SMS: Jugendliche tappen in die Schuldenfalle

Gerade mal elf Ziffern trennen viele Jugendliche von der Schuldenfalle. Schnell ins Handy die Nummer eines Freundes getippt, um über die WM-Ergebnisse zu quatschen, mal eben unter der Schulbank eine SMS geschickt, um über den Sitznachbarn zu lästern – so läppern sich bei vielen Jugendlichen Monat für Monat hohe Summen zusammen. Ausgaben, die das Taschen- oder Lehrlingsgeld oft nicht hergibt. Mehr als jeder zehnte 13- bis 17-Jährige in Deutschland hat laut einer Studie des Instituts für Jugendforschung in München Schulden.

Zehn Prozent davon fallen durch Telefonate an. Von einer „Handyseuche“ spricht Peter Zwegat, Leiter der Schuldnerberatung DILAB in Berlin. Zu ihm kommen immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene mit monströs hohen Telefonkosten. Beträge von bis zu 6000 Euro hat er schon auf Rechnungen gesehen, im Durchschnitt haben die Jugendlichen nach seinen Worten Handy-Schulden von mehreren hundert Euro im Monat.

„Das Handy ist für viele Jugendliche zwischen zwölf und 18 ein entscheidendes Statussymbol“, sagt der Marktforscher Dieter Korczak vom Münchner Institut für Grundlagen- und Programmforschung. „Es hat etwa den gleichen Stellenwert wie rauchen und Alkohol trinken.“ Auch Schuldenberater Zwegat fragt bei Schulbesuchen längst nicht mehr, wer ein Handy hat, sondern wer keins hat. „Dann gehen höchstens ein bis zwei Arme hoch.“ Selbst acht- bis neunjährige Kinder sähen im Taschen-Telefon bereits einen unverzichtbaren Begleiter.

Seien die Schulden erst angefallen, so wären die Jugendlichen völlig überfordert, betont Manuela Schulz von der Schuldnerberatungsstelle der Caritas in Berlin. Wenn sich der Anwalt oder ein Inkassobüro melde, um das Geld einzutreiben, schmissen sie die Post in den Müll. „Wenn sie beim ersten Anbieter rausfliegen, gehen sie einfach zum nächsten, weil sie ohne Handy nicht mehr leben können“, ist Zwegats Erfahrung. Und mit Zins und Zinseszins seien die Jugendlichen mitten drin in einer munter rotierenden Schuldenspirale, die oft bis zum Verlust der Lehrstelle oder des Arbeitsplatzes führe.

Die einzige Chance, eine Schulden-Lawine zu vermeiden, sieht Schulz wie die meisten Verbraucherschützer in Prepaid-Handys. Zwar sind die Kosten dort höher, das Guthaben, das abtelefoniert werden kann, ist jedoch vorher festgelegt. Bei Handy-Verträgen hingegen kommt erst mit der Telefonrechnung die böse Überraschung. „Wenn überhaupt ein Handy bei Kindern, dann nur mit Prepaid-Karte“, sagt auch Anke Scheiber von der Stiftung Warentest. Als Verführer und Schulden-Macher beschimpft, haben einige Mobilfunkfirmen bereits reagiert. Vodafone etwa lockt besorgte Eltern mit einem „Handy-Taschengeld“ für das Guthabenkonto ihres telefonsüchtigen Nachwuchses, das ganz einfach per Dauerauftrag überwiesen werden soll. „Für den Betreiber ist das natürlich schick“, sagt Scheiber.

Er wisse dann schon vorher, wieviel Geld komme und erreiche eine stärkere Kundenbindung. „Mir ist nicht klar, wo die Vorteile für den Verbraucher sind – außer, dass sie nicht mehr an der Tankstelle eine Guthabenkarte kaufen müssen.“ Schuldenberater Zwegat möchte die Handy-Anbieter noch viel stärker in die Pflicht genommen sehen: Er fordert für jeden abtelefonierten Euro einen „Kohlecent“ – um Aufklärung über das Schuldenrisiko zu finanzieren. Es reiche nicht, nur in die Verträge hineinzuschreiben, wieviel Telefonate kosteten. Auf die Initiative der Firmen wollten die Schuldnerberatungsstellen allerdings nicht warten. Sie haben deshalb die Internetseite www.ohne-moos.de entwickelt, die ab kommendem Montag bei einer bundesweiten Aktionswoche gegen die Überschuldung von Jugendlichen vorgestellt werden soll. Dort werden betroffene Jugendliche ihren Altersgenossen Tipps geben, wie sie verhindern, dass elf Ziffern sie in die Falle tappen lassen.

ZDNet.de Redaktion

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