Noch vor dem Start der bunten Welt neuer UMTS-Handys drehen die die Hersteller der piepsenden und vibrierenden Funktelefone noch einmal kräftig auf. Die Marketingspezialisten sind auf der Suche nach immer kleineren Zielgruppen, um jedem ein maßgeschneidertes Handy zu liefern. Fast für jede Alters- und Gesellschaftsgruppe gibt es bald ein Mobiltelefon.
Einst technisch-nüchternes Statussymbol ist das Handy längst auch modisches Lifestyle-Accessoir. „Mit den klassischen demografischen Einteilungen unserer Kunden kommen wir nicht mehr weit“, sagt Stefan Müller von Siemens Mobilephones, „es gibt immer komplexere Zielgruppen“. Die global und englisch denkenden Siemens-Marketingspezialisten machen „Traditionals“, „Social Centrics“, „Cool Dynamics“, „Performer“ und „Ambitious“ unter als Typen unter ihren Käufern aus, denen sie nun passende Handys mit speziell abgestimmten „emotionalen und funktionalen Werten“ offerieren wollen. Einfach zu bedienen oder mit umfangreichen Funktionen, kleinen oder großen Tasten, elegant oder eher sportlich stoßfest, mit MP3-Player, Spielen oder dem Internetstandard Java, mit dem sich je nach Kundenwunsch Dutzende verschiedene Bedienoberflächen programmieren lassen.
Besondere Sorgfalt widerfährt weiblichen Käuferschichten: Hier vertraut Siemens bei der Gestaltung und Farbwahl nicht nur auf akademischen Expertenrat, sondern auch auf eine Pariser Farbberatungsagentur aus der Modebranche. „Sony und Ericsson werden das Produktangebot sehr stark ausbauen und versuchen, für jede Zielgruppe ein Angebot zu haben“, gibt Sony-Sprecherin Myriam Hoffmann die neue Strategie beider Unternehmen aus, die im Handybereich seit dem vergangenen Jahr nun gemeinsame Wege gehen. Das Joint Venture will sich „nicht mehr im allerbilligsten Prepaid-Sektor bewegen“, sondern setzt auf ein Einsteigergerät mit sehr guter Basisausstattung, Smartphones und Handys, die in den Unterhaltungsgerätemarkt hineinspielen. Viel Platz lässt die Konkurrenz freilich selbst im umkämpften Ladyphone-Sektor nicht: Ob Biorhythmus, Menstruationskalender, Bodymaß-Index- oder Kalorien-Rechner – all das gibt es längst im Handy für die Frau. Branchenführer Nokia setzt auf edle Titangehäuse beim Spitzenmodell und eine – laut Werbebotschaft – Ästhetik, „die die bloße Berührung zu einem sinnlichen Erlebnis macht“.
14 verschiedene Zielgruppen haben die Finnen ausgemacht und alle werden bedient. Frecher Blickfänger ist das technisch eher durchschnittliche Nokia 5510, das mit Radio, MP3-Player, einem querliegenden Dispay und einer SMS-Tastatur klar um jüngere Kunden buhlt. Einzig Martin Schmidt, Marketing-Direktor bei Motorola Deutschland, hält nicht viel davon, mit immer spezielleren Handys in den Markt zu gehen. „Natürlich unterscheiden sich Kundenwünsche je nach Zielgruppe“, sagt er. „Ich glaube, es ist aber nicht sinnvoll, wenn ich am Ende für jeden einzelnen Konsumenten ein spezielles Handy herstelle“. Der US-Konzern richtet den Blick lieber auf den Start der UMTS-Technik, die endlich schnelles Surfen im Internet und Video-Übertragungen verspricht.
Mit dem A 820 ist Motorola im Sommer als erstes Unternehmen in Europa mit einem der neuen Geräte auf dem Markt. Zeigt sich der Prototy vom Aussehen her aber eher klassisch-konservativ, dürfte mit den unbegrenzten Möglichkeiten von UMTS der Zielgruppen-Kult eine neue Qualität erreichen. So hat der Konkurrent Samsung die Gameboy-Generation schon fest im Visier – eine Design-Studie der Koreaner liegt mit ausklappbaren Tastenflügeln irgendwo zwischen einem Space Shuttle und einer asiatischen Nahkampfwaffe.
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