„Über Enfopol ist viel Falsches geschrieben worden“

Ende Mai hatte der EU-Ausschuss zur Untersuchung von Echelon seinen Report vorgelegt (ZDNet berichtete ausführlich). Der deutsche Sprecher dieses Ausschusses, Gerhard Schmid (SPD), erklärte, trotz der abweisenden Haltung der US-Behörden habe man die Existenz von und die Bedrohung durch Echelon eindeutig nachweisen können. ZDNet hakte nach und fragte den Regensburger Abgeordneten nach seinen nächsten Schritten in dieser Sache sowie seiner Beziehung zum Polizeinetz Enfopol.

„Das Wichtigste wird sein, eine breite öffentliche Diskussion über die Risiken für die europäische Wirtschaft und die Wahrung der Privatspäre der Bürger anzustoßen. Gegen das Abhören internationaler Kommunikation durch Geheimdienste kann man mit EU-Gesetzgebung nichts unternehmen. Also muß der Eigenschutz der Kommunikation durch in dieser Richtung und Forderungen Verschlüsseln gestärkt werden. Der Bericht enthält Vorschläge an die Kommission und an die Mitgliedstaaten“ erklärte Schmid auf die Frage nach konkreten Maßnahmen. Er verwies damit auf die Empfehlungen des Ausschusses, die unter anderem die Verschlüsseln von E-Mails durch alle Bürger und Firmen der EU enthalten. Zudem wurden die Mitgliedsstaaten dringend aufgefordert, Open Source-Projekte zu unterstützen, um sichere und benutzerfreundliche Anwendungen zu erstellen.

„Die Untersuchungen des Ausschusses haben, und das ist neu, die Behauptungen über die Existenz eines global arbeitenden Abhörsystems in einen zweifelsfreien Indiezienbeweis verwandelt. Gleichzeitig konnten die Grenzen des Systems, dessen Mächtigkeit in Berichten übertrieben wurde, klar gezeigt werden“, erklärte Schmid weiter.

Bei seinen Ermittlungen stieß der Untersuchungsausschuss gerade in den USA auf eine Mauer des Schweigens. Schmid berichtete dazu: „Wir haben in den USA mit Fachjournalisten, Bürgerrechtsorganisationen, der Federation of American Scientists, dem ehemaligen CIA-Direktor Woolsey, dem Vorsitzenden des Geheimdienstkontrollausschusses im House of Representatives und mit Beamten des Generalstaatsanwalts gesprochen. Unserem Wunsch nach einem Gespräch mit dem sogenannten Advocacy Center des Handelsministeriums, dem FBI – über Wirtschaftsspionage gegen US-Firmen -, der CIA und der NSA wurde nicht entsprochen. Bei den Geheimdiensten verstehe ich das, das wäre in Europa nicht anders. In den anderen beiden Fällen verstehe ich die Weigerung der amerikanischen Regierung, ein Gespräch zu genehmigen, nicht. Der Vorgang hat aber an der Substanz des Berichts nichts geändert, wir haben auch so die notwendigen Informationen bekommen. Es wäre vielmehr für die USA eine Gelegenheit gewesen, Zweifel auszuräumen. Da einige Gespräche nicht stattfinden konnten, sind wir eher als geplant abgereist.“

Aber Schmid wertet die Ablehnung durch den Nato-Partner jenseits des Atlantiks als nicht sehr gravierend: „In Europa hatten wir Gespräche in Paris und London, die deutsche Regierung hat den Koordinator für die Geheimdienste im Bundeskanzleramt in den Ausschuß entsandt. Natürlich gibt keine Regierung öffentlich im Detail Auskunft, was ihre Geheimdienste tun. Das zu erwarten wäre albern.“

Einen Bezug zwischen Echelon und Enfopol mochte Schmid nicht herstellen. Auf die Frage, ob man im Falle von stattlichen Abhöraktionen von einer „legale Spionage“ sprechen könnte, sagte der Politiker: „In jedem Mitgliedstaat der EU kann die Polizei zu Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr unter bestimmten Voraussetzungen und nach Anordnung eines Richters gesetzlich erlaubt Kommunikation abhören. Das ist etwas anderes als Spionage. Im Rahmen der Arbeitsgruppe über Polizeizusammenarbeit (Enfopol) wird an einer Vereinbarung gearbeitet, was bei einem solchen Abhörvorgang erfaßt werden soll – nur Gespräch, oder auch Anschluß des Gesprächspartners und so weiter etwa. Eine solche Vereinbarung gibt es für den Telefon- und Faxbereich schon länger, die neue Vereinbarung soll auch Mobiltelefone und Internet-Kommunikation abdecken. Damit werden aber die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen abgehört werden darf, nicht geändert – das bleibt Angelegenheit der nationalen Gesetzgebung. Es wird auch keine Kompetenz für das Abhören in einem anderen EU-Land geschaffen – dies kann nach wie vor nur im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens durch die Behörden in diesem Land nach einer Richterentscheidung in diesem Land erfolgen. Der ursprünglich Entwurf der Vereinbarung war bereits Gegenstand einer Debatte im Europaparlament, das in diesen Fragen vor einer Beschlußfassung konsultiert wird. Der Entwurf wurde zurückgezogen und der neue Entwurf muß dem Parlament erneut vorgelegt werden. Dann wird es sich damit beschäftigen.“

Weiter konkretisierte er: „Über diese Abhörvereinbarung ist in der Vergangenheit viel Falsches geschrieben worden, weil einige fälschlicherweise davon ausgegangen sind, daß damit eine europaweite Ermächtigung zum Abhören ohne richterliche Genehmigung erteilt würde. Darüberhinaus gab es Widerstand von den Internet-Providern, weil die Vereinbarung eine Pflicht des Providers zu Speicherung von Verbindungsdaten für eine bestimmte Zeit vorgesehen hatte.“

Das Interview, dem diese Ausschnitte entnommen sind, hat die ZDNet Frankreich-Redakteurin Estelle Dumout geführt.

ZDNet hat zu der Entstehungsgeschichte, der Wirkungsweise sowie den Zielen des geheimen Spionageprojekts Echelon einen internationalen News Report zusammengestellt.

ZDNet.de Redaktion

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