Das Internet verbindet die ganze Welt – auch die Globalisierungskritiker. Wenn Ende Januar rund 50.000 Aktivisten aus aller Welt auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre in Brasilien weltwirtschaftliche Alternativen diskutieren, dann spielt das World Wide Web eine entscheidene Rolle. Auf dem Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum in New York, das zeitgleich beginnt, diskutieren indische Bauernfunktionäre und brasilianische Kaffeepflückerinnen. Auch Gewerkschafter, Kirchenvertreter und halbstaatliche Organisationen werden erwartet.
Gemeinsame Positionen in rund 700 Workshops zu erarbeiten, wird nicht einfach sein. „Das Rückgrat unserer Kommunikation ist das Internet“, sagt Peter Wahl, Mitbegründer der deutschen Sektion des Anti-Globalisierungsnetzwerkes Attac. Es sei schnell, kostengünstig und demokratisch. Mit dem Computer tauschen sich mittlerweile über 50.000 Attac-Mitglieder weltweit aus. Dabei haben sich informelle und formelle Netzwerke herausgebildet – die Internet-Nutzer kommunizieren mit Hilfe von themenspezifischen Mailing-Listen, zum Beispiel über die mögliche Reform der internationalen Finanzmärkte.
Ähnlich funktioniert Indymedia, eine weltweite Gruppe, die eine von Medienkonzernen unabhängige Berichterstattung unter anderem zur Globalisierung im Internet anbietet. Auf deren Web-Seiten kann jeder User in einem „open publishing channel“ Artikel veröffentlichen. So genannte Moderationsgruppen fassen die Themen dann noch einmal kompakter in Foren zusammen. Indymedia wurde während der Proteste gegen die WTO-Tagung in Seattle 1999 gegründet und hat mittlerweile rund 60 Ableger auf der ganzen Welt.
Bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Genua im vergangenen Sommer war indymedia.org wichtigste Informationsquelle für die Demonstranten. Doch obwohl das Internet so wichtig geworden ist – Attac und andere Gruppen wollen das Medium nicht überschätzen. „Es herrscht eine digitale Kluft“, sagte Wahl.
So ist die Internet-Nutzung in den Industrieländern für viele mittlerweile genauso wichtig wie das Telefon. Laut einer Studie kommen in Europa durchschnittlich 30 bis 40 Internet-Zugänge auf 1000 Einwohner, in Entwicklungsländern sind es aber durchschnittlich nur 0,2. Wahl geht davon aus, dass die meisten Organisationen auch in den ärmeren Ländern wenigstens einen Internet-Zugang haben, gesponsert durch Entwicklungshilfe. Doch dieser Zugang werde meist nur von den Funktionären genutzt. Kommunikationswissenschaftlerin Marianne Ravenstein von der Universität Münster ist überzeugt, dass es ohne Multiplikatoren nicht geht. Diese würden vor allem in den ärmeren Ländern die Informationen an die einfachen Mitglieder, an die Basis weiter geben und umgekehrt.
Per Internet tauschten sich nur jene aus, die ohnehin schon aktiv seien und Infrastruktur und „Know-How“ beherrschten. Politische Teilnahme sei dadurch besser möglich, doch das Netz könne das nicht ausschließlich leisten. Kommunikation per Telefon oder besser noch von Angesicht zu Angesicht sei immer noch das Wichtigste. „Strategiegespräche können nur schwer übers Netz diskutiert werden“, gab Ravenstein zu bedenken.
Ähnliches von dem Attac-Aktivisten Wahl. Er habe die besten Kontakte immer noch am Rande von Gipfeln auf Gegendemonstrationen geknüpft, resümierte er. Ein Grund für Attac, vom 31. Januar bis zum 5. Februar nach Porto Alegre zu fahren. Attac nutzt das Forum nämlich gleichzeitig für seine Jahrestagung, zu der rund hundert Aktivisten erwartet werden.
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