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Kann Real Networks einen Treffer landen?

Seattle – Der Zufluchtsort „Bowling-Bahn“ passt zum stark geforderten Chief Executive, der sich immer häufiger Grabenschlachten mit dem Microsoft-Imperium praktisch vor seiner Tür liefern muss. Obwohl Real Networks (Börse Frankfurt: RNW) bereits Jahre vor allen anderen Web-Audio und -Videotechniken bekannt gemacht hat, ist sich Glaser bewusst, dass der Zeitvorteil nicht viel wert ist, sobald Microsofts Maschinerie angeworfen wird.

„Microsoft ist wohl nicht immer die Firma mit der besten ‚ersten Version'“, sagte der 40-jährige CEO kürzlich in einem Interview mit CNET News.com, „aber sie sind überaus hartnäckig, zielstrebig und mit Disziplin bei der Sache.“

Diese Hartnäckigkeit bringt Glaser in eine Situation, in der er sich anpassen oder aufgeben muss. Will er nicht wie andere Herausforderer zermalmt werden, muss er stets einen Schritt vor Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) bleiben. Daher versucht er dem direkten Wettbewerb mit Microsoft aus dem Weg zu gehen und ein Hybridunternehmen aufzubauen, dass sowohl Medien als auch Software bietet.

Doch auch diese Strategie birgt ein Risiko: Wenn Real Networks durch die fortlaufende Entwicklung außerhalb Microsofts Reichweite bleibt, könnte der Vorsprung eines Tages zu groß und das Unternehmen versäumen, die eigenen Produkte und Dienste im Markt zu etablieren – vielleicht gerade dann, wenn die große Mehrzahl der Verbraucher Internet-Multimediatechniken annimmt.

„Real geht in zwei Richtungen gleichzeitig“ urteilt Will Poole, Vizepräsident von Microsofts Windows Digital Media Division. „Wir können gerade beobachten, wie schwer Real daran arbeiten muss, mit den Kundenwünschen Schritt zu halten.“

Wenn dieses Urteil auch vom größten Gegenspieler kommt, stimmen andere doch zu, dass Real in der grundlegenden Multimedia-Technologie an Boden verliert, während das Unternehmen sich bemüht, zum Online-Gegenstück eines Kabel-TV-Netzwerks zu werden. Allerdings mag die Gefahr für Real noch größer sein, hielte man an, um gegen den Software-Riesen anzutreten. Diesen fatalen Fehler konnte Glaser während der 10 Jahre, die er nach seinem Studium in Yale 1983 für Microsoft arbeitete, bei allzu vielen Firmen beobachten.

Der ehrgeizige junge Manager hat sich bis zum Vizepräsidenten der Multimedia Systems Group emporgearbeitet, bevor er seinen Mentor Bill Gates verließ, um die ursprünglich Progressive Networks genannte Firma zu gründen. Auf manche Art ist er seitdem vor Microsoft davon gelaufen.

Unzweifelhaft sind Glaser und sein Unternehmen echte Pioniere des Hightech, die Umsicht und gekonnte Umsetzung bewiesen, während Sie Real Networks im Internet zu einer Institution machten. Wenn man jedoch einen prägenden Charakterzug sucht, der Glaser persönlich und auch auf professioneller Ebene antreibt, ist es die Beinahe-Besessenheit mit Microsoft.

Blickt Glaser an einem klaren Tag aus seinem Bürofenster, kann er die schneebedeckten Berge in der Ferne betrachten, während geschäftige Fähren Pendler über den Puget-Sund und zurück befördern. In den seltenen Ruhepausen macht er sich manchmal Gedanken über die lange Reise von seinen Ursprüngen in Yonkers, New York.

Er beschreibt sich selbst als „progressiven“ politischen Aktivisten am College, scheint daher weniger für den Wirtschaftsdschungel geeignet: Als Glaser darüber nachdachte, seine Karriere bei Microsoft fortzusetzen, hätte er sich auch für einen Weg entscheiden können, der nicht in die Wirtschaft führte. Aber er wuchs in der Dekade in der Firmenzentrale in Redmond, Washington heran und lernte das Software-Geschäft an der Seite von Bill Gates und dem jetzigen Microsoft-CEO Steve Ballmer.

Sich von dem Unternehmen zu trennen, war wie ein Abschied für Glaser, der gerade 30 geworden war. „Der Kurs, dem ich folgen wollte, wich um 60 oder 90 Grad von dem Kurs ab, wenn Bill oder Steve gesetzt hatten“, erinnert sich Glaser.

In seinem Streben nach Unabhängigkeit war sich Glaser allerdings klar bewusst, dass seine wirtschaftliche Alma Mater häufig dazu neigte, die eigenen Jungen zu fressen, wenn sie das Nest verließen. Daher suchte er von Anfang an nach einem festen Stand im Mediengeschäft, um die direkte Konfrontation mit Microsoft zu vermeiden.

Das war eine weise Entscheidung. In den wenigen Jahren, in denen sich Microsoft auf Webstreaming konzentriert hat, wurde mächtig viel Werbung gemacht um Kunden und Unternehmen davon zu überzeugen, Windows Media-Software zu nutzen, die mit dem Windows-Betriebssystem ausgeliefert wird. Also rannte Glaser weiter und wandelte Real Networks in ein Netzwerk zur Bereitstellung von Unterhaltung und der dafür benötigten Software um.

„Die meisten Unternehmen, die sich nur auf eine Art der Gewinnerzielung konzentriert haben, müssen feststellen, dass die gegenwärtige Situation große Herausforderungen bereithält.“, sagt er. „Wir werden Erfolg haben, egal ob wir nun Geld mit dem Verkauf von Schürfgeräten an die Goldgräber oder von Barren an die Abnehmer verdienen.“

Wunschträume? Vielleicht, aber es ist offensichtlich, dass das von Glaser mit auf den Weg gebrachte Internet-Multimediageschäft dabei ist, sich zu ändern. Jahrelang waren Audio und Video im Netz von technisch geringer Qualität und kostenlos, aber die großen Medienunternehmen wie AOL Time Warner, Bertelsmann und Vivendi Universal beginnen nun, für die Bereitstellung von Audio- und Video-Inhalten zur Kasse zu bitten. Gemessen an diesen Unternehmen ist Real Networks ein kleines Licht.

Glaser glaubt, dass er sich zwischen den Medien- und Software-Giganten hindurch mogeln kann und sich auf beiden Seiten genug Marktanteile zum Überleben sichern kann. Gleichzeitig hofft er, dass die unterschwellige Angst vor Microsoft große Medien-Unternehmen dazu bringt, sich mit Real Networks zu verbünden.

Seine Ausrichtung passt zum Wunsch vieler Medienunternehmen, nach Napster sicheren Zugang zu qualitative hochwertiger, digitaler Musik, zu Filmen und anderen Unterhaltungsformen online zu verkaufen. Ein Weg wird benötigt, auf dem Online-Inhalte sicher zu den Kunden gelangen, ohne das diese abgefangen und illegal verbreitet werden. Das Timing war einfach perfekt für Real Networks, die genau diese und ein paar weitere Funktionen – gegen harte Währung – anbieten.

„Was gefehlt hat war ein Wegbereiter, eine Art treibende Kraft durch die die Plattenfirmen erkennen konnten, dass die Technologie für sie unabdingbar ist.“, sagt Glaser.

In der Praxis gibt es allerdings zwei große Unbekannte: Die Verbraucher müssen erst noch zeigen, ob sie willens sind, für Online-Inhalte zu zahlen und Real Networks Software muss sich im Angesicht von Microsofts Allgegenwart behaupten.

Auch wenn mehr als 25 Millionen Menschen laut Jupiter Media Matrix Real Networks Software daheim einsetzen, ist der einstige Vorsprung dahingeschwunden. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Real Networks und Microsoft in etwa gleich stehen, was den Einsatz ihrer Programme betrifft.

Das Unternehmen steht finanziell relativ gut da und hat für eine gewisse Zeit vorgesorgt, da in jedem der zurückliegenden Quartale kleine Gewinne eingefahren wurden. Im letzten September verfügte Real Networks über mehr als 348 Millionen Dollar in Barmitteln – genug, um sich beim derzeitigen Ausgabenstand für die nächsten Jahre keine Gedanken machen zu müssen.

Drängender ist da schon die Frage, ob Real Networks Partner finden und Seilschaften mit großen Medienunternehmen bilden kann. Der Schlüssel zum Erfolg ist Glasers Fähigkeit, neben der Rolle des Visionärs auch die des Diplomaten zu spielen. Dies hat sich in der Vergangenheit als schwierig erwiesen.

Glasers Faszination mit Medien geht so tief, wie sein Interesse an Technologie; bereits als Teenager versuchte er sich an neuen Netzwerken, indem er einen Radiosender über die Leitungen seiner High School betrieb. Der bekennende Fan der Seattle Mariners zählt auch Sport und Musik zu seinen Leidenschaften, zwei der durchgängigsten Programme in der Real Networks-Software.

Ein Politiker ist Glaser jedoch ganz gewiss nicht: Er ist durch und durch ein Alphatyp, seine stämmige Erscheinung spiegelt kaum die heftige und vom Konkurrenzdenken geprägte Intensität wieder, die sich vom Vorstandszimmer bis in die Profi-Bowling-Liga, die ihm teilweise gehört, erstreckt. Es ist bekannt, dass sich diese Intensität auch in seinem Führungsstil zeigt, den Manager, die aus der Firma ausgeschieden sind, als wenig Raum für Debatten und Meinungsverschiedenheiten lassend bezeichnen.

„Seine größte Stärke ist sein Intellekt, nicht seine praktischen oder Management-Fähigkeiten“, berichtet ein früherer Manager, der unbekannt bleiben möchte. „Das war der Hauptgrund, für die hohe Fluktuationsrate im gehobenen Management.“ Glaser ist auch außerhalb des Unternehmens auf Schwierigkeiten gestoßen. Als CEO von Musicnet hat er letzten Sommer einen Deal mit Napster geschmiedet, von dem die Köpfe der führenden Plattenlabel kaum etwas wussten. Unter vier Augen beschweren sich die Plattenbosse bitter über diesen Deal und behaupten, Glaser habe das Verhältnis mit AOL und anderen Labeln getrübt.

„Rob ist ein Elefant im Porzellanladen“, sagt ein hohes Tier in einem mit MusicNet verbundenen Label. „Er hat gegen unseren Vertrag verstoßen…Er hat’s wirklich vergeigt.“ Neben seiner Aggressivität ist Glaser allerdings auch ein Überredungskünstler. Selbst als Microsoft die eigenen Multimedia-Ambitionen vorantrieb, verhalf Glasers rastloses Lobbying im letzten Jahr einer Partnerschaft mit MusicNet auf die Beine, durch die AOL Time Warner (Börse Frankfurt: AOL) , Bertelsmann und EMI hochwertige Songs gegen monatliche Gebühren bereitstellen. Auch die anderen großen Label haben einen ähnlichen Plan, verwenden jedoch Microsoft-Technologie.

Derzeit setzt Glaser auf RealOne, eine Software und Dienstleistung seines Unternehmens, die Abonnenten Zugriff auf Baseball-Spiele der Ersten Liga, TV-Nachrichten und MusicNet-Entertainment bietet. Andere Firmen haben versucht, solche Multimedia-Portale aufzubauen, aber der Vorgänger von RealOne kann mehr als 400.000 Abonnenten aufweisen, die monatlich 9,95 Dollar zahlen. Damit sind alle bisherigen Abonnement-Dienste überflügelt.

Neben solchen Abschlüssen ist Glaser auch kein Anfänger im Bereich der Geschäftspolitik, einschließlich des Ausspielens der Major Player gegeneinander, wenn er darin einen Vorteil für sich sieht. Die Rivalität mit Microsoft hat beispielsweise aus AOL einen von Real Networks stärksten Partnern in der Online-Media-Landschaft, die kompliziert ist wie eine Karte aus dem ersten Weltkrieg, gemacht. AOL und Real Networks „arbeiten auf mehreren Ebenen zusammen“, informiert Larry Gerbrandt, ein erfahrener Analyst im Medien-Forschungsunternehmen Paul Kagen Associates. „Ich glaube nicht, dass AOL in naher Zukunft Frieden mit Microsoft schließen wird.“

Glaser selbst spielt zwar die Wichtigkeit der Partnerschaft mit AOL herunter, glaubt aber, dass die anderen Marktführer Angst davor haben, Microsoft zu viel Macht zu überlassen. Er ist der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit Real Networks sicherer ist und auf lange Sicht die Interessen dieser Firmen besser berücksichtigt. „Sie alle sind sich darin einig, dass nicht ein Unternehmen der Topf sein soll, in den alle Gewinne fließen“, sagt Glaser in einer kaum verhüllten Andeutung an Microsoft.

Aber Loyalität ist in der Geschäftswelt ein dünnes Brett und Real Networks muss noch beweisen, dass es ein unabkömmlicher Partner für die Zukunft der Online-Medien oder ein bequemer Mitstreiter auf Zeit in einer größeren Schlacht ist. Auf lange Sicht könnte sich diese Herausforderung für Glaser als 7-10-Split erweisen. Ob er den im Bowling werfen kann? Wer weiß…

ZDNet.de Redaktion

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