Aufgrund von Uneinigkeiten über die Geschäftsordnung hat das Europäische Parlament gestern eine Abstimmung zum Abhörprojekt „Echelon“ auf Anfang Mai verschoben. EU-Sprecher Lenoello Gabrici nannte gegenüber ZDNet sogar eine Verzögerung bis Juni oder Juli realistisch.

Die Abstimmung sollte klären, ob ein zeitweiliger Ausschuss oder aber ein Untersuchungsausschuss Maßnahmen finden kann, wie EU-Bürger vor der Spionage durch die anglophonen Staaten Großbritannien, Australien, Neuseeland, USA und Kanada geschützt werden können. Eine Möglichkeit wäre es, in die Menschenrechtscharta der EU den Schutz vor Spionage aufzunehmen.

MdEP Christian von Boetticher (CDU) vertrat gegenüber ZDNet die Ansicht, dass diesem Ziel auf diplomatischem Wege aber näher gekommen werden könnte. Er könne sich auch rechtliche Druckmittel gegen die USA vorstellen: „Wir könnten beispielweise über die Welthandelsorganisation versuchen, Entschädigungszahlungen zu erzielen.“

Der britische Parlamentsabgeordnete Graham Watson (Liberal Democrat Party) forderte diese Woche, dass das „zukünftige Rahmenwerk der Union sicherstellen muss, dass die Sicherheitsanforderungen jedes Mitgliedsstaates und der Union mit den Grundsätzen der europäischen Bürgerschaft übereinstimmen. Das Abhören von Mitgliedsstaaten muss, ohne Ausnahme, den anderen Nationen bekannt gemacht werden. Diese müssen dem zustimmen. Zudem sollten die Abhöraktionen streng nach den Richtlinien derjenigen Staaten getätigt werden, auf deren Gebiet die ausspionierten Personen leben.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Europaabgeordnete Gerhard Schmid (SPD). Er hatte am 22. Februar an den ehemaligen Bundespräsidenten und Chef des Konvents für den Entwurf einer Grundrechtscharta der EU, Roman Herzog, einen Brief geschrieben. Darin heisst es: „… möchte ich Sie bitten zu prüfen, ob bei den Arbeiten zur Entwicklung einer Grundrechtscharta der EU das Problem eines Grundrechtsschutzes gegenüber dem Handeln eines anderen EU-Staates, dessen Staatsbürgerschaft man nicht besitzt, mit aufgenommen werden kann.“ Schmid sagte gegenüber ZDNet: „Ich bin mir bewusst, dass ein solcher Grundrechtsschutz keinerlei technische Sicherheit vor einer Abhöraktion bietet. Aber durch eine solche Gesetzesgrundlage wäre ein gewisser Rechtsschutz erreicht.“

Echelon ist ein sagenumwobenes Geheimprojekt. Offenbar betreiben es die Geheimdienste der Vereinigten Staaten zusammen mit ihren Kollegen in Neuseeland, Australien, Kanada und Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg. Die genannten Staaten sollen mit großem technischen Aufwand alle internationalen Telefongespräche, Handytelefonate sowie E-Mails und Faxe abhören und nach bestimmten Schlüsselwörtern durchsuchen. Bereits mehrfach war von merkwürdigen Fällen von Wirtschaftsspionage berichtet worden, bei denen US-Firmen ihre europäischen Mitbewerber durch kenntnisreiche Gegenangebote bei Großaufträgen ausstechen konnten.

ZDNet.de Redaktion

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