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Herrscher mit fester Hand über Applied Materials

Santa Clara, Kalifornien – In einer Branche, die für ihre Überpersönlichkeiten berühmt ist, ist Morgan praktisch ein Mauerblümchen. Selbst in seinem eigenen Haushalt spielt er für manche die untergeordnete Rolle, denn seine Frau Rebecca Morgan ist seit neun Jahren Senatorin im Staat Kalifornien.

Doch kein CEO eines führenden Technologieunternehmens steht länger am Ruder als Morgan, der seit 1977 an der Spitze von Applied Materials steht. Auf seinem Weg hat er einen Nischenmarktzulieferer in ein Halbleiterimperium mit mehr als sieben Milliarden Dollar Jahresumsatz verwandelt. Und anders als seine Gegenstücke in den meisten Computer- und Software-Unternehmen sorgt Morgan sich kaum um Wettbewerb. „Die größte Bedrohung für Applied ist Applied selbst“, urteilt Risto Puhakka, Analyst bei VLSI Research.

Diesen Spruch hört man häufig in Analystenkreisen, die behaupten, Morgans größte Herausforderung sei es, das Unternehmen durch eine Periode geringer Nachfrage zu führen, während seine Kunden auf den wirtschaftlichen Aufschwung warten. Applied Materials ist eines der wenigen Unternehmen mit Produkten für nahezu jeden Schritt der Halbleiterherstellung, so zur Verarbeitung von Siliziumscheiben, zum Ätzen der Schaltkreise und zur Qualitätskontrolle des fertigen Chips.

Trotz dieser Vorherrschaft ist nicht klar, ob das Unternehmen schneller wachsen kann als der Rest der gebeutelten Branche. Das Unternehmensglück hängt von den Bestellungen der Chiphersteller ab, die ihre Maschinen bei Applied Materials kaufen. Und durch die sinkende Nachfrage im PC- und Kommunikationszubehörmarkt kann es noch einige Quartale dauern, bevor die Intels und AMDs dieser Welt wieder genug Mut gefasst haben, um bestehende Werke auszuweiten oder neue aufzubauen.

In der Zwischenzeit hat Applied Materials die Auswirkungen der Rezession von 2001 zu spüren bekommen: Das Unternehmen musste vor Kurzem 3700 Stellen streichen und der Kurs viel vom 52-Wochen-Hoch bei 59,10 Dollar auf den Wert von nur 26,59 Dollar. Allerdings hatten die Aktien den Großteil des Verlustes Ende 2001 im Lichte einer erwarteten gesamtwirtschaftlichen Erholung wieder gutgemacht.

Trotz der Rückschläge sagt Morgan, dass der Technik-Zusammenbruch neuerer Zeit ihn nicht zu Strategieänderungen im neuen Jahr gezwungen habe. Sein Plan für 2001, der große Investitionen in Forschung und Entwicklung vorsieht, scheint aufzugehen. „Als Führer in einem sich so schnell ändernden Markt wie dem unseren, werden die Leute unruhig, wenn Sie es an Stabilität missen lassen“, sagt er.

Diese Art Stoizismus steht dem 63-jährigen Industrieveteran gut an, der mehrere Auf- und Abschwünge mitgemacht hat, seit er in den 1950ern erste Erfahrungen im Wirtschaftsleben machte. Damals übernahm er die Verantwortung für die 35 Arbeiter in der Gemüsekonservenfabrik der Familie in Indiana. Morgan erhielt noch mehr Sinn für Disziplin im Trainingkorps für Reserveoffiziere während seiner College-Zeit an der Cornell-Universität; in den 1960ern war er als Management-Berater für das Army Materiel Command tätig.

Seinen ersten Führungsjob im Zivilleben übernahm er bei Textron. Diese Firma hatte eine Abteilung mit 1600 Angestellten, die so ineffektiv arbeiteten, dass sie 15 Millionen Dollar an einem großen Regierungsauftrag verlor. Morgan krempelte die Abteilung in vier Jahren um. Diese Erfahrung konnte er bei seinem Amtsantritt bei Applied Materials gut gebrauchen, denn das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 29 Millionen Dollar schrieb so hohe Verluste, dass er sich gezwungen sah, fünf der sechs Geschäftsbereiche einzustellen. Der Ertrag fiel auf 14 Millionen Dollar, nachdem Morgan alles aus dem Unternehmen entfernte, das nicht direkt mit Maschinen für die Chipherstellung zu tun hatte.

Seit damals hat Morgan viel mehr Zeit mit dem Ausgaben von Geld für Unternehmenserweiterungen als mit Einsparungen verbracht. Das Unternehmenswachstum hat den Gesamtmarkt für Chip-Maschinerie hinter sich gelassen und so trotz der Talfahrt im Chipmarkt und der Finanzkrise in Asien, dem größten Markt der Firma, die Erträge vor dem Sinken bewahrt. Applied Materials wuchs 1999 um 17,7 Prozent und erreichte im Geschäftsjahr 2000 ein – selbst in Anbetracht der Technologie-Blase – unvorstellbar gewaltiges Umsatzwachstum von 87,7 Prozent.

Die Frage ist jedoch, ob Morgans „langsam voran“ Taktik für Applied Materials den richtigen Kurs durch eine der turbulentesten Zeiten in der Firmengeschichte weist. Selbst in der derzeitigen Rezession hat der CEO auf Kürzungen am Langzeitplan verzichtet und ein F&E-Budget von bis zu 21 Prozent des Vorquartalsumsatzes gewährt.

Als Prozentsatz vom Ergebnis ist das Budget für Forschung und Entwicklung in schlechten Zeiten sogar gestiegen. So wurden bei nachlassenden Chipmärkten 1997 und 1998 für F&E 14 beziehungsweise 16 Prozent des Umsatzes genutzt, während in den beiden stärksten Wachstumsjahren des Unternehmens, 1996 und 2000, nur zwölf Prozent dafür ausgegeben wurden.

Diese Ausgaben haben sich im letzten Jahr bezahlt gemacht und der Firma ermöglicht, die drei wichtigsten Änderungen in der Chipherstellung zu unterstützen: Die Dichte sank von 250 Nanometer auf 130 Nanometer; für Kabel wird statt Aluminium nun Kupfer verwendet; und die Siliziumscheiben, aus denen die Chips geschnitten werden, wurden von 200 auf 300 Millimeter vergrößert.

Die ersten beiden Entwicklungen machen Chips günstiger und leistungsfähiger. Die dritte verbessert die Ertragsmarge in der Chipherstellung. In jedem Fall stand Applied Materials Gewehr bei Fuß mit den Maschinen, bevor die meisten Chiphersteller zur Massenproduktion gewillt waren, weil Forschung und Entwicklung während der Talsohlen Finanzen zur Verfügung standen.

„Sie haben eine breite Produktpalette und die Fähigkeit, die neuesten Produkte zu liefern – das kann kein anderes Unternehmen bieten“, sagt Larry Tolson, Logic Operations Manager für Texas Instruments, den größten Chiphersteller für Mobiltelefone.

Zwar ist noch ungewiss, ob künftige Entwicklungsgelder denselben Erfolg aufweisen, aber Morgan hat gezeigt, dass er keine Angst davor hat, Risiken mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einzugehen. Beim Ausbau von Applied Materials internationaler Stellung ist er beispielsweise gewillt, jahrelang Geld zuzuschießen, wenn er an das Potential eines Gebiets glaubt. „Aus diesem Grund lege ich Wert darauf, früh in Märkte einzusteigen und fest im Sattel zu sitzen, bevor andere kommen“, sagt Morgan.

Und tatsächlich können internationale Märkte sich als genauso wichtig erweisen, wie die Technologie, wenn es um die Zukunft des Unternehmens geht. Applied Materials macht den Großteil seiner Geschäfte außerhalb der Vereinigten Staaten und denkt von sich stets als von einem multinationalen Konzern. Morgan ging 1981 sogar so weit, die Worte „international“ und „national“ in den Schriften des Unternehmens zu verbieten.

In den späten 1970ern legte er auch fest, dass man Japan seine Aufmerksamkeit widmen müsse – zu einer Zeit, da der japanische Markt für Ausländer als unschiffbares Gewässer galt. Er schrieb sogar ein Buch zu diesem Thema, „Cracking the Japanese Market: Strategies for Success in the New Global Economy“ (Einstieg in den japanischen Markt: Erfolgsstrategien für die neue globale Wirtschaft). Zwar ist Japan ein einzigartiger Markt, aber Morgan glaubt an den hartnäckigen, doch vorsichtigen Ansatz, Kontakte aufzubauen, sich mit Regierungsmitgliedern bekannt zu machen und bereit zu stehen, sobald Kunden Werke in anderen Gebieten bauen, beispielsweise dem chinesischen Festland.

Applied Materials fasste 1984 in China Fuß, als das Land begann, sich auf kapitalistische Geschäftspraktiken zuzubewegen. Applied Materials chinesische Geschäfte haben nie nennenswerte Umsätze erzielt, doch selbst im Angesicht asiatischer Chipschwemmen wie in den späten 1990ern weigerte Morgan sich, zu gehen.

„Damals (1984) lagen die ziemlich zurück, aber ich hatte das Gefühl, dass sie eines Tages in die Oberliga aufsteigen würden“, sag er. „Finanziell hat es sich nicht wirklich ausgezahlt, wenn es auch langsam danach aussieht. Andererseits haben wir Beziehungen mit all jenen getroffen, die nun Entscheidungsträger für die chinesische Hightech-Industrie sind.“

Puhakka von VLSI schreibt viel von Applied Materials Erfolgen dem Stellenwert zu, den Geschäftsbeziehungen dort haben und sagt, dass das Unternehmen so lange beim Kunden vor Ort an Maschinen schraubt und doktert, bis das System zuverlässig arbeitet, anstelle Probleminstallationen auf den Markt kommen zu lassen. „Wenn Sie einer von Applieds großen Kunden sind, wissen Sie, dass die ihre Probleme lösen“, beschreibt er.

Morgan sagt, das Unternehmen habe aus den internationalen Vorstößen anderweitig Nutzen gezogen und von Zeit zu Zeit Management-Tipps von gänzlich anders ausgerichteten Firmen erhalten. Letzten Endes verlässt er sich jedoch auf die Grundlagen. Ein Büchlein namens „10 Ways to Be Successful“ (Zehn Wege zum Erfolg), mit Morgans eigenen Management-Philosophien, liest sich wie eine Sammlung von Firmenaphorismen, die dem Leser empfehlen, „mit seinen Stärken zu führen“ und „routinemäßig vorauszuplanen“.

Die letzte Ermahnung darin? „Bleib dran.“

ZDNet.de Redaktion

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