Peter Boeck will alles daran setzen, damit er fit ist für die Zeit nach dem Knast: Zusammen mit 15 anderen Gefangenen der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel beginnt der 42-jährige Häftling in diesen Tagen mit einem Fernstudium, das über das Internet absolviert wird. Möglich wurde das durch ein bundesweit bislang einmaliges Modellprojekt, das Deutschlands größtes Gefängnis gemeinsam mit der Fern-Universität Hagen auf die Beine gestellt hat.
Zwar gibt es für Häftlinge in Deutschland schon seit jeher die Möglichkeit, während der Zeit im Gefängnis ein Fernstudium zu absolvieren. Der Strafvollzug, so der Berliner Justiz-Staatssekretär Christoph Flügge, habe schließlich auch die Aufgabe, „die Menschen fit zu machen für ihr Leben“. Doch im herkömmlichen Verfahren müssen sich die Knast-Studenten ihre Materialen per Post zu besorgen. Da lag es für die Fern-Universität Hagen nahe, den Gefangenen ein Online-Studium zu ermöglichen. Schließlich ist die westfälische Bildungseinrichtung längst „auf dem Weg hin zur virtuellen Universität“, wie Rektor Helmut Hoyer berichtet. 25.000 der 60.000 Fern-Studenten kommunizieren online mit der Hagener Hochschule.
Auch die Ausbildung von Gefangenen ist für die Hochschule kein Neuland: Knapp 1000 Häftlinge studieren dort bereits, allerdings über den herkömmlichen Postweg. Die Techniker der Hagener Universität haben auf dem dortigen Großrechner einen Server eingerichtet, der durch spezielle Filter sicherstellt, dass den Gefängnis-Studenten nur das Internetangebot der Hochschule zur Verfügung steht. Die Verbindungen zum weltweiten Netz sind gekappt. „Die Gefangenen können nicht im Netz surfen“, versichert Anstaltsleiter Klaus Lange-Lehngut. Und an den beiden Computern im Studienraum der JVA Tegel, von denen aus die Studenten an zwei Computern ihre Studien betreiben können, ist kein gewöhnlicher Internet-Anschluss installiert, sondern ein so genannter Router. Dieser führt nur zum Server der Universität.
Trotz dieser Sicherheitsvorkehrungen ist es nicht ganz einfach für die Gefängnisinsassen, die Erlaubnis zum Online-Studium zu erhalten. „Es hat sieben Monate gedauert, bis ich die Genehmigung für das Fern-Studium bekam“, berichtet Peter Boeck. Der wegen versuchten Mordes verurteilte Fernmeldewerker hofft, nach seiner Haftentlassung mit einem Abschluss als Informatiker in der Wirtschaft unterzukommen. Auch der Gefangene Thomas Rohnke berichtet, dass die Mühlen der Bürokratie den Zugang zu einem Studium in der Haftanstalt recht schwer machen. „Das Problem sind die kleinen praktischen Schritte.“ Indes hat er noch ein weiteres Handicap: „Ich weiß überhaupt nicht, wie man mit einem Computer umgeht“, beklagt er. Das Leben hinter den Gefängnismauern schult eben nicht für den Umgang mit den neuen Medien. Deshalb kämpft Rohnke darum, einen Computerkurs zu absolvieren.
Wer alle bürokratische Hürden überwunden hat, den erwartet die Ochsentour harter Studienjahre: Im „virtuellen Lernraum“ der Hagener Uni können die Studenten Seminarunterlagen und Literatur einsehen. Das Angebot, so Rektor Hoyer, sei in der Regel ausreichend für einen erfolgreichen Abschluss. Die „Scheine“, die eine erfolgreiche Teilnahme an einem Seminar bestätigen, werden in Form von Klausuren absolviert – was auch für die Abschlussprüfungen gilt. Und bei einem mündlichen Test sind die Mitarbeiter der Hagener Uni sogar dazu bereit, nach Berlin zu kommen – falls der Gefängnis-Student keinen Freigang bekommt.
Die Initiatoren des Modellprojektes sind überzeugt davon, dass sich die Mühen für ein Studium im Gefängnis allemal lohnen. Denn Gefangene mit höherer Bildung, so Matthias Pollak vom Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) der Fern-Uni, werden nach der Entlassung seltener rückfällig.
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