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High-Tech-Nation Irland: „Wir haben 15 Jahre Klinken geputzt“

Xerox ist das jüngste in einer Reihe von Unternehmen, die einen großen Teil ihrer geschäftlichen Aktivitäten nach Irland verlagert haben. Bester Beweis: 1999 hat die grüne Insel zum ersten Mal die USA als weltweit größter Software-Exporteur überholt. Der Chef der irischen Industrial Development Agency, Frank Ryan, ist sich aber sicher, dass das nicht so bleiben wird und freut sich sogar darüber. ZDNet traf ihn in Dublin zum Interview:

ZDNet: „Mr. Ryan, Sie posaunen das ja nicht gerade groß rum, dass Irland seit vergangenem Jahr weltweit der größte Software-Exporteur ist.“

Ryan: „Naja, das ist schon richtig, aber wir erwarten, dass das nicht so bleibt. Die gegenwärtigen Zahlen beruhen ja darauf, dass die Software hier nur verpackt und verschifft wird. Langfristig gesehen könnten uns da Staaten aus Fernost überholen. Das ist dann aber für uns nicht mehr so dramatisch, denn wir wollen in Irland einen Strukturwandel erreichen, damit wir langfristig hochqualifizierte Jobs schaffen.“

ZDNet: „Irland hat ja in den letzten Jahren einen enormen Strukturwandel erfahren. Wie haben Sie das geschafft?“

Ryan: „Oh, daran arbeiten wir seit über 20 Jahren und jetzt, in den letzten fünf, sechs Jahren ernten wir wirklich die Früchte unserer Anstrengungen. Ende der 70er Jahre, als ich angefangen habe, für die IDA zu arbeiten, hatten wir in Irland eine Arbeitslosenquote von über 17 Prozent und jedes Jahr sind Tausende ausgewandert. Wir wussten, wir müssen etwas unternehmen und da fiel uns diese Studie in die Hände, die besagt, dass die Zukunft in der IT-Branche und dem Pharma-Bereich liegen würde, an die haben wir uns gehalten und investiert.

Wir hatten elf Übersee-Büros der Behörde und die Kollegen vor Ort sind dann auf Tour gegangen, haben die Unternehmen der beiden Branchen angesprochen und gesagt: ‚Wollt ihr nicht in Irland investieren?‘. Zehn Jahre lang war das sehr frustrierend und ich weiß das, weil ich selber im Büro der US-Ostküste gearbeitet habe. Aber dann ist irgendwann der Funke übergesprungen und die ersten Unternehmen haben investiert. Das waren nicht sehr anspruchsvolle Jobs. Doch bald haben die Verantwortlichen gemerkt, was für exzellent ausgebildete Leute wir im Land haben und jetzt werden immer mehr Management- und Ingenieursposten in Irland geschaffen.“

ZDNet: „Wollen Sie sagen, Irland verdankt den Aufschwung dem Bildungssystem?“

Ryan: „Ja, denn unser Schulsystem ist sehr anspruchsvoll und die Absolventen sind sehr gut ausgebildet. Mittlerweile haben wir eine Quote von Universitätsabsolventen von 70 Prozent eines Jahrgangs. 1998 haben 57 Prozent der Studenten in den Fächern Informatik, Ingenieurswissenschaften und Wirtschaft abgeschlossen.

Darüber hinaus haben unsere Gewerkschaften einem sehr langsamen Lohnanstieg zugestimmt. Iren kriegen so um die zwei Prozent mehr Gehalt jedes Jahr. Und wir haben sehr viel in die Infrastruktur investiert. Irland hat in letzter Zeit 100 Millionen Dollar in ein Breitband-Netz investiert, so dass unser Telefon- und Datennetz eine 15mal höhere Bandbreite hat als das von anderen Staaten in Europa. Bisher haben nur die USA, Kanada und England eine in dem Bereich vergleichbare Infrastruktur.“

ZDNet: „Demnach glauben Sie, dass E-Commerce das ’nächste große Ding‘ ist?“

Ryan: „Absolut. Sehen Sie, wir sind ein kleines Land. Wir können nicht in allen Industriebereichen führend sein, wir müssen uns spezialisieren. Dafür sind wir sehr flexibel und schnell. Wir haben uns vor zwei Jahren mit Firmen zusammengesetzt, die hier in das Land investiert haben. Diese sagten uns, sie brauchen mehr Ingenieure. 18 Monate später hatten die Regierung 2000 Studienplätze für Ingenieure geschaffen. Nicht ein Gesetz verabschiedet, mit einer Erklärung, man wolle mehr Ingenieure ausbilden, sondern 2000 Leute waren frisch eingeschrieben. Das ist unsere große Stärke, dass wir in einem kleinen Land leben und die Wege kurz sind. Wer schnell ist, hat die größten Vorteile.“

ZDNet: „Wenn Sie sagen, sie haben für Ihren Erfolg 20 Jahre Vorbereitungszeit gebraucht, waren Sie da nie versucht, aufzugeben?“

Ryan: „Natürlich war es hart. Aber wir hatten keine Alternative. Wir haben die erste industrielle Revolution verpasst. Glücklicherweise hat jede der Regierungen an die Investition in die Ausbildung der Kinder geglaubt. Ein Platz für einen Ingenieurs-Studenten kostet uns momentan 8000 irische Pfund (knapp 20.000 Mark) im Jahr. Und früher sind die meisten Absolventen ausgewandert, weil sie hier keine Perspektive sahen. Aber durch die neuen Bedingungen kehren jetzt auch viele wieder zurück, weil sie es sich aussuchen können, ob sie als Manager oder Ingenieur bei Microsoft, Intel, IBM, Xerox, Hewlett-Packard oder einer anderen Firma arbeiten wollen.“

Kontakt:
Irish Development Agency, Tel.: 00353/16034000

ZDNet.de Redaktion

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