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Telekom-Tiefflug: „Im Moment ist viel Psychologie im Spiel“

„Wir raufen uns hier auch die Haare“, gesteht Thilo Kusch. Er ist Telekom-Analyst bei der Dresdner Kleinwort Wasserstein in London – und musste am Mittwoch einmal mehr einen gnadenlosen Absturz „seiner Aktien“ erleben. Die Deutsche Telekom (Börse Frankfurt: DTE) sank gar unter die 29 Euro und damit auf den tiefsten Wert seit mehr als zwei Jahren.

Ein Grund dafür war der hochblamable Markteinstand des französischen Mobilfunkriesen Orange. Er hatte sich am Dienstag nicht einmal einen Tag konstant halten können und war unter den Ausgabepreis gesunken. Am Mittwoch ging es weiter abwärts – auch für den Mutterkonzern France Télécom. Das Orange-Fiasko verdeutlicht einmal mehr, dass die Anleger dem Telekom-Markt derzeit nicht trauen. Es herrsche völlige Verunsicherung, sagt Kusch: „Im Moment ist da sehr viel Psychologie im Spiel.“

Natürlich gibt es aber auch rationale Gründe für den derzeitigen Tiefflug: Fast alle großen Anbieter weltweit schieben einen riesigen Schuldenberg vor sich her, der in Europa hauptsächlich durch den Erwerb von UMTS-Lizenzen entstand. Die Deutsche Telekom zahlte allein in Deutschland bereits mehr als 16 Milliarden Mark für eine Lizenz, um im so genannten Mobilfunk der dritten Generation mitmischen zu können. Doch das neue Netz ist noch reine Zukunftsmusik, die Schulden dagegen drücken schon jetzt.

Schulden waren es auch, die France Télécom zwangen, Orange ausgerechnet jetzt an den Markt zu bringen und damit den Einbruch für alle Telekom-Werte zu provozieren: Die T-Aktie stand zwischenzeitlich mehr als elf Prozent gegenüber dem Vortag im Minus und lag bei 28,51 Euro (55,76 Mark). Der negative Trend bei der Deutschen Telekom wurde verstärkt, weil die angesehene Ratingagentur Moody’s die Zukunftsaussichten des Unternehmens zu Wochenbeginn von „stabil“ auf „negativ“ geändert hatte. Zur Begründung verwiesen die Kredit-Experten auf den hohen Schuldenberg sowie auf die wegen des Marktumfeldes immer weiter sinkenden Chancen, Unternehmensteile zu vernünftigen Preisen zu verkaufen und dann Schulden zu tilgen.

Diese Argumentation will die Deutsche Telekom jedoch nicht gelten lassen. Es bestehe überhaupt kein Grund, unter Zeitdruck Unternehmensteile an die Börse zu bringen, betont Sprecher Hans Ehnert. Der Bonner Konzern werde mit den Konkurrenten „über einen Kamm geschoren“, obwohl er keine Finanzierungsprobleme habe. Zudem heißt es beim rosa Riesen immer wieder gern: „Wir arbeiten nicht für Tagesspekulanten.“ Die Bezieher von Erstaktien hätten schließlich seit dem Börsengang 1996 immer noch mehr als 50 Prozent Gewinn gemacht. Damals war die T-Aktie für 28 Mark (14,32 Euro) unters Volk gebracht worden – insofern stimmt die Rechnung der Telekom.

Verschwiegen wird dabei allerdings der zweite Börsengang 1999. Damals wurden treue Altaktionäre damit „belohnt“, dass sie pro zehn gehaltenen Anteilsscheinen je eine Aktie aus dem neuen Wurf zum Vorzugspreis garantiert bekamen. Viele Privatanleger griffen zu – für 39,50 Euro. Allein dieser Kurs klingt inzwischen wie ein kleines Märchen; von den zwischenzeitlichen Aktienkursen von mehr als hundert Euro im vergangenen Frühjahr ganz zu schweigen. Ob und wann die Telekom-Kurse wieder nach oben gehen, steht derzeit in den Sternen. Eigentlich sei inzwischen ein Niveau erreicht, bei dem die Unternehmen vernünftig bewertet seien, sagt Kusch. „Es kann aber durchaus auch noch tiefer gehen.“

ZDNet.de Redaktion

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