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Microsoft 2001: Das Jahr vor Gericht

Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) hat ein weiteres Jahr vor Gericht hinter sich. Drohte dem Konzern 2000 die Zerschlagung, sieht die Welt 2001 ganz anders aus: Im September erklärte das amerikanische Justizministerium auf eine Aufteilung zu verzichten, auch die Integration des Internet Explorer in das Betriebssystem Windows – ursprünglicher Grund für den Kartellrechtsprozess – war plötzlich kein Problem mehr.

In der Folge zerfranste der Prozess in verschiedene Verfahren: Eines geführt von Privatklägern und deren Anwälten; in diesem Falle läuft es wohl auf eine Sach- oder Geldspende des Konzerns an amerikanische Schulen hinaus.

Ein anderes wird durch neun Bundesstaaten und den District of Columbia am Leben erhalten. Sie wollen den Kompromiss zwischen Justiz und Microsoft nicht mittragen und führen den Prozess in der Hoffnung auf Schadenersatz fort.

Und schließlich muss der ursprüngliche Kartellprozess zu Ende gebracht werden. Hierbei haben beide Parteien noch bis Ende Februar 2002 Zeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Dann erst will Richterin Colleen Kollar-Kotelly ihr endgültiges Urteil sprechen.

Und schließlich droht dem Konzern noch ein Verfahren durch den Wettbewerbskommissar der EU, Mario Monti. Außer Kettenrasseln war aus der europäischen Behörde jedoch noch nichts zu hören.

ZDNet bietet einen Überblick über das Verfahren und ihre Hauptereignisse seit dem Mai 1998 in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge an:

  • Dezember 2001: Mitglieder des Rechtsauschusses des US-Senats haben sich gegen die geplante Einigung im Kartellrechtsprozess zwischen Microsoft und dem US-Justizministerium ausgesprochen. Sie fanden sich in einem Hearing mit dem Titel „Die Microsoft-Einigung: Blick in die Zukunft“ zusammen. Der US-Senat kann beim Urteil über Microsoft prinzipiell ein gewichtiges Wörtchen mitreden. „Die Richterin muss dem Senat folgen, sollte dieser mit zwei Drittel-Mehrheit für einen Vorschlag stimmen“, erläuterte der Kartellrechtsexperte Emmett Stanton von Fenwick & West aus Palo Alto, Kalifornien.
  • November 2001: Eine Reihe von privaten Kartellrechtsklagen gegen Microsoft sollen gegen eine Zahlung von mehr als einer Milliarde Dollar für in die IT-Ausstattung der 14.000 ärmsten Schulen der USA eingestellt werden. Strittig ist aber bis heute, ob die Summe in Software oder in bar ausgezahlt werden soll. Die Entscheidung darüber ist die Aufgabe von Richter Frederick Motz. Der Großteil der privaten Klagen war nach dem 5. November 1999, an dem Richter Thomas Jackson seine „Finding of Facts“ präsentierte, eingegangen.
  • November 2001: Die EU will ihre seit Jahren vorbereitete Kartellrechtsklage aufrechterhalten. Sprecher der Wettbewerbsbehörde erklärten, die jüngst getroffene Einigung zwischen dem Softwarekonzern und der US-Justiz würden die laufenden Ermittlungen nicht beeinflussen.
  • November 2001: Microsoft und das US-Justizministerium legen den nunmehr seit Jahren andauernden Kartellrechtsstreit bei. Das Betriebssystem Windows soll in seiner aktuellen Form bestehen bleiben können, Microsoft muss daraus keinerlei Komponenten entfernen. Abhängige Computerherstelller sollen größere Freiheiten bei der Bestückung ihrer Systeme erhalten.
  • Oktober 2001: Microsofts Antrag auf Berufung wird endgültig abgelehnt. Der Konzern von Bill Gates wollte vor dem Obersten Gericht erreichen, dass das Urteil der ersten Instanz annulliert wird. Darin war Microsoft im vergangenen Jahr von Richter Thomas Jackson für schuldig befunden worden, gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben. Obwohl der Fall im August zurück an die erste Instanz und die Verantwortung der 58-jährigen Richterin Colleen Kollar-Kotelly gegangen war, forderte Microsoft ein Berufungsverfahren.
  • September 2001: In Folge der Ereignisse vom 11. September verhalten sich beide Parteien für Wochen ruhig.
  • Anfang September 2001: Das US-Justizministerium verzichtet auf eine Zerschlagung. Fallen gelassen werden auch alle Vorwürfe bezüglich der Integration des Explorer in Windows. Der damalige Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei und heutige Amtsinhaber George Bush jr. hatte bereits im vergangenen Jahr erklärt, er sei gegen eine Zerschlagung von Microsoft. Bush hatte immer wieder betont, seiner Meinung nach solle die Industrie möglichst unkontrolliert durch staatliche Organe agieren dürfen. Bei einem Regierungswechsel und folglich einer neuen Besetzung im Justizministerium werde sich die Marschroute des Justizministeriums deutlich ändern.

    Entsprechend war einer der ersten Schritte nach dem Machtwechsel in den USA, einen als Microsoft-freundlich geltenden Juristen an die Spitze der Kartellbehörde zu setzen. US-Justizminister John Ashcroft berief im Februar dieses Jahres den Anwalt Charles James. Dieser hatte sich im April 2000 im US-Fernsehsender CNBC gegen die Zerschlagung von Microsoft ausgesprochen.

  • August 2001: Der Fall geht zurück an die erste Instanz. Übernehmen soll ihn die 58-jährige Richterin Colleen Kollar-Kotelly.
  • August 2001: Das Berufungsgericht lehnt Microsofts Vorstoß ab, das Verfahren vor einem US-Bezirksgericht bis zur höchstrichterlichen Entscheidung auszusetzen.
  • August 2001: Gespräche über eine außergerichtliche Einigung verlaufen zum wiederholten Male im Sande. Microsoft ruft den Obersten Gerichtshof an und fordert die Niederschlagung des gesamten Prozesses.
  • Juni 2001: Nach monatelangen Querelen und Scharmützeln wegen des weiteren Prozedere sowie im sogenannten „kleinen Kartellrechtsprozess“ gegen Bristol Technology hebt das Berufungsgericht die Zerschlagung auf. Es bestätigt einerseits, dass Microsoft gegen Kartellgesetze verstoßen hat, hält andererseits den Beschluss zur Aufteilung aber für überzogen. Dem Richter Jackson wirft das Gericht Befangenheit vor, ein anderer Richter soll den Fall erneut verhandeln.
  • Juni 2000: Richter Jackson verkündet das Strafmaß für Microsoft: Aufteilung in zwei Bereiche, einer für Betriebssysteme, einer für Applikationen.
  • Mai 2000: Das US-Justizministerium bittet den zuständigen Richter Thomas Jackson um eine Zweiteilung des Softwarekonzerns. Eine oft geforderte Dreiteilung sei dagegen „zu kompliziert“.
  • April 2000: Auch die US-Branchenvereinigung Computer and Communications Industry Association (CCIA) bezeichnet Microsoft in einem „White Paper“ mit dem Titel „Windows 2000: Blueprint for Dominance“ als Monopolisten und spricht sich ähnlich wie die SIIA für eine Aufsplittung der Firma von Bill Gates aus.

    Der Richter spricht Microsoft wegen des Verstoßes gegen US-Kartellgesetze schuldig. Jackson erklärt, der weltgrößte Software-Konzern habe seine Marktmacht missbraucht, um im Internet-Geschäft Konkurrenten aus dem Geschäft zu verdrängen. Es folgt unter Anwesenheit von Bill Gates eine Krisensitzung im Weißen Haus in Washington.

  • Januar 2000: Bill Gates tritt als Chief Executive Officer des Unternehmens zurück, der bisherige Vize Steve Ballmer wird neuer Geschäftsführer. Gates wird Cheftechnologe und bleibt Chairman.
  • März 2000: Microsoft tritt aus dem Verband amerikanischer Softwarehersteller SIIA (Software and Information Industry Association) aus. Grund: Der Verband hatte sich im Februar gegen die juristische Position des Konzerns ausgesprochen.
  • Dezember 1999: Microsoft bereitet sich auf eine mögliche Teilung des Konzerns vor und fasst seine verschiedenen Windows-Aktivitäten unter einem Dach zusammen.
  • November 1999: Richter Jackson präsentiert sein „Finding of Facts“, eine Art Vorurteil. Darin kommt er zu dem Schluss, dass Microsoft „seine Markposition und immensen Profite nutzen wird, jede Firma zu schädigen, die etwas unternimmt, was den Wettbewerb gegen eines von Microsofts Kernprodukten verstärkt“.

    Anschließend beginnt unter Leitung des Berufungsrichters Richard Posner eine neue Runde von außergerichtlichen Einigungsversuchen.

  • September 1999: Die „New York Times“ deckt auf, dass Microsoft „unabhängige“ Anzeigen von Wissenschaftlern zu seinen Gunsten in US-Zeitungen großzügigst gesponsert hatte.
  • Juni 1999: Der Prozess wird nach mehrmaligen Verzögerungen wegen Terminproblemen fortgesetzt.
  • März bis Mai 1999: Zunächst dementiert, dann bestätigt: Erstmals suchten Microsoft und die US-Regierung nach einem außergerichtlichen Weg der Einigung – allerdings ohne Ergebnis.
  • März 1999: Der Richter rastet aus, nachdem sich bereits mehrere Topmanager von Microsoft in Widersprüche verwickelt hatten und weitere Entlastungszeugen der Falschaussage überführt worden waren. Entnervt schreit er den Microsoft-Topmanager Bob Muglia an, er solle doch endlich still sein.
  • Februar 1999: Microsoft führt zwei selbst gedrehte Videos vor, um die „natürliche“ Verbindung von Windows und Explorer zu demonstrieren. Beide Filme erweisen sich als manipuliert. Jackson ist daraufhin nach eigenem Bekunden „sehr traurig“. „Sprechen Sie mit Ihrem Anwalt“, rät er dem verantwortlichen Manager Jim Allchin noch, bevor er die Sitzung für diesen Tag beendet.
  • Januar 1999: E-Mails belegen, dass Bill Gates persönlich die Manipulation einer Umfrage angeordnet hat, auf die der erste Microsoft-Entlastungszeuge und MIT-Wirtschaftler Richard Schmalensee seine Aussage stützte.
  • Dezember 1998: South Carolina schert aus der Phalanx der klageführenden Bundesstaaten aus. Der Grund: AOL (Börse Frankfurt: AOL) hatte gerade Netscape aufgekauft. Auch Richter Jackson räumt ein, dass dies „eine sehr wesentliche Änderung der Rahmenbedingungen bedeuten könnte“.
  • November 1998: Erstmals werden Sequenzen aus der im Vorfeld des Prozesses aufgezeichneten Aussage von Bill Gates im Gerichtssaal vorgeführt. Die Folge: Brüllendes Gelächter, weil sich der Microsoft-Boss offensichtlich absichtsvoll dumm stellte oder ausweichend antwortete. Legendär ist Gates philosophischer Exkurs über die Bedeutung von „pissing on“.
  • Oktober 1998: Nach monatelangen Diskussionen und mehrfacher Terminverschiebung beginnt der Kartellrechtsprozess um Microsoft. Beobachter gehen daher zunächst davon aus, dass die Verhandlung in acht bis zwölf Wochen abgeschlossen sein wird.
  • Mai 1998: Das US-Justizministerium und die Generalstaatsanwälte von 20 US-Bundesstaaten verklagen Microsoft wegen Verstößen gegen das amerikanische Wettbewerbsrecht. Auslöser ist die Zwangskopplung des Browsers Internet Explorer und des Betriebssystems Windows, die das Unternehmen PC-Herstellern abverlangte. Dem Konzern wird zudem vorgeworfen, die Vormachtstellung des Betriebssystems Windows dazu ausgenutzt zu haben, Konkurrenten aus anderen Bereichen zu verdrängen.

Kontakt:
Microsoft, Tel.: 089/31760 (günstigsten Tarif anzeigen)

ZDNet.de Redaktion

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