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Instant Messenger im Fadenkreuz

Microsoft tritt diesmal gegen einen bemerkenswert anderen Gegner an, denn AOL Time Warner ist keines der besiegten Start-ups, die nur über begrenzte Mittel verfügten. Die Startrampe für diese Messaging-Waffe ist ein Betriebssystem, dass voraussichtlich das bestprofilierte Produkt der Firmengeschichte werden dürfte und sogar den hochgelobten Verkaufsstart von Windows 95 blass aussehen lassen wird.

Zwar hat Microsoft in den letzten Monaten Erweiterungen am derzeitigen Instant Messaging-Programm, dem MSN Messenger, vorgenommen, unter anderem derart, dass die Software direkt in das Betriebssystem eingebettet wurde, so dass eine Entkopplung der beiden Produkte sehr viel schwieriger ist. Diese Politik hat den berühmten Monopolprozess in den USA ausgelöst, bei dem Microsoft beschuldigt wird, die Vorherrschaft im Betriebssystembereich auf unfaire Weise zu benutzen, um Anwendern andere Produkte aufzuzwingen.

„Wir schreiben praktisch wieder das Jahr 1996“, so Ed Zander, Präsident von Sun Microsystems und langjähriger Todfeind von Microsoft. Seine am Montag während der jährlichen JavaOne-Konferenz seiner Firma abgegebenen Kommentare zeigten Parallelen auf, die er zwischen der derzeitigen Microsoft-Politik und dem Beginn des Sturms auf den Browser-Markt sieht, der letztendlich zum Untergang von Netscape Communications geführt hat.

Der Regierungsprozess konzentriert sich daher auf die Verknüpfung von Windows 95 mit dem Internet Explorer. Microsoft hat jedoch seit längerem Betriebssysteme benutzt, um eigene Produkte aus anderen Bereichen zu promoten, unter anderem Textverarbeitungen, Datenbanken, Multimedia-Streaming, Musik-Downloads, Inhalte und Internetzugriff.

Andy Gavil, Professor an der Howard University School of Law, bezeichnete die Integration der Microsoft Instant Messaging-Software mit neuen Funktionen in Windows XP als Wiederholung der bekannten und bewährten Praxis.

„Ich denke, dass es Erinnerungen an Netscape und andere Fälle wachruft, die im Rechtstreit mit der Regierung noch sehr lebendig sind.“, sagt er. „Die Frage ist, ob, wenn Microsoft diese Funktionen ins Betriebssystem einbettet, damit wir alle Zugriff darauf wie auf den IE haben, die eigenständigen Märkte für diese kleinen Programme zerstört werden. Steht die Firma im Wettbewerb zu AOL dann besser da oder kann AOL sogar vom Desktop verdrängen?“

Einige Kunden sind auch besorgt aufgrund des immer größer werdenden Einflussbereichs von Windows.

„Mir ist klar, wie aggressive die Firma vorgeht. Es wäre schön, wenn sie sich etwas zurückhielten.“, so Tom Wesson, Computerprogrammierer aus Schaumburg, Illinois. „Ich denke, sie wären erfolgreicher, wenn sie respektvoller wären und nicht alle Segmente beherrschen wollten.“

Einige sehen den Beweis des Machthungers im neuen Microsoft-Betriebssystem Windows XP. Sogenannte Smart Tags könnten dem Unternehmen die Möglichkeit geben, die von Anwendern besuchten Web-Sites, Inhalte und Leistungen im Internet zu beeinflussen.

Trotz aller Kritiker Microsofts ist die rechtliche Seite der Marktpraktiken noch lange nicht klar und einige Monopolexperten geben der Firma sogar gute Chancen, als Sieger aus der kommenden Anhörung hervorzugehen. Dadurch könnte Microsoft sich ermuntert sehen, die Pläne zur Einbettung von Instant Messenger und anderen Programmen in XP stärker voranzutreiben.

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ZDNet.de Redaktion

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