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Adobe Premiere 6.5

Auf den ersten Blick blieb die Benutzeroberfläche unverändert, was diejenigen Anwender freuen dürfte, die bereits mit Premiere vertraut sind. Für Neulinge ist dies jedoch wohl eher von Nachteil, da die Oberfläche auf Anfänger ziemlich verwirrend wirkt. Die Arbeitsfläche ist nach wie vor in die Hauptfenster unterteilt (Projekt, Zeitleiste und Vorschau), mit zusätzlichen Fenstern für Effekte, Übergänge, Einstellungen und Navigation auf der Zeitleiste. Alle diese Bereiche können in ihrer Größe und Position angepasst werden und lassen sich bei Verwendung mehrerer Bildschirme beliebig auf verschiedene Monitore verteilen, was einen entscheidenden Vorteil gegenüber den meisten anderen NLE-Programmen darstellt.

Die Verbesserungen in Version 6.5 betreffen eher die Funktionalität als die Optik des Programms. Als wichtigste Weiterentwicklung ist hier die Erweiterung der Features von Premiere um Echtzeit-Video-Funktionen zu nennen. Sobald in der Zeitleiste ein Effekt oder eine Anpassung hinzugefügt wird, kann das Endergebnis dank der neuen Software-basierten Vorschau-Engine von Premiere sofort angezeigt werden. Dieses System ist skalierbar und passt die Frame-Rate sowie die Auflösung der Vorschau entsprechend der Kapazität des Host-Systems und der Art und Anzahl der verwendeten Effekte an. Es stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber der Vorgängerversion dar und beschleunigt die Fertigstellung von Projekten auf reinen Software-Systemen enorm.

Außerdem ist der neue Title Designer von Premiere lobend zu erwähnen, der die äußerst simple Titelfunktion früherer Versionen durch ein ausgefeilteres und leistungsstärkeres Plug-in ablöst. Neben den Standard-Tools wie Schriftauswahl, Schattenwurf und Umrahmungen/Unterstreichungen stehen eine Reihe neuer Einstellungen für Kerning, Tracking und Zeilenabstand, Drehen, Ausfüllen, Neigen und Transparenz zur Verfügung. Auch diese Verbesserung war längst überfällig, angesichts der Expertise von Adobe im Bereich Desktop Publishing und Typographie. Die Geschwindigkeit von Rolltiteln und Laufschriften wird automatisch an die Länge des jeweiligen Clips angepasst, wobei für eine präzisere Festlegung der Titelbewegung auf dem Bildschirm Keyframes hinzugefügt werden können. Neben den erweiterten Einstellungen für die Schriftanzeige enthält der Title Designer auch grundlegende Zeichen-Tools sowie eine beeindruckende Palette von 170 professionellen Vorlagen für Fälle, in denen eigene Entwürfe einfach zu lange dauern würden.

Wer, wie so viele Benutzer, auf ein komplettes Paket für Aufnahme, Bearbeitung und DVD-Authoring gewartet hat, das umfassender als die durchaus brauchbaren Produkte von Ulead ist, der wird leider auch mit Premiere 6.5 nicht ganz zufriedengestellt. Doch immerhin stellt das Programm einen großen Schritt in die richtige Richtung dar. Die vor kurzem von Adobe mit Sonic Solutions abgeschlossene Lizenzvereinbarung muss erst noch in eine Adobe-eigene Anwendung für DVD-Authoring umgesetzt werden, weshalb man sich einstweilen mit dem im Lieferumfang enthaltenen DVDit! von Sonic und Adobes neuem Plug-in zur MPEG-Kodierung begnügen muss. Ersteres Programm ist bei weitem zu dürftig, um ernsthaft in Verbindung mit einer NLE-Anwendung des Formats von Premiere genutzt werden zu können. Es scheint, dass Adobe hiermit nur Zeit gewinnen will, bis ein besseres Angebot bereitsteht (vielleicht in Version 7?). Der MPEG-Encoder macht diesen Nachteil jedoch wieder wett.

Ohne dass erst teure Plug-ins erforderlich sind, wie z. B. bei LSX-MPEG von Ligos, ermöglicht der MPEG-Encoder von Adobe das Erstellen von DVD- oder VCD-/SVCD-kompatiblen MPEG-Videodateien direkt aus der Zeitleiste von Premiere. Anfänger werden sich über die Voreinstellungen für DVD, VCD und SVCD auf der ersten Registerkarte dieses neuen Tools freuen, während Profis von den Optionen für Bit-Rate, GOP-Struktur, Ratenregulierung, Bewegungseinschätzung, Sequenzkennzeichnung und Audio-Kodierung begeistert sein werden. Dennoch wären auch Funktionen zur manuellen Erstellung von Indexrahmen sowie zum AC3-Audio-Export wünschenswert gewesen.

Die weiteren Änderungen am Funktionsumfang von Premiere sind zwar vielleicht weniger einschneidend als die bereits geschilderten Verbesserungen, dennoch sind auch sie äußerst praktisch. So werden Benutzer, die Web-basierte Videos erstellen möchten, die neue Import-Funktion für Windows Media-Dateien begrüßen, mit der ASF-, WMV- und WMA-Dateien auf der Zeitleiste bearbeitet werden können, was einen weiteren Rückschlag für die RealMedia-Dateien bedeutet, obwohl nach wie vor in beide Formate exportiert werden kann.

Die Audio-Einstellungen wurden um drei Plug-ins von TC Works erweitert, die präzisere Einstellungen für Dynamik, Frequenzausgleich und Reverb-Effekte des Tons ermöglichen, wobei die entsprechende grafische Oberfläche nun etwas eleganter ist. Was die Video-Effekte anbelangt, gibt es nur wenige Neuerungen zu verzeichnen, abgesehen vom neuen Gewitter-Tool, das sehr gut gemacht ist, doch in der Praxis nur selten zum Einsatz kommen dürfte. Ebenfalls enthalten sind die weniger spektakulären, doch vermutlich häufiger benötigten Optionen für Kanalunschärfe, Überblenden, Richtungsunschärfe und Ramp.

Es liegt ganz klar auf der Hand, dass Premiere 6.5 gegenüber der Version 6 eine enorme Verbesserung darstellt. Ein Blick auf die Preise erweist sich da schon als komplizierter. Benutzer, die bereits eine Premiere-Version verwenden, sollten sich umgehend das 203 Euro teure Upgrade besorgen. Doch wer sich erstmals eine NLE-Anwendung anschafft, dürfte vor dem stolzen Preis von 810 Euro der Vollversion zurückschrecken. Und dies zu Recht, denn schließlich wird auch die Hardware-beschleunigte Video-Editing-Karte Matrox RT.X10 zusammen mit einer Vollversion von Premiere 6.5 (oder zumindest einem Gutschein für diese) in einem Paket für 649 Euro angeboten.

Premiere 6.5 ist ein sinnvolles Update für ein Produkt, das wirklich eine gewisse Auffrischung nötig hatte. Das bedeutet jedoch nicht, dass kein Bedarf für weitere Verbesserungen besteht. Es bleibt also abzuwarten, was Adobe in seiner Version 7 zu bieten hat, wenn diese eines Tages auf den Markt kommt.

ZDNet.de Redaktion

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