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Zensur im Internet oder Kampf gegen Neonazis?

Mit einer Demonstration in der Düsseldorfer Innenstadt will der Chaos-Computer-Club (CCC) gegen die Sperrung von Netzseiten durch die nordrhein-westfälische Medienaufsicht protestieren (ZDNet berichtete). Nun ist der Streit über Sinn oder Unsinn der Aktion voll entbrannt.

Zu der Kundgebung gegen „Internet-Zensur“ am Samstag nächster Woche würden mehrere hundert Teilnehmer erwartet, sagte der Kommunikationsdesigner Alvar Freude von der Internet-Initiative ODEM am Dienstag in Stuttgart. Anlass ist wie berichtet das Vorgehen der Düsseldorfer Bezirksregierung gegen rechtsextreme Sites, in dem die Internet-Gruppen nach eigenen Angaben einen „Versuchsballon“ für Einschränkungen der Informationsfreiheit sehen. Freude kritisierte, die Bezirksregierung als NRW-Medienaufsicht wolle „die gesellschaftiche Ächtung des Rechtsextremismus zur Rechtfertigung weiterer umfangreicher Zensurmaßnahmen“ missbrauchen.

Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büsow hatte Anfang Februar so genannte Sperrungsverfügungen an rund 80 Internet-Provider in NRW geschickt. Darin wurde den Zugangs-Anbietern aufgegeben, bestimmte rechtsextreme Seiten von US-Serviceprovidern zu sperren. Zur Begründung für ihren bundesweit einmaligen Vorstoß führte die Bezirksregierung unter anderem an, durch den rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalt der Seiten würden die Menschenwürde verletzt, der Krieg verherrlicht sowie Kinder und Jugendliche sittlich schwer gefährdet.

Die Internet-Initiativen warfen der Aufsichtsbehörde im Gegenzug vor, die Sperrungsverfügung richte sich „explizit nicht gegen die aus dem Ausland operierenden Betreiber der Seiten“. Vielmehr versuche die Bezirksregierung, „durch technische Deformierung der Internet-Struktur“ den Bürgern in NRW den Zugang zum Internet „nur noch durch staatliche Filtermaßnahmen zu ermöglichen“.

Die Bezirksregierung wies in ihrer Verfügung an die Zugangs-Anbieter freilich darauf hin, dass die beiden US-Provider auf eine Aufforderung zur Sperrung der Seiten nicht reagiert hätten. Rechtlich sei den US-Providern im Übrigen von Deutschland aus nicht beizukommen, weil ein europäisches Urteil in den USA nicht anerkannt werde und damit auch nicht vollstreckbar sei.

Als juristischer Fehlschlag erwies sich der Versuch des Internet-Nutzers Freude, dem Vorgehen der Düsseldorfer Bezirksregierung rechtlich einen Riegel vorzuschieben: Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft stellte Büssow zufolge ein Ermittlungsverfahren gegen ihn und Mitarbeiter der Bezirksregierung ein, das auf einer Strafanzeige von Freude wegen Verletzung des Fernmelde-Geheimnisses beruhte. Büssow nahm die Verfahrenseinstellung Anfang März mit Genugtuung zur Kenntnis: „Es ging Herrn Freude wohl von Anfang an nur darum, das Verwaltungshandeln der nordrhein-westfälischen Aufsichtsbehörde zu stören und die Behörde in den Augen der Öffentlichkeit ins Unrecht zu setzen.“ Der 29-jährige Freude konterte, auch anerkannte Rechtsexperten hätten das „ungerechtfertigte Vorgehen der Bezirksregierung“ kritisiert.

Die Düsseldorfer Aufsichtsbehörde will solche Kritik nicht gelten lassen. Die betroffenen Internet-Seiten hätten ohne Zweifel einen „strafrechtlich relevanten Inhalt“, unterstrich Elke Bartels, Leiterin der Abteilung für Gefahrenabwehr in der Bezirksregierung. Das Rundfunk- und Presserecht biete im Kampf gegen solche Machwerke „ganz eindeutige rechtliche Möglichkeiten“. Dagegen wollten bestimmte Provider offenbar das Internet als vermeintlich „rechtsfreien Raum“ für ihre Zwecke nutzen.

Die Internet-Initiativen lassen indes in ihrem Kampf gegen „Internet-Zensur“ nicht locker: Für Andy Müller-Maguhn, CCC-Sprecher und Europadirektor im Internet-Regulierungsgremium ICANN, sind die Pläne der Bezirksregierung ein Hindernis für den mündigen Bürger, „sich ein eigenes Bild der Gesellschaft und ihrer Probleme zu machen“. „Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit ist ein Problem, aber dieses Problem löst man nicht durch Ausblendung, sondern durch aktive Auseinandersetzung.“ Auch CCC-Mitglied Ingo Schwitters warnte, ein „gefiltertes Netz“ erschwere die „Aufklärung über Probleme, die sich nicht durch Wegschauen lösen lassen“.

ZDNet.de Redaktion

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