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Worldcom-Krise: Wirtschaftsprüfer erneut in der Kritik

Mit den milliardenschweren Falschbuchungen bei Worldcom (Börse Frankfurt: WCO) geraten erneut die Wirtschaftsprüfer ins Zwielicht. Wie schon beim Zusammenbruch des US-Energieriesen Enron waren erneut Kontrolleure von Arthur Andersen am Werk – und offenbar nicht nur auf einem Auge blind.

Auch hierzulande gaben hochbezahlte Bilanzexperten in den vergangenen Jahren kein gutes Bild ab: Fälle wie Flowtex, Holzmann, die Berliner Bankgesellschaft oder die Neue-Markt-Firmen Comroad oder Phenomedia zeigen: Kein Anleger kann sich auf geprüfte Bücher wirklich verlassen. Der Ruf nach einer Kontrolle der Kontrolleure wird deshalb lauter. „Da tut sich ein neuer Abgrund auf“, sagt Petra Krüll von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Tatsächlich ist bei Worldcom der vorläufige Gipfel kreativer Buchung erreicht: Fast vier Milliarden Dollar an Einnahmen hatte die Telefongesellschaft über eineinviertel Jahre zu viel in die Bilanz geschrieben. Die US-Börsenaufsicht SEC geht von Betrug aus.

Ein typisches US-Problem sei das aber nicht, meint Krüll und verweist auf die Häufung ähnlicher Fälle in Deutschland. „Es zeigt sich, dass sich immer mehr auch die Bilanzen von gesunden und soliden Unternehmen als Makulatur erweisen.“ Der Börsenexperte Wolfgang Gerke von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärt sich die offensichtlich verstärkt auftretende kriminelle Energie in den Vorstandsetagen mit „dem Abschwung an den Börsenmärkten“. Das erhöhe den Druck auf die Firmenführung, in Krisenzeiten mal fünfe gerade sein zu lassen.

Das sehen die professionellen Kontrolleure ähnlich: Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Düsseldorf moniert, dass die Fixierung vieler Manager auf die kurzfristige Entwicklung des Aktienkurses Anreize für „sachverhaltsgestaltende Maßnahmen, Bilanzpolitik, weitgehendere Interpretationen von Rechnungslegungsnormen und im Einzelfall auch für strafrechtlich relevante Bilanzmanipulationen“ schaffe. Einig sind sich alle Beteiligten, dass Reformen Not tun, um das Vertrauen der Anleger zurück zu gewinnen und Börsenabstürze wie am Mittwoch nach dem Worldcom-Debakel zu verhindern.

Die DSW fordert eine Trennung der Bilanzprüfung von den meist lukrativeren Beratungsleistungen für die Firmen. „Es kann nicht sein, dass die gleiche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Ende des Jahres ein Gütesiegel auf die eigene Arbeit setzt“, sagt Krüll. Das geht den Wirtschaftsprüfern zu weit; ganz sperren will sich das IWD aber gegen Veränderungen nicht und spricht sich für gesetzliche Regelungen aus, die unzulässige Doppeltätigkeiten ausschließen soll. Auch Vorschläge, den Abschlussprüfer regelmäßig auszuwechseln, weißt der Prüfer-Verband zurück. Dies würde aus Sicht des IWD „das unternehmensspezifische Know-how im Jahr des Wechsels untergehen lassen“ und die Prüfungsqualität drücken. Studien aus den USA zeigten zudem, dass in solchen Fällen auch die Fehlerquote deutlich höher liege als bei Wiederholungsprüfungen.

Skeptisch sind die Kontrolleure auch, was häufig geforderte Doppelprüfungen durch zwei verschiedene Gesellschaften angeht: Kaum eine Firma wolle zwei Mal für dieselbe Leistung zahlen, vermutet das IWD. Damit würden die Prüfungshonorare voraussichtlich weiter sinken, „was der anzustrebenden Qualität der Abschlussprüfung eher abträglich sein dürfte“. Bleibt der Ruf nach dem Staat. Gerke sieht hier für Deutschland noch einigen Spielraum. Die Befugnisse des Bundesamtes für Finanzdienstleistungsaufsicht seien im Vergleich zur großen Schwester SEC in den USA eher dürftig. Allerdings habe auch die SEC mit sehr viel mehr Personal, Sanktionsmöglichkeiten und sogar einer eigenen Gerichtsbarkeit weder Enron noch Worldcom verhindern können. „Betrug hat es immer gegeben und wird es immer geben“, lautet Gerkes Fazit. Dem Anleger bleibe deshalb nur eines: „Skeptisch sein, selbst bei Unternehmen, wo man nicht an Betrug glaubt.“

ZDNet hat in einem News-Report den Aufstieg und Fall der New Economy festgehalten.

Kontakt: Uunet Deutschland (MCI-Worldcom-Tochter), Tel.: 0231/9720 (günstigsten Tarif anzeigen)

ZDNet.de Redaktion

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