Wirtschaftsspionage mit Echelon

Über Echelon wurde lange spekuliert, jetzt fügen sich die Puzzleteile zu einem Bild zusammen. Reporter des US-Fernsehsenders NBC haben die Aussagen von Offiziellen aus acht Jahren nach Hinweisen auf die Existenz sowie Funktionsweise des Abhörprojekts durchforstet und sind dabei auf verblüffende Aussagen gestoßen.

Demnach hat die CIA nach dem Kalten Krieg begonnen, auch Informationen über die Industrie der europäischen Staaten zu sammeln. Der frühere Beamte in der Geheimdienst-Abteilung des US-Außenministeriums, Randall Fort, hat in mehreren Interviews bestätigt, dass die Wirtschaftsspionage während der Bush-Regierung begonnen hat: „Die Japaner haben damals die syrischen Beamten geschmiert bis zum Abwinken“, um an den Auftrag zum Bau eines Kraftwerks zu kommen. Damals wurde man darauf aufmerksam, dass sich auch eine US-Firma um die Vergabe beworben hatte. Deshalb gingen US-Diplomaten unauffällig zur Regierung vor Ort um ihr mitzuteilen, dass falls Syrien seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verbessern wollte, sie sich nicht auf Bestechung einlassen sollten. Als Folge hat die US-Firma den Auftrag bekommen.

Zu diesem Zeitpunkt entdeckte die CIA Wirtschaftsspionage als Möglichkeit, ihre hohen Ausgaben trotz der Beilegung des Kalten Krieges zu rechtfertigen. Nach dem Vorfall in Syrien wurden die „Schlapphüte“ laut Randall Fort „von sich aus aktiv, wenn ihnen etwas aufgefallen ist“. Nach dem Ende der Bush-Ära wurde die Handlungsweise auch in der Clinton-Administration fortgesetzt – sogar noch stärker. Der Newsletter „Daily Economic Intelligence Briefing“ wird in einer Auflage von 100 Stück verteilt – nur der Zugang zum „President´s Daily Briefing“ ist mit 32 Exemplaren noch stärker beschränkt.

So wurden laut einem Brief, den die CIA an den Geheimdienstausschuss des US-Senats geschrieben hat, 1993 in 51 Fällen Schmiergeldzahlungen bei Aufträgen mit einem Gesamtvolumen von 28 Milliarden Dollar festgestellt. Bei Vergaben im Wert von 6,5 Milliarden Dollar wurden nach Intervention der US-Diplomaten amerikanische Firmen berücksichtigt.

Wie der frühere CIA-Direktor James Woolsey bei einer Pressekonferenz in Detroit sagte, erlangten US-Firmen auf diese Weise 1994 Aufträge im Wert von zehn Milliarden Dollar. Betroffen waren unter anderem die Errichtung eines Telekommunikationssystems in Indonesien sowie Infrastrukturverbesserungen in Saudi Arabien. Zudem berichtet NBC, dass die Aufträge über den Verkauf von Flugzeugen an eine saudische Airline in Höhe von sechs Milliarden Dollar sowie ein Überwachungssystem für den Amazonas in Brasilien mit dem Wert von 1,4 Milliarden Dollar aufgrund von Wirtschaftsspionage neu vergeben wurden.

In einer öffentlich zugänglichen „Erfolgsgeschichte“, die das Handelsministerium veröffentlichte, hört sich das so an: „Trotz der harten Konkurrenz durch einer europäischen Firmengruppe konnte die US-Regierung dem Raytheon-Konsortium beistehen und so helfen, das Spielfeld in Brasilien zu ebnen.“ „Level the playing field“ wurde häufiger als Ausdruck für Echelon-Operationen benutzt.

Ex-CIA-Direktor Woolsey sagte am 9. März 1993 vor dem Geheimdienstausschuss des Senats: „Uns sind solche Dinge auch schon während des Kalten Krieges aufgefallen. Aber damals war es uns im Hinblick auf den Umgang mit der Sowjetunion – und einige dieser Staaten, die in diese Aktivitäten verwickelt waren, sind Freunde und Alliierte der USA – haben wir diese Dinge zwar auch weitergeleitet und die entsprechenden Stellen der Regierung informiert. Aber zugegebenermaßen haben wir von Zeit zu Zeit während des Kalten Krieges bei sowas ein Auge zugedrückt.“

Dieses Vorgehen hat die Rückendeckung des Kongresses. Das „Intelligence Authorization“-Gesetz von 1995 verlangt vom Weißen Haus, zudem jeden März einen Bericht über Industriespionage gegen US-Firmen und die darin verwickelten Staaten abzugeben, um „das Bewusstsein der US-Industrie für Industriespionage sowie die Fähigkeit, sie abzuwehren, zu stärken.“

Erst vergangene Woche haben der jetzige Chef der CIA, George Tenet, sowie der Direktor der NSA, Michael Hayden, die Industrie-Spionage-Aktivitäten ihrer Behörden geleugnet: „Bei allem Respekt, das ist falsch. Wem würden wir helfen? Den großen Firmen? Dem kleinen Mann? Allen? Wir wären doch auch unfair gegenüber US-Unternehmen, wenn wir den einen unterstützen würden und die anderen nicht.“

Zu den Unternehmen selbst fließen aber laut NBC keinerlei Informationen. Die Intervention erfolgt auf Regierungsebene und Ex-CIA-Boss Woolsey sagte in einer Rede vor dem „Center for Strategic and International Studies“ im July 1994: „Ich lächle manchmal, wenn ich in der Zeitung lese, dass Unternehmen sagen, sie wollen keine Hilfe von den Geheimdiensten. Manchen von denen haben wir schon richtig große Aufträge gerettet.“ Da die Informationen über Wirtschaftsspionage nur der US-Regierung bekannt sind interveniert diese direkt bei der Regierung in dem Land, in dem der Auftrag durch Schmiergeldzahlung vergeben wurde. Zeigen die Drohungen mit der Verschlechterung der Beziehung zu den USA Wirkung, wird die Vergabe oftmals noch einmal neu geregelt – häufig zugunsten der US-Unternehmen, die aber selbst nicht unmittelbar informiert werden, warum sie bei einem Projekt berücksichtigt wurden.

Allerdings sagte ein früherer Geheimdienstoffizier, den NBC zitiert: „Wir müssen das alles in der richtigen Relation sehen. Unter den großen Antriebskräften für den Dienst ist Wirtschaftsspionage eher ein kleiner Brocken.“

ZDNet.de Redaktion

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