Streit um neue Lizenz-Politik des W3C

Die Überlegung des W3C-Gremiums, seine Vorgehensweise hinsichtlich des Standardisierungsprozesses von Web-Technologien zu ändern, hat im Internet einen Sturm der Empörung hervorgerufen. Bisher verwendet die Organisation entweder Standards, die nicht auf patentierten Technologien beruhen, oder die Inhaber der Patente entschließen sich, kein Geld für deren Nutzung zu verlangen. Dadurch finden die Technologien auch breite Anwendung. Das soll sich jetzt aber ändern.

Der neue Entwurf eines Regelwerks für die W3C-Lizensierungspolitik, das bisher als „vernünftig und nicht-diskriminierend – reasonable and non-discriminatory (RAND)“ beschrieben wurde, zeichnet den zentralen Konflikt des Standardisierungs-Prozesses auf: Die Unternehmen, die Zeit und Geld in die Entwicklung patentierbarer Technologien stecken, wollen diese nur ungern einfach so gratis abgeben.

Der Vorschlag, der von Autoren wie den W3C-Mitglieder Microsoft (Börse Frankfurt: MSF), Apple (Börse Frankfurt: APC) und Philips stammt, löste nicht nur wegen seines Inhalts einen Streit aus: Bereits am 16. August wurde das Papier unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit auf der Web-Site des W3C-Gremiums publiziert. Die Einspruchsfrist endete am 31. September. Aber erst am vergangenen Wochenende wurde über den Vorschlag in Newsgroups und Foren in breiter Form diskutiert und bekannt. Doch da gab es keine Möglichkeit mehr, Einspruch zu erheben. Allerdings erklärte ein Vertreter des W3C-Gremiums, man denke darüber nach, die Einspruchsfrist noch einmal zu verlängern. Im Februar 2002 rechnet man mit einem endgültigen Entwurf der neuen Lizensierungs-Regelung.

Im Speziellen sieht der RAND-Vorschlag vor, dass:

  • W3C-Arbeitsgruppen die Lizenz-Bedingungen für einen bestimmten Standard-Vorschlag gemeinsam mit den technischen Erfordernissen explizit ausweisen,
  • alle W3C-Mitglieder alle ihnen bekannten patentrechtlichen, mit einem Standardisierungs-Vorschlag verbundenen Forderungen auflisten, die wichtig für diesen sein könnten. Diejenigen Mitglieder, deren Beitrag die Basis für die Tätigkeit der Arbeitsgruppe gibt, müsste zusätzlich alle relevanten Patent-Ansprüche und Lizenz-Bestimmen zum Zeitpunkt der Einreichung beschreiben,
  • alle W3C-Mitglieder eine rechtlich bindende Stellungnahme abgeben, Lizenzen für diejenigen Patente auszugeben, die für die Implementierung gemäß der RAND-Bestimmungen geeignet wären. Falls die Unternehmen nicht gewillt sind, bestimmte Technologien gemäß RAND zu lizensieren, müssen sie diese normalerweise 60 Tage nach der Veröffentlichung des letzen Arbeitsentwurfs streichen.

„Wenn der Vorschlag so durchgeht, werden Open Source-Versionen von diesen Standards sowieso ausgeschlossen“, so der Mitautor der Open Source Definition von 1998, Bruce Perens. „Bei uns gibt es keine Lizenzgebühren auf Open Source-Software. Mit diesem RAND-Vorschlag könnte das W3C sich selbst überflüssig machen.“ Der Präsident der Los Angeles-Niederlassung der Internet Society, Mike Todd, sagte, der RAND-Vorschlag würde „eine Situation erschaffen, wo die User an etwas gewöhnt werden, das versteckte Copyrights enthält. Wenn diese dann aktiv eingefordert werden, bricht das Chaos aus.“

Todd schlägt vor, dass bei einer Umsetzung des RAND-Vorschlags alle, die mit Copyrights behaftete W3C-Standards verwenden, auf den urheberrechtlich geschützten Code hingewiesen werden, damit „den Leuten bewusst wird, dass es einen bestimmten Aspekt des Standards gibt, der geschützt ist. Wenn sie ihn nicht benutzen, sind sie aus dem Schneider.“

„Es gibt Stimmen die sagen, das W3C sei ein wenig zu akademisch und liege zu sehr außerhalb des Mainstreams. Ihre Arbeit sei sehr esoterisch“, sagte der Giga Information Group-Analyst Uttam Narsu. Der RAND-Vorschlag könnte eine Reaktion auf die gesteigerte Komplexität der Materie sein, denn: „Das W3C muss den Standardisierungsprozess straffen und etwas verwenden, was de facto-Standard ist“, um es zu seinem eigenen Standard zu machen. Weiter sagte Narsu: „Es ist ziemlich schwierig einen Standard festzulegen, der kein Patent enthält.“ Zudem muss die endgültige Lösung nicht immer die beste Technologie umfassen: „Es kann sein, dass sie sich mit der zweiten oder dritten Wahl zufrieden geben, weil die präferierte Technik mit einem Patent geschützt ist“, erklärte Narsu. Allerdings gebe es normalerweise großen Druck durch die Gemeinschaft, die Bestimmungen nicht so eng auszulegen.

Doch selbst wenn die Branchengrößen sich durchsetzen sollten und Lizenzgebühren für die in Standards verwendeten Technologien verlangen dürften, könnte es noch zu Grabenkämpfen zwischen den einzelnen Patent-Inhabern kommen: „Das wird kein Kampf zwischen gratis (royalty free – RF) und RAND“, erklärte der Präsident von Plum Computer Consulting in einer E-Mail. „Die Argumente werden zwischen jeder Partei ausgetauscht, die glaubt, irgendein Patent zu haben, das Einfluss auf den Standard hat. Jeder wird versuchen, eine möglichst gute Position herauszuschinden, beobachten, welche Gebühren die anderen verlangen und glauben, dass ihm das selbe Recht zustünde. Unterm Strich würde es dann viel zu lange dauern, einen Standard zu entwickeln. Der würde auch keine weite Verbreitung finden, weil er zu teuer würde.“

ZDNet.de Redaktion

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