Alcatel und Lucent: Warum es nicht sein sollte

Zähe Verhandlungen im Geheimen, eine brodelnde Gerüchteküche und misstrauische Anleger, die die Aktien nach Bekanntwerden der Anbahnungsversuche in den Keller purzeln ließen – die geplante Fusion zwischen dem französischen Telekom-Ausrüster Alcatel (Börse Frankfurt: SEC) und dem US-Anbieter Lucent Technologies (Börse Frankfurt: LUC) stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Am Dienstagabend gaben die Unternehmen auf und das Scheitern ihrer Verhandlungen bekannt. Gründe nannten sie nicht.

Angesichts der prekären finanziellen Lage von Lucent und des seit Monaten anhaltenen Börsentiefs von Alcatel hatten Experten der geplanten Milliardenhochzeit jedoch ohnehin keine rosige Zukunft vorhergesagt. Der vor allem für Lucent rettende Deal scheiterte letztlich offenbar am Streit über die Besetzung der Führungsebene im neuen Konzern. Auf eine de-facto-Übernahme, wie Alcatel sie forderte, wollte sich der angeschlagene US-Gigant nicht einlassen.

Mit einer Fusion hätten sich Alcatel und Lucent zum mit Abstand größten Telekom-Ausrüster der Welt katapultiert. Mit einem Umsatz von rund 70,5 Milliarden Euro (137,89 Milliarden Mark) hätte das neue Unternehmen Konkurrenten wie die kanadischen Nortel Networks (rund 35 Milliarden Euro) und den schwedischen Produzenten Ericsson (31 Milliarden Euro) weit hinter sich gelassen.

Alcatel versprach sich vor allem neue Absatzmöglichkeiten auf dem US-Markt und Einspareffekte. Durch einen Zusammenschluss sollten jährlich Kosten von rund vier Milliarden Dollar gespart werden. Rund 20.000 Arbeitsplätze standen dabei auf der Streichliste.

Lucent dagegen sucht händeringend nach einem Ausweg aus seiner finanziellen Misere. Seit Monaten muss der einstige Branchenführer immer wieder Konkursgerüchte zurückweisen. Nachdem sich der Telekomausrüster 1996 selbstständig machte, setzte er während des damaligen Telekom-Booms auf externes Wachstum. Für Milliardenbeträge kaufte er insgesamt 38 Firmen auf. 1999 betrug der Börsenwert des Unternehmens stolze 285 Milliarden Dollar. Mittlerweile ist sein Wert auf ein Zehntel zusammengeschrumpft.

Die Markteinführung neuer Technologien wurde verschlafen und Kredite allzu großzügig an Kunden vergeben, die dann während der IT-Krise pleite machten. Nach der Aufdeckung von Buchfälschungen und Unterschlagungen hat Lucent nun auch die Börsenaufsicht am Hals. Allein in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2000/2001 verzeichnete die einstige Nummer Eins Verluste von rund vier Milliarden Dollar.

Doch auch Alcatel ist in einer schwierigen Phase. Seit Jahresbeginn rutschte der Wert der Aktien an der Börse um mehr als 40 Prozent ab. Bei einer Fusion mit Lucent hätten dem französischen Unternehmen nach Ansicht zahlreicher Experten auch noch in den kommenden drei Jahren Verluste ins Haus gestanden. Die Pariser Wirtschaftszeitung „La Tribune“ wies darauf hin, dass bei einer Fusion die Überlappungen der Geschäftsbereiche bei weitem größer gewesen wären als die Synergie-Effekte.

Wirtschaftsexperten warnten zudem vor massiven Unterschieden in der Unternehmenskultur zwischen dem US-Unternehmen und dem französischen Produzenten. Ausschlaggebend für das Scheitern war jedoch offenbar, dass der zunächst als Fusion unter Gleichen geplante Zusammenschluss sich immer mehr zu einer De-facto-Übernahme von Lucent durch Alcatel wandelte. Wurde der Börsenwert des US-Unternehmens zu Beginn noch mit rund 40 Milliarden Dollar angesetzt, standen zum Schluss Medienberichten zufolge nur noch 23,4 Milliarden Dollar zur Debatte. An dem neuen Unternehmen wollte Alcatel einen Anteil von 58 Prozent halten. Als alleinigen Chef des neuen Konzerns mit Sitz in Paris wollte Alcatel seinen Geschäftsführer Serge Tchuruk durchdrücken. Lucent dagegen bestand offenbar auf einer paritätischen Besetzung von Vorstand und Managementebene.

Kontakt:
Lucent Call-Center, 0800-360300

Alcatel, Tel.: 0711/8210 (günstigsten Tarif anzeigen)

ZDNet.de Redaktion

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