Lösen Facebook-Pinnwände die nächste Abmahnwelle aus?

Aus der Sicht der Abmahnanwälte ist das Böse immer und überall - demnächst sogar auf Facebook. Medienrechtsexperte Christian Solmecke schätzt, dass die Pinnwand eines durchschnittlichen Jugendlichen für sie zwischen 10.000 und 15.000 Euro wert ist.

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Den Satz hat man schon oft genug gehört – und durch Hinweise wie „dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar“ wird man auch regelmäßig daran erinnert. Zwar ist das Intenret kein rechtsfreier Raum, allerdings ein Raum mit sehr unklaren rechtlichen Regeln. Und noch ist nicht klar, wer die definiert und deren Anwendung kontrolliert.

Das machen sich viele zunutze. Manche davon, um gratis an Dinge zu kommen, die sonst Geld kosten. Andere, um unter dem Deckmäntelchen das Recht durchsetzen zu wollen, Geld zu verdienen. Für letztere hat es sich in Deutschland bewährt, gefährlich klingende Briefe mit mehr oder weniger bewiesenen Behauptungen zu mehr oder weniger gravierenden Rechtsverletzungen zu verschicken.

Nicht jedes Facebook-Profil ist so spartanisch wie das des Schauspielers Ashton Kutchner. Hier fänden Abmahnanwälte kaum Ansatzpunkte für ihr Geschäft (Screenshot: ZDNet).
Nicht jedes Facebook-Profil ist so spartanisch wie das des Schauspielers Ashton Kutchner. Hier fänden Abmahnanwälte kaum Ansatzpunkte für ihr Geschäft (Screenshot: ZDNet).

Das funktioniert so ähnlich wie der Spam-Versand: Während der Spammer sich ein Thema als Betreff aussucht, das die Leute gerade interessieren könnte (königliche Hochzeit, Muttertag, Gesangswettbewerb oder Casting-Show) sucht sich der Anwalt ein Thema aus, das den Leuten noch nicht richtig vertraut ist. Und während der Spammer seine Opfer auf Webseiten mit Malware lockt, fordert der Anwalt für einen Quasi-Serienbrief erhebliche Gebühren. Wenn es für ihn gut läuft, ist sogar noch Schadenersatz für seinen Klienten drin – mit dem er oft genug unter einer Decke steckt.

In der Vergangenheit lief es für die Abmahnanwälte richtig gut. Homepage-Betreiber machten sich massenhaft „schwerwiegender und unverzeihlicher“ Fehler schuldig. Etwa beim Impressum, indem sie ihren Namen nicht nannten oder versäumten, es aktuell zu halten. Wer ein bisschen Dynamik auf seiner Site haben wollte und dafür einen RSS-Feed nutzte, musste eventuell fesstellen, dass er für die automatisch eingeflossenen und von ihm nicht erstellten Inhalte trotzdem haften kann. Für Kopfschütteln bei Betroffenen und Händereiben bei Abmahnanwälten sorgten auch Urteile, wonach das Einbinden eines RSS-Feeds Urheberrechte verletzen kann. Auch dass die ungenehmigte Nutzung von Grafiken oder Fotos teuer werden kann, hat sich inzwischen herumgesprochen.

Das gilt zumindest im „UHU-Web“ – dem Web für die unter Hundertjährigen, wo man noch altmodisch Hompages und Foren aufsucht. Ganz anders sieht es im „Teenie-Web“ aus, dort, wo man sich auf Pinnwänden und Profilen bewegt. Diese Welt könnte sich als eine wahre Goldgrube für Anwälte herausstellen, die sich auf das schnelle Geld mit Abmahnungen spezialisiert haben.

Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke schätzt, dass für sie die typische Facebook-Seite eines Teenagers 10.000 bis 15.000 Euro wert sein kann. „Millionen Menschen, vor allem Jugendliche, unterhalten auf Facebook eine eigene Homepage. Hier posten sie unbekümmert Fotos ihrer Stars, binden YouTube-Videos in ihre Pinnwand ein, veröffentlichen Songtexte oder kopieren gescannte Seiten aus Büchern in ihre Profile. Da sie hier oft Inhalte für mehrere hundert Freunde veröffentlichen, kann von einer privaten Nutzung nicht mehr gesprochen werden. Im Grunde genommen müssen sich die Facebook-Aktiven wie professionelle Journalisten behandeln lassen.“

Laut dem Kölner Anwalt kann jeder Facebook-Aktive für die Aktivitäten auf seiner Pinnwand zur Rechenschaft gezogen und abgemahnt werden – und zwar ohne Vorwarnung und ohne die Möglichkeit, nachträglich den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. „Diese Inhalte müssen nicht einmal selbst auf die eigene Facebook-Seite gestellt werden. Es reicht aus, sie zu teilen, um sie sich zu Eigen zu machen und aktiv weiter zu verbreiten.“ Für eine Abmahnung sieht Solmecke hauptsächlich sieben Ansatzpunkte:

  • Das Foto eines Stars: Wer Fotos seines Stars auf die Pinnwand stellt, ohne dafür die Erlaubnis zu besitzen, kann abgemahnt werden – vom Fotografen, vom Management des Stars und vom Star selbst.
  • Lustige Bilder: Auch Fun-Bilder stammen von einem Fotografen, der die Bildrechte hält. Eine Abmahnung kann hier wegen der Verwendung des Bildes erfolgen, zusätzlich aber auch, weil der Name des Fotografen nicht genannt wurde.
  • YouTube-Videos: Wer ein YouTube-Video einbindet, haftet für die Inhalte. Verletzt das Video Rechte, kann der Facebook-Anwender ebenfalls belangt werden. Bei Musikstücken können sogar GEMA-Gebühren fällig werden.
  • Eigene Musikvideos: Sogar selbst erstellte Aufnahmen können kritisch sein, etwa solche auf denen die Schülerband oder der Musikverein bekannte Stücke nachspielt und damit eigentlich Lizenzgebühren für die Komponisten, die Interpreten und die Plattenfirma anfallen würden.
  • Eigene Fotos: Wer ungefragt Menschen fotografiert und diese Bilder auf Facebook veröffentlicht, kann auf Unterlassung abgemahnt werden. Grund: Es gilt immer noch das Recht am eigenen Bild.
  • Zitate aller Art: Facebook-Anwender veröffentlichen gern weise, lustige oder zeitgenössische Zitate berühmter Personen, posten Gedichte oder kleben Songtexte auf die Pinnwand. Auch hier gilt: Solange die Urheber nicht schon 70 Jahre tot sind, greift das Urheberrecht. Auch bei diesen Veröffentlichungen kann es zu Geldforderungen kommen.
  • Profilfoto: Wer sich Facebook-Profilfoto etwa eine Comicfigur oder das Bild eines Promis aussucht verwendet in der Regel ein geschütztes Bild und kann abgemahnt werden. Die Größe des Bildes ist dabei unerheblich.

Der Anwalt befürchtet, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis eine wahre Lawine an Abmahnungen losgetreten wird. „Um die Jugendlichen zu schützen, müssen dringend neue gesetzliche Regelungen gefunden werden. Das Bedürfnis der Teenager, sich auf diese, ihre Weise auf Facebook zu äußern, ist sehr hoch. Hier sollte schnell eine besondere Fair-use-Regel greifen, die Veröffentlichungen im Rahmen der eigenen Freunde vor Abmahnungen schützt.“ Sein Wort in Gottes und des Gesetzgebers Ohr…

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6 Kommentare zu Lösen Facebook-Pinnwände die nächste Abmahnwelle aus?

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  • Am 30. Juni 2011 um 5:50 von Christian Schmidlin

    Werbung?
    Wenn ein User ein Avatar einer bekannt Comic Figur verwendet ist das zumindest indirekt auch Werbung für diese Figur und die damit verbundenen Produkte.
    Wo bleibt die finanzielle Gegenleistung der Industrie?
    Dasselbe gilt für Musikstücke, die so bekannt gemacht werden.

  • Am 23. Mai 2011 um 18:14 von DAMerrick

    Irgendwann bricht alles zusammen
    Anders geht es nicht mehr.

    Etwa gewinnen ein paar Riesenkonzerne die nicht damit klarkommen das die Jugend und die 30jährigen von Heute anders sind als die von vor 20 Jahren; und diese Konzerne sorgen dann dafür das alles gesperrt wird und jedes Wörtchen 10,000 Euro kostet (Siehe dazu auch Leistungsschutzrecht) und der Gesetzgeber macht mit und baut überall Internetsperren auf inkls. Kappung und völliger Zensur. Und das alles nur um ein paar Lizenzen von KOnzernen zu schützen (und nciht um die Rechte von Urhebern zu schützen!!)

    ODer der Gesetzgeber sieht ein (wie es teils der Fall ist) das Urheberrecht und Ähnlcihes dringend reformiert werden muss. Das FaceBook-Freunde eine eigene Art von Freunde sind, keine wirklche Öffentlichkeit aber auch keine privaten Freunde.

    Mal ehrlich, was soll das alles noch? Urheberrecht bspw. ist ja ganz nett aber wenn die Lizenzfirma noch 80 Jahre nach dem Tod des wirklichen Urhebers abkassieren darf dann stimmt was nicht. Und wenn diese Firma das Recht hat harmlose Veröffentlichungen auf FaceBook abzumahnen dann ist es der letzte Stein des Beweises das sich REcht und Internet auseinandergelebt haben.

    Diesen Status haben wir seit ein paar Jahren. Aber viel länger wird es nicht ehr so bleiben. Eine Seite wird zerbrechen. Aufgrund des Widerstandes die Seite der Lizenzfirmen.

  • Am 22. Mai 2011 um 20:39 von gadget

    Oh ha
    Sehr clevere Idee, den verdammten Abmahn-Anwälten auch noch Tips zu geben und ihnen ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen (gibt’s da ’ne Provision?)…
    Die, bis jetzt 35 positiven Bewertungen, kommen bestimmt auch von denen…

    • Am 23. Mai 2011 um 12:32 von Peter Marwan

      AW: Oh ha
      Hallo gadgdet,
      wir haben uns das vor der Veröffentlichung natürlich überlegt. Ich denke aber nicht, dass diese Art von Anwälten auf unseren Rat angewiesen ist. Sie hat zumindest bisher immer ganz gut alleine herausgefunden, wo etwas für sie zu holen ist. Außerdem lassen sich ja – wenn man ein bißchen für das Thema sensibilisiert ist – auf Facebook anders als beim Filesharing gewisse Vorkehrungen treffen. Man muss ja zum Beispiel keinen Abmahnanwalt als „Freund“ akzeptieren. Interessant sind in dem Zusammenhang für Sie sicher auch die inzwischen publizierten Ausführungen der Kanzlei Ferner aus Alsdorf ( http://www.ferner-alsdorf.de/2011/05/facebook-abmahnwelle-pinnwand/wettbewerbsrecht/strafrecht/rechtsanwalt/verkehrsrecht/ ).

      Sie meint, dass die aufgezeigten Probleme inhaltlich korrekt und die theoretische Abmahngefahr durchaus besteht. Allerdings hält sie die praktische Relevanz für gering, etwa weil der Aufwand eine Person zu identifizieren ungleich höher ist als zum Beispiel beim Filesharing.

      Zitat aus der Stellungnahme der Kanzlei: „Im Fazit sehe ich daher einen begründeten Hinweis, aber keinen Anlass zur Hysterie. Eltern und Schule sollten darauf bedacht sein, ihren Kindern die Problematik zu erklären, speziell Unternehmen sollten sich das Thema aber ganz besonders ansehen, da hier ein echtes Risiko besteht.“ Was Firmen bei einer Facebook-Seite beachten sollten, hat die Kanzlei an anderer Stelle näher ausgeführt: http://www.ferner-alsdorf.de/?p=4918

      Peter Marwan
      ZDNet-Redaktion

  • Am 21. Mai 2011 um 11:12 von Hafenlümmel

    Fair-use für Werbemillionen?
    „Hier sollte schnell eine besondere Fair-use-Regel greifen, die Veröffentlichungen im Rahmen der eigenen Freunde vor Abmahnungen schützt.“

    Das widerspricht sich. Entweder im Rahmen der eigenen Freunde, zum Beispiel passwortgeschützt im eigenen Forum. Oder die Inahlte werden eben der gesamten Netzgemeinde öffentlich zugänglich gemacht.

    Geschieht dies zum Beispiel in sozialen Netzwerken, so generiert zumindest einmal der Betreiber der Plattform mit genau diesen Inhalten Werbeumsätze.

    Den Benutzern stehen die Kommunikations- und Hostingmöglichkeiten in der Regel kostenlos zur Verfügung. Ein geldwerter Vorteil. Finanziert unter anderem durch an die veröffentlichten Inhalte angepasste Werbung.

    Wie fair ist das gegenüber den Urhebern?

    • Am 23. Mai 2011 um 18:09 von DAMerrick

      AW: Fair-use für Werbemillionen?
      Meinen Sie mit Urheber jetzt den Urheber oder eher den der die Rechte an etwas hat?

      Ich hätte nichts dagegen für etwas zu zahlen und mich abmahnen zu lassen wenn ich wüsste dass das Geld an den Urheber des Abmahngrundes geht. Mich stört es aber gewaltig dass das Geld an Verwalter geht wie große Musikkonzerne die einfach nur noch eine Million Gewinn machen wollen.

      Nichts gegen den Wunsch so viel Geld wie möglich machen zu wollen, aber wer diese Ambitionen hat soll sich nicht wundern wenn man alles tut um dem entgegenzuwirken.

      Und wer denkt „Beim Kauf dieser CD unterstütze ich meinen Lieblingssänger“ irrt gewaltig. Und ebenso auch bei den angeblich so schwerwiegenden Urheberrechtverletzungen im Internet.

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