das die Durchsetzung nicht verhindern, falls Bundesnetzagentur und Politik dies wirklich wollen.

Fast schon verschaukelt vorkommen müssen sich die Wettbewerbsunternehmen bei den Anforderungen an die Anzahl der im jeweiligen Nahbereich erschlossen Kabelverzweiger, die Voraussetzung dafür sind, dass ein Unternehmen weiter ausbauen darf. Während der Telekom das Recht grundsätzlich zugestanden wird, selbst wenn sie noch über keinen einzigen Kabelverzweiger verfügt, sind für die Wettbewerber in der neuen Fassung nun „mindestens 50 Prozent“ erforderlich. In der älteren Fassung war hier von „mehr als 50 Prozent“ die Rede. Effektiv hat die Bundesnetzagentur die Hürde also um 1 Prozent gesenkt.

Das VDSL2-Vectoring-Verfahren (Grafik: Deutsche Telekom)Das VDSL2-Vectoring-Verfahren (Grafik: Deutsche Telekom)

Ebenso praxisfern ist die Verschiebung des Stichtags nach hinten, auf den 31. Januar 2016. Das wird in der Praxis ebenfalls nichts ändern. Zudem hatten die Wettbewerber an der Stichtagsregelung schon früher kritisiert, dass ein zurückliegender Termin willkürlich und sie nachteilig sei. Die Bundesnetzagentur müsse ihrer Ansicht nach bestehende Ausbaupläne berücksichtigen. Das tut sie aber nicht.

Enttäuscht sind die Wettbewerber verständlicherweise auch davon, dass – wie gestern schon befürchtet – zwar die Investitionszusagen der Telekom berücksichtigt werden, ihre dagegen nicht. Dabei könnte gerade bei lokalen und regionalen Netzbetreibern durchaus davon ausgegangen werden, dass sie derartige Zusagen zuverlässig einhalten – schließlich sind sie ja auf das Geschäft in der von ihnen bedienten Region angewiesen.

Ebenfalls keine grundlegenden Änderungen gibt es bei den Rahmenbedingungen für den Glasfaserausbau – obwohl hier ein Schub besonders notwendig wäre, da Deutschland da traditionell weit zurückliegt. Nach wie vor bleiben im Entwurf der Bundesnetzagentur die Ausbauszenarien auf 50 MBit/s und eine Frist bis 2018 beschränkt. Beides ist für die direkte Anbindung von Häusern (FTTB) oder gar Haushalten (FTTH) mit Glasfaser praxisfern. Der Ausbau kostet mehr und dauert länger, als vorhandene Kupferleitungen durch weiteres Ausreizen der technischen Möglichkeiten, eben mittels Vectoring oder künftig eventuell auch G.Fast aufzurüsten.

Der FTTH-Asuabu in Deutschland wird bislang im Wesentlichen von Telekom-Mitbewerbern getragen und hier wiederum von den Mitgliedsunternehmen des BUGLAS ( Bundesverband Glasfaseranschluss e. V.), insbesondere M-Net, NetCologne und EWE Tel (Grafik: BUGLAS).Der FTTH-Asuabu in Deutschland wird bislang im Wesentlichen von Telekom-Mitbewerbern getragen und hier wiederum von den Mitgliedsunternehmen des BUGLAS (Bundesverband Glasfaseranschluss e. V.), insbesondere M-Net, NetCologne und EWE Tel (Grafik: BUGLAS).

Allerdings ist der Durchsatz bei Glasfaser heute schon höher und kann in Zukunft durch Aufrüstung der aktiven Netzwerkkomponenten noch wesentlich weiter ausgebaut werden, als dies bei Kupferleitungen möglich sein wird. Der Regulierungsentwurf bevorzugt durch seine Ausgestaltung also – möglicherweise aufgrund von Vorgaben durch die Politik – einen schrittweisen Ausbau. Dadurch kann es zwar sein, dass kurzfristig manche Ausbauziele schneller erreicht werden, langfristig sind jedoch immer wieder neue Ausbauschritte erforderlich und schon heute vorhersehbar.

Die im Entwurf gemachten Zugeständnisse der Bundesnetzagentur an die Glasfasertechnologie sind bei näherer Betrachtung überhaupt keine. Wie bereits früher wird auch jetzt erlaubt, dass in Fällen, in denen die Telekom Glasfaser bis zum Kabelverzweiger (sogenanntes FTTC) ausgebaut hat, Mitbewerber Glasfaser bis zum Haus oder zur Wohnung (FTTB oder FTTH) verlegen können. Das halten aber alle Netzbetreiber in der Regel für unwirtschaftlich. Dasselbe gilt für die nun hinzugekommene Möglichkeit in Fällen, in denen die Telekom tatsächlich FTTB/H anbietet, parallel ein deutlich schlechteres FTTC-Netz mit Vectoring auszubauen. Das sei wirtschaftlich noch weniger sinnvoll.

Laut VATM mache dieses „Angebot“ an die Wettbewerber deutlich, dass der Entwurf „weiterhin Investitionsschutz für die Vectoring-Technologie, nicht jedoch für einen vorhandenen oder zukünftigen FTTB/H-Ausbau“ vorsieht. Das sieht auch der BREKO so: „Der von der Telekom beabsichtigte Ausbau basiert im Wesentlichen auf abgeschriebenen Kupferleitungen. Diese werden damit weitergenutzt, während der Ausbau mit zukunftssicheren und hochleistungsfähigen Glasfaseranschlüssen bis ins Gebäude (FTTB) oder bis direkt in die Wohnung (FTTH) völlig unberücksichtigt bleibt“, wird BREKO-Präsident Norbert Westfal in einer Pressemitteilung zitiert.

Nach Ansicht von Westfal wird ohne Einbezug der in der Regel dichter besiedelten Nahbereiche ein flächendeckender Glasfaserausbau, der tatsächlich unterversorgten, meist ländlichen Gebiete außerhalb der Nahbereiche deutlich erschwert. Dass es sich dabei nicht um eine reine Lobbyistensicht der Wettbewerber handelt, wird dadurch deutlich, dass die Bundesnetzagentur auch die Empfehlungen des Bundeskartellamts weitgehend in den Wind geschlagen hat.

Themenseiten: BREKO, Breitband, Deutsche Telekom, Networking, VATM

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

4 Kommentare zu Mitbewerber: Telekom erhält durch Bundesnetzagentur Quasi-Monopol beim Vectoring

Kommentar hinzufügen
  • Am 9. April 2016 um 20:20 von Michael

    Wettbewerb funktioniert nur wenn der Gewinn stimmt. Für die bisher nicht versorgten Gebiete interessiert sich keiner. Vor allem kein Mitbewerber der Telekom. Das klappt nur wenn der Staat es verlangt und dafür zahlt. Glasfaser in jedes Haus? Die meisten Normaluser sind schon mit 6 Mbit zufrieden. Das rechnet sich nie.

  • Am 9. April 2016 um 11:49 von Andrea

    In der Sache sage ich ganz klar:

    hier braucht es Wettbewerb zur Telekom beim Vectoring wie ueberhaupt bei der Glasfaser-Versorgung! Andere Anbieter können dass besser als die werte Telekom die ich nur noch als Spy-Kom einstufe!

    Weg mit Monopol und her mit Wettbewerb auch beim Vectoring! Schluss mit dieser Gängelung von uns Usern! Das ist nicht im Sinne von Artikel 38 EU-Grundrechte-Charta, der ein hohes Verbraucherschutz-Niveau vorsieht!

    • Am 10. April 2016 um 23:50 von Alexander

      Dann sollen die anderen Anbieter auch endlich mal ihren Arsch hochkriegen und investieren. Es ist nicht im Sinne eines Unternehmens, das gesamte Gebiet auszubauen und dann ihre Leitungen dann anderen zur Verfügung zu stellen.

      Da es ein Unternehmen nicht alleine Tragen kann, und der Staat bei Leibe einfach viel zu wenig investiert muss eine Zwischenlösung her. Und das ist nun mal das Kostengünstigere Vectoring.

      Entweder Jeder investiert oder eben keiner.

      • Am 11. April 2016 um 16:51 von Chris

        Und wie die anderen Anbieter investiert haben. Ein Norddeutscher Energieversorger hat sogar ein besseres, und höheres, Angebot bei der BNetzA gemacht aber es wurde abgelehnt. Vorher informieren, sprich selbst den Arsch hochkriegen und sich mal schlau machen bevor so ein bescheuerten Kommentar kommt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *