Der TKÜV-Entwurf aus juristischer Sicht

Am 25. Januar 2001 wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie der Entwurf der Telekommunikations-Überwachungsverordnung vorgelegt. Die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) regelt die technischen und organisatorischen Anforderungen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung durch staatliche Ermittlungsbehörden und wird die noch geltende Fernmeldeverkehr-Überwachungsverordnung (FÜV) vom 18. Mai 1995 ablösen.

Die TKÜV ist eine Rechtsverordnung, deren Erlass durch Paragraph 88 Absatz 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) unter Einhaltung dessen Voraussetzungen legitimiert ist.

Die rechtliche Grundlage für die Überwachung der Telekommunikation ergibt sich nicht aus der zukünftigen TKÜV oder aus dem TKG. Die Zulässigkeit staatlicher Überwachungsmaßnahmen (Anhören und Aufzeichnen) ist ausschließlich in der Strafprozessordnung (Strafverfolgungsbehörden), dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (Nachrichtendienste) und dem Außenwirtschaftgesetz (Zollkriminalamt) geregelt.

Daneben ermöglicht Paragraph 12 FAG den Zugriff auf bereits bei den Telekommunikationsdienstleistern vorhandene Telekommunikationsdaten. Diese Vorschriften bestimmen, unter welchen Voraussetzungen überwacht werden darf, wer überwacht werden kann und welcher Telekommunikationsdienstleister die konkrete Überwachungsanordnung zu ermöglichen hat. Paragraph 88 TKG, der durch die TKÜV ausgestaltet und konkretisiert wird, regelt, ob, auf welche Weise und in welchem Umfang diese Telekommunikationsdienstleister im Vorfeld der konkreten Maßnahme technische und organisatorische Vorkehrungen für die Überwachung ständig vorzuhalten haben.

Die TKÜV regelt im wesentlichen die Anforderungen an die technische und organisatorische Infrastruktur der Überwachung und das Verfahren zur Genehmigung und Abnahme der vom Betreiber der Telekommunikationsanlage gewählten Realisierung. Daneben enthält sie Ausnahmebestimmungen, die die Verpflichtung zur Vorhaltung technischer Einrichtungen beschränken. Der Kreis der Verpflichteten und deren Pflicht zur Tragung der Kosten ergibt sich im Grundsatz bereits aus Paragraph 88 Absatz 1 TKG.

Jedoch lässt der Regelungsrahmen der TKÜV hinsichtlich der Festlegung der Verpflichtung zur Gestaltung und Vorhaltung der technischen Einrichtungen sowie der Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen beträchtliche kostenrelevante Spielräume. Kostenrelevant kann dabei, insbesondere für Internet-Dienstleister, auch der Anknüpfungspunkt einer Überwachungsanordnung sein. Es geht dabei um die Frage, ob die Überwachungsanordnung an eine Anschlussleitung oder an eine Kennung anknüpft. Eine Kennung in diesem Sinne könnte auch eine E-Mail-Adresse eines Internet-E-Mail-Dienstes sein.

Ein wesentlicher Grund für die massive Kritik an dem vorliegenden Entwurf der TKÜV ist die Kostenfolge, die für die verpflichteten Telekommunikationsdienstleister entsteht. Die Kritik basiert zum einen darauf, dass es sich bei der Überwachung zu Ermittlungszwecken um eine staatliche Aufgabe handelt und daher eine vollständige Kostenabwälzung auf die Betreiber nicht gerechtfertigt ist. Zum anderen ist die Kritik auch darauf zu stützen, dass den Unternehmen Kosten für Maßnahmen auferlegt werden, deren Erfolge und Effizienz nicht im Ansatz geklärt sind. Die Betroffenen wenden sich damit berechtigterweise dagegen, die Kosten für eine unter Umstände zwecklose, aber teure Überwachungsinfrastruktur zu tragen. Unter Kostengesichtspunkten ist es für den Staat vor diesem Hintergrund auch unproblematisch, eine möglichst weitreichende Überwachung zu fordern.

Darüber hinaus kann sich das Verfahren zur Genehmigung von Überwachungsanlagen und das grundsätzliche Erfordernis der Überwachbarkeit von Telekommunikation innovationshemmend auswirken. Ein beachtlicher Kritikpunkt ist auch, dass die TKÜV eine technische Lösung anstrebt, der es an der europäischen und internationalen Harmonisierung fehlt, so dass sich die Betroffenen zu kostenintensiven Einzellösungen für Deutschland gezwungen sehen. Des weiteren können sich je nach Gestaltung der Ausnahmeregelungen nach der bisherigen Sachlage als „Private“ anzusehende Unternehmen, die nur Telekommunikation zum (unternehmens-)eignen Gebrauch bereit stellen, in dem Kreis der zur technischen Vorhaltung Verpflichteten wieder finden. Ferner ist bei der TKÜV auch der technische Unterschied zwischen der Übertragung in der klassischen Sprachtelefonie und der paket-vermittelten Übertragungstechnik im Internet und im zukünftigen Mobilfunkbereich nicht hinreichend beachtet worden.

Für den Bürger ergeben sich aus der TKÜV zwar keine direkten Konsequenzen. Die Regelungen, die den Bürger unmittelbar betreffen, sind die Strafprozessordnung, das Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz. Der Bürger sieht sich bereits auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen grundsätzlich einer sehr umfassenden Möglichkeit zur Überwachung von telekommunikationserheblichen Umständen ausgesetzt. Beispielsweise hat der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 21. Februar 2001 (Aktenzeichen 2 BGs 42/2001) festgestellt, dass aufgrund der Paragraphen 100a, 100b StPO Positionsdaten durch die Ermittlungsbehörden auch dann verlangt werden können, wenn aktuell nicht telefoniert wird. Es hat demnach eine ständige Bereitstellung der Positionsdaten zu erfolgen.

Dennoch ist nicht zu verkennen, dass die TKÜV mittelbar erhebliche Konsequenzen für den Bürger haben kann. Durch die TKÜV wird es zu einer Ausweitung der durch die Telekommunikationsdienstleister zu speichernden Daten kommen. Damit könnten von den Ermittlungsbehörden zukünftig mehr und vor allem qualitativ höherwertige Daten als bisher erlangt werden. Je nach Quantität und Qualität und der Erfassung weiterer Daten lassen sich Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellen. Durch die erforderliche Implementierung von Schnittstellen können sich negative Auswirkungen auf die Qualität und vor allem auf die Sicherheit der Telekommunikation ergeben.

Letztlich ist aber infolge der Einführung von technischen Überwachungsmaßnahmen auch mit einer Verteuerung der Dienstleistungen zu rechnen. Im Hinblick auf die Überwachung des Internet ist zwar festzustellen, dass sich eine Überwachung des Internet als solche nicht unmittelbar aus der TKÜV ergibt, weil die Zulässigkeitsvorschriften grundsätzlich von einer Individualüberwachung ausgehen. Jedoch kann nicht verkannt werden, dass wenn auf Kosten Dritter, nämlich der Telekommunikationsdienstleister, die technischen Voraussetzungen zur routinierten Überwachung des Internets geschaffen sind, auch die Begierlichkeiten der Ermittlungsbehörden wachsen könnten.

RA Jens Eckhardt, Sozietät Wessing, Frankfurt/Main

ZDNet.de Redaktion

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