KOMMENTAR – Als Claude Shannon in den 30er-Jahren das allgemeine Kommunikationsmodell entwickelte, gab es die CeBIT noch nicht. Denn das „Welt-Centrum Büro * Information * Telekommunikation“ öffnete erst vor 15 Jahren als Ausgliederung der Hannover-Messe seine Pforten. Auch diese war eine junge Messe, eine Nachkriegsmesse, die aus dem Verlust des Messestandorts Leipzig entstand.
Aber Claude Shannon war ein kluger Kopf. Im Kommunikationsmodell von Shannon und Weaver finden wir nämlich gut beschrieben, was das Problem der CeBIT ist, der ersten großen Computermesse in einem neuen Jahrhundert, das keine Computermessen mehr braucht. Das Kommunikationsmodell geht davon aus, dass eine Nachricht von einer Nachrichtenquelle zu einem Sender gelangt, der sie kodiert und über einen Kanal zu einem Empfänger sendet, der sie dekodiert. Bei der Übertragung, „im Kanal“ gewissermaßen, kann allerhand passieren: Shannon erfand den Begriff der Störungsquellen, die nur dadurch überwunden werden konnten, dass die Nachricht redundant ausgelegt ist. Schließlich postulierte er die Nachrichtensenke, die erfolgreiche Nachrichtenübermittlung, die abseits aller Kodierung und Steuerung davon abhängig ist, dass etwas von der Nachricht des Senders sich beim Empfänger niederschlägt.
Wer braucht die CeBIT noch?
Betrachten wir uns die Nachrichten, die die CeBIT zu ihrer Neuauflage sendet, so treten Probleme auf, sie zu verstehen. Da ist die Rede von einem neuen Schwerpunkt namens Equity-World, mit dem sich die Hannoveraner Fachmesse als „zentraler Marktplatz für kapitalsuchende und kapitalgebene Unternehmen“ präsentieren will. Da ist die Rede von der Verlängerung der eigens für die Profis um einen Tag verkürzten Messe, damit wer davon profitieren kann? Genau, die Besucher aus dem nachen und eiteren niedersächsischen Umland. Gleichzeitig wird das endgültige Aus der CeBIT Home in Leipzig damit begründet, dass Heimelektronik nicht mehr ausstellbar ist. Kurzum, die CeBIT hat das Problem, dass eine Menge Störquellen die Nachricht behindern, wie wichtig diese Messe an der Leine ist. Die Rede ist von 11 Ausstellungsschwerpunkten, in denen sich das pralle Leben der IT wiederspiegeln soll.
Derweil kratzen sich die IT-Fachleute am Kopf und staunen, wie vielfältig ihre Branche doch ist. Laminatmaschinen gefällig? Hätten die Macher der Deutschen Messe AG der CeBIT eine angegliederte Recycling-Messe für Dotcom-Ideen spendiert, wäre die Palette der Wirrungen wohl perfekt.
Visionäre Schau versus Informationsplattform
Das Dilemma der CeBIT steckt darin, dass Händler und Fachleute eine Informationsplattform brauchen, das Publikum aber neben bunten Tüten einen Sack voller Visionen mitnehmen will. Eine Doppel-CeBIT würde dem wohl besser entsprechen, eine CeBIT mit einer Art Expo-Anhang, in der die Firmen in einer Sonderschau ihre Visionen zeigen.
Ein Beispiel dafür ist UMTS, die so genannte dritte Generation des Mobilfunks. Derzeit stecken wir gerade mitten im Umbau von der 1. zur 2. Generation, die von Übertragungstechnicken wie HSCSD und GPRS bestimmt wird. Die Handys für diese Dienste fehlen, die WAP-Inhalte, die auch dazu gehören, sind letztes Jahr schon in Grund und Boden gefeiert worden. Also wird in Sonderschauen, etwa bei Mobilcom und Nokia auf das Schönste die UMTS-Zukunft gezeigt, die dem Publikum suggeriert, dass eine neue Oberschale ausreicht, beim tollen System dabei zu sein. Die Fachleute wenden sich derweil mit Grausen ab.
Die Trends verrät keiner
Viele wandern zu Fachmessen, bei denen weniger Störquellen vorhanden sind. Und kommen dennoch zur CeBIT zurück: Es ist der Blick aufs große Ganze, der den Reiz der großen, unübersichtlichen Messe ausmachen soll. Ja, man kann sich in Hannover informieren bis zum Abwinken – nur mit dem Zusammensetzen der Aspekte hapert es. Das liegt daran, dass Trends nicht unbedingt die Sache der CeBIT sind. Die Messe ist in diesem Punkt so übersichtlich wie die Halle 1, aus der mancher Besucher niemals den Weg nach draußen schaffte (ihre Skelette liegen heute noch in „Trelements“).
Carly Fiorina von Hewlett Packard wird die CeBIT vor Fachleuten und Politikern eröffnen. Wird sie erklären, warum HP Knall auf Fall sein Openmail einstellt, im Unternehmenseinsatz immer noch das viertgrößte Mailprogramm der Welt? Aber nicht doch. Sie wird genau das erzählen, was sie in Dutzenden von anderen Keynotes schon gesagt hat. Wie fokussiert ihre Firma ist und welch großartige Zeit mit der Informationstechnik für uns alle heraufzieht. Es liegt wohl in der Natur der Dinge, dass Computer Störquellen sind.
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