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Revolution in der Elektronik: Leitende Kunststoffe

Das Forscherteam um Professor Bertram Batlogg von der ETH in Zürich hat in diesem Jahr den mit 100.000 Mark dotierten Braunschweig Preis für seine Arbeit zu leitenden Kunststoffen zugesprochen bekommen. Der höchstdotierte Forschungspreis einer deutschen Stadt wurde heute im Rahmen des 2. Braunschweiger Kongresses ‚Lebenswelten für Morgen‘ überreicht.

„Es geht nicht darum, die herkömmliche Elektronik zu ersetzen“, erklärte Batlogg. Es gehe darum, sie zu ergänzen. Die preiswerte Elektronik mit organischen Materialien wird ganz neue Vertriebswege, Medien und Dienstleistungen erschaffen. Der Phantasie seien hierbei kaum Grenzen gesetzt. Wichtig ist dabei laut Batlogg, dass die Ausgangsmaterialien flexibel für die jeweilige Anwendung „zugeschnitten“ und nach Gebrauch wieder leicht recycled werden können.

Um dorthin zu gelangen, haben Batlogg und sein Team organische Materialien wie Tetracen oder Pentacen mit elektrischen Ladungen „geimpft“ – ähnlich, wie auch anorganische Halbleiter durch Dotierung („Verunreinigung“ mit Fremdatomen) aktiviert werden. Im Resultat führen wandernde und zugepumpte Elektronen sowie entstehende (oder ebenfalls zugeführte) Elektronen-„Löcher“ zur Leitfähigkeit, die je nach Temperatur sogar metallisch ausfallen kann. Und Batlogg und seinen Kollegen gelang es darüber hinaus, den ersten Supraleiter aus Plastik herzustellen.

Aber damit nicht genug: Die Forscher stießen jetzt auf Kunststoffe, die sogar eine Karriere als Hochtemperatursupraleiter machen könnten. Normalerweise stellt sich die Supraleitfähigkeit erst in der Nähe des absoluten Temperatur-Nullpunktes (-273,16 Grad Celsius oder Null Kelvin) ein. Um solche Temperaturen herzustellen, sind erhebliche und teure Aufwendungen nötig. Auch die Realisierung des Quantencomputers, der Elektronik mit einzelnen Elektronen bewerkstelligen soll, wird dereinst an dieser Frage entschieden werden.

Da lässt es aufhorchen, dass die Preisträger des Braunschweig Preises Supraleitung bei „Rekordtemperaturen“ von 110 Kelvin (-163,16 Grad
Celsius) erreichten. Sie schafften dieses in Fullerenen, den an Fußbälle erinnernden Molekülen aus sehr vielen kompakt vernetzten Kohlenstoffatomen. Oberhalb des Siedepunktes von Stickstoff verbilligt sich die Kühlung der Materialien um ein Vielfaches. Und so kann es gut sein, dass die mikroelektronischen Schaltungen der Zukunft diesmal im „organischen Sektor“ des Reiches der Elemente angesiedelt sind.

Battlogs Forschungsergebnisse zeigten, dass auch organische Materialien – zum Beispiel preiswerte Kunststoffe – die Eigenschaften von Halbleitern, Lasern und sogar Supraleitern annehmen können. Diese Entwicklungen könnten demnächst zu preiswerten Monitoren „zum Aufrollen“, intelligenten Etiketten, zu neuartigen Lasern, einfachen und kostengünstigen Solarzellen oder zur Entwicklung des Quantencomputers führen. „Der Preis ist Anerkennung für unsere Arbeit“, sagte Batlogg. „Er wird hoffentlich den Bekanntheitsgrad unserer Forschung international erhöhen“.


Die diesjährigen Träger des Braunschweig Preises, Bertram Batlogg, Christian Kloc und Hendrik Schön (Foto: Bell Labs)

Die diesjährigen Träger des Braunschweig Preises, neben Batlogg sind das Christian Kloc und Hendrik Schön, begannen ihre Untersuchungen über Halbleiter aus Kunststoffen in den USA an den Bell Laboratorien in Murray Hill/New Jersey. Dort wurde 1947 auch der Transistor erfunden. Im Frühjahr 2000 hatte Batlogg und sein Team an den Bell Labs ein Material entwickelt, das sie F15 nannten und das sich bei Raumtemperatur in einer Flüssigkeit auflösen ließ. Mit der Lösung konnten dann Schaltkreise auf Plastikfolie gedruckt werden. Wenn die Flüssigkeit getrocknet ist, bleibt das F15 zurück und ist dann sehr stabil und leitfähig (ZDNet berichtete). Von September 2000 an setzte Batlogg seine Forschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich fort, wobei er weiterhin eng mit seinen Kollegen bei Bell Labs zusammenarbeitet. „Wir kümmern uns um die Grundlagenforschung, diese letztendlich in Produkte einfliessen zu lassen, ist Sache anderer“, so Batlogg.

Dass mit Batloggs Arbeit eine revolutionäre „Kunststoff-Elektronik“ angestoßen wird, steht für die prominent besetzte Jury fest. Ihr gehören unter anderem der Professor und Leiter der Corporate Research Infineon Technologies, Karl Joachim Ebeling, der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Ferdinand Piech, der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Fritz Brickwedde sowie der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft Hans-Jürgen Warnecke an.

Neben Batloggs Team befinden sich noch weitere Forschergruppen auf den Spuren von Bausteinen aus Plastik. Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM mit Sitz in Berlin etwa will auf der Polytronic 2001 in Potsdam (22. – 24. Oktober) seine Forschungsarbeiten dazu vorstellen (ZDNet berichtete).

Das IZM entwickelt und erprobt nach eigenen Angaben seit Jahren Technologien zum Aufbringen und Strukturieren der unterschiedlichen Polymere, um Bauelemente herzustellen und zu verkapseln. Als neuer Schwerpunkt ist nun die Herstellung kompletter Bauelemente auf Polymer-Basis und kostengünstiger Transponder-Systeme mittels Drucktechnik hinzugekommen.

ZDNet.de Redaktion

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