KOMMENTAR -„E-Business-Integration“, also die „Verbindung von zwei oder mehr bisher allein stehenden E-Business-Anwendungen oder -Datenbeständen zur Abbildung von Geschäftsprozessen“, sind „Web Services“. So jedenfalls definiert Berlecon Research den in den vergangenen Wochen inflationär auftretenden Begriff in einer eben erschienenen Studie.
So einfach ist die Definition aber leider nicht: In den USA wurde der Streit darum erst vor wenigen Tagen sogar vor Gericht ausgetragen. Im Kartellrechtsprozess gegen Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) bekam sich der Sun-Chefstratege Jonathan Schwartz Mitte des Monats mit der Verteidigung über die Begrifflichkeit in die Haare. Im Kreuzverhör durch den Microsoft-Anwalt Steven Holley bezeichnete Schwartz Web Services als „eine Plattform“. In einem mehrmaligem Hin-und-her versuchte Holley den Sun-Manager dazu zu bewegen, Web Services als „Server-basierte Applikationen der nächsten Generation“ zu definieren. Damit tituliert der Softwarekonzern gerne seine „.Net“-Strategie.
Letztendlich lief es darauf hinaus, dass Schwartz SOAP, XML und UDDI als Web Services bezeichnen sollte. Die .Net-Services von Microsoft setzen bekanntlich neben XML die Web Services Description Language (WSDL), die Microsoft Business Instrumentations-Sprache „XLANG“, den Simple Object Access Protocol (SOAP) Discovery Standard (DISCO) sowie den Universal Description, Discovery und Integration Standard (UDDI) ein. Nur zwei Tage später fand die „New York Times“ nebenbei erwähnt heraus, dass Microsoft mit „Hailstorm“ beziehungsweise „My Services“ heimlich, still und leise das Herzstück seiner .Net-Strategie zu den Akten gelegt hat. Es handelte sich um eine Web Service-Technologie, die auf Passport sowie weiteren Microsoft-Technologien aufbauen sollte.
Schwartz wollte unter Web Service jedoch nach Möglichkeit „Alles, inklusive Downloads“ verstanden wissen. FTP sei beispielsweise ein prima Web Service, so Schwartz. Die Definition Microsofts dagegen liegt nahe an der Eingangs dieses Artikels angeführten Studie von Berlecon. Warum aber sollte man ihr, und nicht der Auslegung von Schwartz folgen? Wieso sollte man überhaupt einer Auslegung folgen? Um ein neues Marketinginstrument in der Hand zu haben vielleicht? Einen neuen Begriff, der angepriesen und gehuldigt werden kann mit dem Ziel, Investoren Geld aus der Tasche zu ziehen? Über den News geschrieben werden können? Zu dem Marktforscher Studien und Reports verfassen dürfen?
Hatten wir das nicht schon Mal? „Web Services“ erinnert in seiner Anpreisung stark an „Application Service Providing“ (ASP), der Hype der Jahrtausendwende. Ein Application Service Provider stellte Anwendungen für andere Unternehmen ins Netz. Dazu gab es Studien und Vorhersagen ohne Ende. Alle natürlich positiv, um nicht zu sagen überschwänglich. Intel (Börse Frankfurt: INL), Novell, Sun (Börse Frankfurt: SSY) und Microsoft, um nur einige zu nennen, sprangen im Jahr 2000 mit Emphase auf den fahrenden Zug auf (ZDNet berichtete). Irgendwann wurde auch dieser Tanz um das neue goldene Kalb etwas eckig, Detlef Borchers hat das ein Jahr später bereits treffend in einer Kolumne festgehalten.
Berlecon geht davon aus, dass 2002 weiterhin vom Hype der Web Services bestimmt bleiben wird. Erwachsen sollen Web Services erst ab 2004 werden, um dann in 2005 im Markt akzeptiert zu sein. Bestimmt heißen die Netzdienste dann aber anders. Web Services, Distributed Computing, ASP: Alles Begriffe, die zeitweise inflationär gebraucht werden. Dann verschwinden sie wieder. Aber gut, dass wir mal darüber geredet haben.
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