E-Commerce: Gartenschlauch statt Gießkanne

Während der Einzelhandel seit Monaten unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher ächzt, verzeichnet eine Sparte immer noch satte Zuwachsraten: der E-Commerce. Der Handel im Internet werde rund 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen, prognostizieren Experten. Wichtige Impulse erhoffen sich die Firmen von der Messe Internet World Germany in Berlin.

Dort wollen mehr als 1200 Aussteller vom 4. bis 6. Juni Konzepte für den elektronischen Handel und das sichere Bezahlen im Internet vorstellen. Die Prognosen sind hoffnungsvoll. Voraussichtlich acht Milliarden Euro würden in der Branche in diesem Jahr umgesetzt, schätzt der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Das wären drei Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Den Höhepunkt des Wachstums hält HDE-Experte Olaf Roik allerdings für überschritten. „Die Faszination des Mediums Internet ist vorbei“, sagt er.

Schöne alte Welt – für die Mehrzahl der 31 Millionen deutschen Nutzer ist das Netz nach Roiks Worten bereits zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden. „Nach dem Hype und der Ernüchterung in den vergangenen zwei Jahren beginnt nun die Zeit der soliden und strategischen Geschäfte“, sagt Harald Summa vom Branchenverband Electronic Commerce Forum (eco). „Während Gewinne am Anfang noch mit der Gießkanne verteilt wurden, kommt nun der Gartenschlauch.“ Viele Start-Ups aus der „Regionalliga“ seien inzwischen Pleite. Gewinner beim elektronischen Handel sind vor allem die Großen: Firmen wie Tchibo und große Versandhändler wie Otto, Quelle und Neckermann. Reine E-Händler haben dagegen kaum eine Chance.

Strategischer Vorteil der klassischen Handelsunternehmen: Sie bieten ihren Kunden die Produkte nicht nur im Internet, sondern auch per Katalog oder im Laden an. Zahlen können die Verbraucher per Kreditkarte übers Netz, aber auch auf die althergebrachten Wege per Rechnung oder Nachnahme. Sorgen über den möglichen Missbrauch von Daten im Netz würden so beseitigt, betont Roik. Hier ändere sich lediglich das Kaufverhalten, neue Kunden ließen sich dadurch nicht gewinnen. „Es sind alte Kunden, die das neue Medium nutzen“, betont Roik.

Auch die Zahl der Waren, die elektronisch gehandelt wird, ist noch beschränkt. Bücher, Musik oder Software ließen sich immer noch deutlich einfacher übers Netz verkaufen als Kleidung oder Autos, sagt Roik. Spannend sei hingegen die Frage, ob und wann es gelinge, den millionenschweren Markt für Lebensmittel zu knacken. In England beispielsweise sei es großen Supermärkten gelungen, ihre Kunden vom Füllen ihres Kühlschranks per Mausklick zu überzeugen.

Allerdings hätten die meisten Deutschen im Gegensatz zu den Briten den Laden direkt vor der Haustür. Eine große Rolle beim elektronischen Einkauf spielt die Psychologie. Viele Deutsche haben nach Einschätzung von Experten immer noch große Bedenken, ihre Daten dem Internet anzuvertrauen. Dabei seien die Risiken beim Shopping im Internet nicht höher als im Geschäft, unterstreicht Roik: „Auch dort kann ihnen jemand beim Eintippen der PIN-Nummer über die Schulter schauen oder ihre Handtasche klauen.“

Die meisten Unternehmen böten heute sichere Wege für die Übertragung von Kreditkartennummern an. Neue Zahlungsarten setzen sich hingegen nur schleppend durch. Das liege nicht zuletzt an der Vielzahl der technischen Systeme. Bis zu hundert gibt es auf dem Markt, auf ein einheitliches einigen konnte sich die Branche bisher nicht. Besonders das so genannte Micropayment hat es noch schwer, also die Zahlung kleiner Euro- oder Centbeträge, etwa für Zeitungsartikel im Netz. Immerhin können sich nach Umfragen inzwischen rund 7,5 Prozent aller Surfer vorstellen, elektronische Bezahlsysteme für Kleinbeträge zu nutzen.

ZDNet.de Redaktion

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