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Ellison kehrt zu den Anfängen zurück

Redwood Shores, Kalifornien – Mittlerweile ist das Unternehmen (Börse Frankfurt: ORC) der größte Datenbankanbieter mit einem Marktwert von annähernd 80 Milliarden Dollar. Der Mitgründer und Chief Executive weiß jedoch, dass die Firma seiner persönlichen Aufmerksamkeit bedarf, während es den Weg aus dem massiven Abwärtsdrang der Branche sucht.

„Im Moment verkaufe ich mehr, als je zuvor. Ich denke, dass ich wohl 20 Prozent meiner Zeit im Vertrieb zubringe.“, sagte Ellison. Das ist ein bedeutendes Opfer von Zeit, die gewöhnlich mit langfristigen Gesamtplanungen verbracht würde.

Es ist auf vielerlei Art kennzeichnend, dass Ellison heute mehr Basisarbeit bei Oracle verrichtet: Das Unternehmen befindet sich mitten in einer Umwandlung, die er mit der Neuausrichtung der Führungsriege ausgelöst hat; die Kernelemente des Geschäfts werden neu definiert. Die Evolution hat Ellison erstmals wieder seit Jahren in die direkte Verantwortung für viele Aspekte des Unternehmens genommen.

Einige Analysten sind zwar über den Weggang von Schlüsselpersonen besorgt, allen voran der langjährige President Ray Lane, andere argumentieren, dass Oracle die Art inspirierter Führung benötigt, die nur ein dynamischer Kandidat wie Ellison bieten kann. Auch wenn er ursprünglich von der Technikseite und nicht aus dem Vertrieb stammt, glauben Branchenkenner doch, dass er der perfekte Frontman für Oracle ist, egal, ob er die strategischer Ausrichtung des Unternehmens an der Wall Street oder eine neue Anwendung an einen Datenbankkunden verkauft.

„Wenn Sie sich im selben Raum mit ihm befinden, fühlen Sie, dass der Mann weiß, worüber er spricht – und die Kunden wollen von jemandem kaufen, der weiß, worüber er spricht.“, sagt James Governor, Analyst bei Illuminata.

Trotzdem ist die Abneigung der Chief Information Officers, in unsicheren wirtschaftlichen Lagen große Anschaffungen zu tätigen, auch für den brillantesten Verkäufer ein großes Unterfangen. Die Herausforderungen für Oracle sind noch schwieriger, da aus allen Richtungen Wettbewerber angreifen.

Zwar schlägt sich Oracles Datenbank wacker gegen IBM (Börse Frankfurt: IBM) und Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) , aber die 11i-Software hat Probleme mit den Angeboten von SAP (Börse Frankfurt: SAP), Siebel Systems und Peoplesoft. Das Unternehmen tritt auch gegen BEA Systems und IBM im lukrativen Markt für Application-Server-Software an, eine Technologie, die E-Business und Website-Transaktionen zugrunde liegt.

Außerdem befindet sich Oracle in der unangenehmen Position, im Wettstreit mit einigen seiner engsten Partner zu stehen. So benutzen die meisten SAP-Kunden beispielsweise Oracles Datenbank. Mit Oracles Einstieg in den Geschäftsapplikationsmarkt hat SAP jedoch engere Bande mit IBM geknüpft und die eigene Software mit IBM-Datenbank verkauft.

Im letzten Quartal, das am 30. November geendet hat, brachte Oracle es auf Netto 549,5 Millionen Dollar oder zehn US-Cent pro Aktie, verglichen mit 622,8 Millionen Dollar oder elf Cent pro Aktie im Jahr davor. In schweren wirtschaftlichen Zeiten nicht schlecht, aber kaum ausreichend für einen Überflieger, um Investoren wieder anzuspornen.

Wenn es jedoch einen Mann gibt, der nach Herausforderungen – insbesondere solchen, die ihn in den Vordergrund stellen – giert, ist es Larry Ellison. Seine Mixtur aus sturköpfigem Geschäftssinn, technologischer Vision und unerträglicher Angeberei haben den College-Abbrecher zum Superstar in der Businessarena und viertreichsten Menschen in den Vereinigten Staaten gemacht.

Während seiner gesamten Karriere, war er in einer Sache fest: sein persönliches Verlangen nach Öffentlichkeit hat Oracle übergroße Aufmerksamkeit eingebracht. Ob er eine nationale Debatte über Privatsphäre oder Rennboote auslöst, Ellison gelingt es immer, Oracles Namen weltweit in die Schlagzeilen zu bringen.

„Er ist ein Verführer, ein großartiger Redner“, sagt Melissa Eisenstat, Analyst bei CIBC, die glaubt, dass Oracles Glück sich bei besserer Wirtschaftslage und dank Ausgaben auf Seiten der Unternehmen wieder erholen wird.

In der Konstellation der Technikführer steht Ellison deutlich als einer der wenigen Manager hervor, die wie Bill Gates, eine Agenda für die breite Computerbranche überzeugend aufstellen können. Ellison ist – ebenfalls wie sein Gegenspieler bei Microsoft – ein erstaunlich erfolgreicher Entrepreneur, der ein Unternehmen von Grund auf in einen Multimilliarden-Dollar-Konzern verwandeln kann. 2000 besaß Oracle mit 34 Prozent den größten Anteil des 8,8 Milliarden Dollar Marktes für relationale Datenbanken, vor IBM mit 30 Prozent und Microsofts 15 Prozent (Quelle: Gartner).

Da Oracles jährliches Wachstum im Datenbankbereich bei nur 10 bis 15 Prozent liegt, muss Ellison das Unternehmen jedoch von seinen Ursprüngen als traditionelles Software-Haus wegführen. Unter seiner Aufsicht hat die Firma Software entwickelt, die Funktionen des Kundenunternehmens ins Internet verlagert. Oracle plant, die Hälfte der Gewinne mit dem Vertrieb von Anwendungssoftware einzufahren, einem Markt, der größer ist und schneller wächst, als das Kerngeschäft mit Datenbanken.

Ganz ungetrübt ist das jedoch nicht. Ellison war zu optimistisch die Beliebtheit von Internet-Spielzeugen betreffend und seine Voraussagen in punkto Netzwerkcomputer berücksichtigten das Auftreten von PCs für unter 1000 Mark nicht.

Erst kürzlich musste Oracle die eigenen Datenbankanwendungen neu kalkulieren , nachdem die Kunden durch eine neue Abrechnungsmethode auf Basis der Prozessorleistung verärgert wurden. Das Unternehmen musste auch Bugs im fehlergeplagten E-Business-Paket 11i ausbügeln und wurde für seine aggressive Verkaufstaktik gerügt.

Ellison verleugnet übrigens Berichte, nach denen es in Folge der ersten 11i-Version negative Nachspiele gegeben habe. Jedes Software-Unternehmen habe bei neuen Produkten mit Problemen zu kämpfen, behauptet er, und bei ihm sei das nicht anders gewesen.

„Die Bugs sind Schnee von gestern“, sagt er. „Unsere Kunden sind sich klar darüber, dass das Produkt einsatzbereit ist. Es ist ein Riesenrelease, und wir haben ein Jahr gebraucht, bis es stabil war.“

Gleichzeitig beklagt sich Ellison darüber, dass Kritiker übersehen, dass Oracle in jedem der letzten drei Quartale zwischen 500 und 800 Millionen Dollar erwirtschaftet hat, hauptsächlich durch Kosteneinsparungen und Verlagerung von Geschäftstätigkeiten ins Internet. Neue Versionen aller Oracle-Produkte stehen kurz vor Einführung und Ellison glaubt, dass die Zukunft viel besser aussieht, als der normale Menschenverstand meinen würde.

Er setzt auch viel auf die Akzeptanz von Oracle.com, dem drei Jahre alten Application-Service-Provider des Unternehmens, der Business-Software an Unternehmen vermietet und deren Daten in Oracle-Datenbanken ablegt. Ellison rechnet damit, dass Oracle.com im Jahr 2005 etwa die Hälfte der Firmengewinne im Datenbank- und Anwendungsbereich einfährt.

„Wir werden der ASP sein, der übrigbleibt“, sagt er. „Das dürfte unser am schnellsten wachsender Geschäftszweig sein. Es könnte auch unser größter werden.“

Mit dieser Art Angeberei hat er bereits in der Vergangenheit die Aufmerksamkeit der Wall Street errungen und in einigen der frühen Entrepreneurs des Silicon Valley ein Cowboy-Image seiner selbst beschworen. Im persönlichen Gespräch wird allerdings gemunkelt, der CEO habe eine dunkle Seite, die zuviel von den Leuten verlangt und sie manchmal sogar vertreibt.

Vier Senior-Manager haben das Unternehmen in den letzten 18 Monaten verlassen, unter anderem ein Topverkäufer im Dezember, zu einem Zeitpunkt also, zu dem Oracle Beständigkeit für eine konzertierte Vertriebskampagne benötigte.

„Es hilft dem Geschäft nicht, Senior-Manager zu verlieren und zum Teil wegen eben dieser Management-Probleme war das Geschäft unterdurchschnittlich“, urteilt der Wertpapieranalyst Bob Austrian der Banc of America.

Ellison, der sein Management-Team mit Oracle-Mitarbeitern aufgestockt hat, weist Gerüchte von sich, dass die Firma durch den Köpfeschwund leidet. Oracle hat ein festes Management-Team, sagt er, und Fluktuation sei Teil des natürlichen Zyklus in jedem Unternehmen.

„Fast jede große Softwarefirma – mit Ausnahme von SAP – wird von einem Oracle-Veteran geleitet. Und da sagen ein paar Leute, das sei etwas schlechtes?“, fragt er und gibt die Antwort gleich selbst: „Das zeigt einfach, wie unglaublich gut Oracle ist. Ich bin sicher, dass noch mehr gehen und anderswo CEO werden. Da ist nichts falsches dran.“

Einige, zum Beispiel Siebel Systems Chief Executive Tom Siebel, sind sogar als Wettstreiter gegen Oracle angetreten. Andere Alumni sind Gary Bloom, CEO von Veritas Software und Beatriz Infante, Chief Executive des Softwareherstellers Aspect Communications.

„Oracle ist eine Superschule, denn Larry ist brillant und eine knallharte und schonungslose Persönlichkeit“, sagt Infante und erinnert sich daran, mehr als nur ein paar Mal das Ziel von Ellisons Verbalattacken gewesen zu sein. „Und genau darum lernen Sie in dieser Firma, ihre Überlebenskünste zu entwickeln.“

Jetzt lässt Ellison diese Fähigkeiten auf die Öffentlichkeit los – als Willy Loman (aus „Tod eines Handlungsreisenden“) im Armani-Anzug.

ZDNet.de Redaktion

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