Zu Beginn galt es als nervtötender Krachmacher, mittlerweile ist es erfolgreicher als der PC: Das Handy hat sich zu einer der meistverkauften Erfindungen überhaupt gemausert. Vor genau zehn Jahren begann in Deutschland sein Siegeszug. Am 21. Juni startete Mannesmann Mobilfunk das D2-Netz und damit das erste Netz im GSM-Standard, wenige Tage später folgte am 1. Juli die Deutsche Telekom (Börse Frankfurt: DTE) mit dem D1-Netz.
Dass zehn Jahre später 56 Prozent aller Haushalte ein Mobiltelefon nutzen würden, hatten die Betreiber selbst in den optimistischsten Prognosen nicht erwartet. Der Erfolg macht sie trotz aller Schwierigkeiten auch für das Nachfolgenetz UMTS optimistisch. Der erste Schritt ins moderne Mobilfunkzeitalter erfolgte schon 1982, als sich Telekom-Unternehmen aus 26 Ländern auf einen Standard für ein neues Netz verständigten und die Groupe Spécial Mobile – kurz GSM – gründeten.
Das mobile Telefonieren war da längst keine Revolution mehr, denn schon ab 1926 konnten bei der Bahn die Passagiere der ersten Klasse auf der Strecke Berlin-Hamburg aus dem fahrenden Zug telefonieren. Und mit dem A-Netz der Bundespost in den 50er Jahren, dem in den 70ern eingeführten B-Netz und schließlich 1985 dem C-Netz war der Mobilfunk lange etabliert. Doch während die analogen Vorläufer-Netze nur für einige zehntausend Nutzer ausgelegt waren und für Otto Normalverbraucher praktisch unbezahlbar blieben, öffnete der digitale Standard GSM auf einmal den Massenmarkt. Und während die Kommunikation bislang dem Staats-Monopol unterlag, konnten jetzt auch private Firmen mitbieten.
Das mittlerweile vom britischen Vodafone-Konzern aufgekaufte Unternehmen Mannesmann wurde weltweit der erste private GSM-Netzbetreiber. Für die Macher in der Düsseldorfer Konzernzentrale wurde ihr Erfolg bei dem von der Bundesrepublik 1989 durchgeführtem Wettbewerb um die Netz-Lizenz genau wie für die Telekom zur Lizenz zum Goldschürfen. Im Gegensatz zu der 100-Milliarden-Mark-Versteigerung der UMTS-Lizenzen gab es die GSM-Lizenz praktisch kostenlos, da lediglich ein glaubwürdiges Geschäftskonzept vorgelegt werden musste. Und auch die Anlaufinvestitionen lagen deutlich unter denen bei UMTS. Mannesmann etwa investierte zunächst „nur“ eine Milliarde Mark und konnte schon 1994 schwarze Zahlen mit D2 privat schreiben.
Obwohl sich Mannesmann und Telekom bereits ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen um den prestigeträchtigen Start geliefert hatten, benötigten die beiden Unternehmen fast drei Jahre zwischen Lizenzgewinn und Netzstart. Schon im Juli 1991 hatte die Telekom einen Probebetrieb gestartet, doch kamen die Handy-Hersteller genau wie heute beim UMTS-Start nicht mit der Produktion der neuen Geräte nach. Erst im Frühsommer 1992 war es soweit: Für Preise von 2495 bis 3190 Mark wurden die ersten Handys ausgeliefert, die Minutengebühren lagen noch bei über 1,50 Mark, dazu kamen noch Monatsgebühren um die 75 Mark. Mehrere 100.000 Kunden stiegen im ersten Jahr bei den beiden Unternehmen ins D-Netz ein, bis zum endgültigen Durchbruch dauerte es aber noch bis 1998.
Während in den ersten Jahren die hohen Preise schreckten, zierten sich die Deutschen im Gegensatz zu den Nachbarländern zunächst selbst bei gesunkenen Preisen. Mit dem dafür dann umso kräftigeren Boom verdiente sich Deutschland in der Branche den Ruf als „Ketchup-Land“: Genau wie bei einer Flasche mit der Tomaten-Soße muss man kräftig schütteln, bis überhaupt was rauskommt. Und plötzlich ist alles überschwemmt. Die Lehren aus dieser „Ketchup-Entwicklung“, sowie die wiedergekehrten Probleme mit der Geräte-Lieferung lassen die Netzbesitzer derzeit auch einigermaßen lässig auf den UMTS-Start warten. Ein breiter Erfolg wird in der Branche erst in wenigen Jahren erwartet, wenn die Verbraucher auch die neuen Möglichkeiten wie das Versenden von Fotos von Handy zu Handy akzeptieren. Im Vergleich zu GSM sind die Erwartungen allerdings deutlich höher: Beim Aufbau der ersten Sendestationen sollten die Netze zunächst auf 15 Millionen Teilnehmer ausgelegt werden – in ganz Europa. Die Prognose lautete damals, damit bis „weit ins nächste Jahrhundert“ auszukommen.
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