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Dell gegen den Rest der Welt

KOMMENTAR – Als sich Anfang 2001 die Dotcom-Krise anbahnte und die Sättigung des PC-Markts offensichtlich wurde, ergriff Michael Dell die Chance seines Lebens. Er erklärte der Branche den Krieg und senkte die Preise der gesamten Produktpalette — meist um mehr als zehn Prozent. Das Konzept ging auf. Seither rutscht das Hardwaregeschäft der Konkurrenten immer tiefer in die roten Zahlen, während Dell ihnen Marktanteile abnimmt und dabei noch Gewinn erzielt.

Die PC-Branche hatte es nicht besser verdient. Jahrelang hatten die Hersteller die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen. Obwohl vor knapp zwei Jahren bereits 60 Prozent der US-Haushalte und 40 Prozent in Europa einen Rechner besaßen, wollten die Hersteller nichts von Marktsättigung hören.

Sinkende Margen alarmierten sie ebenso wenig wie Marketing-Kampagnen für preisgünstige Lean-Clients oder PCs für unter 1000 Dollar. Sie übersahen geflissentlich, dass die zweijährigen Beschaffungszyklen außer Kraft gesetzt wurden, weil Unternehmen längst nicht mehr nach mehr Leistung, größeren Festplatten und innovativen Techniken gierten.

Bürosoftware läuft auch auf fünf Jahre alten Pentium-Systemen zufrieden stellend. Dells Konzept des Direktvertriebs mit Internet-Hilfe missdeuteten sie als eine der modischen — wenn auch erfolgreichen — Web-Geschäftsmodelle für eine Low End-Nische. Derweilen hofften sie selbst auf Absatznischen in Europa und neue Chancen, die sich irgendwie aus dem Internet-Boom ergeben sollten und bereiteten Dienstleistungskonzepte vor, die das defizitäre Hardware-Geschäft über Wasser halten sollten. All diese Illusionen lösten sich gemeinsam mit der Dotcom-Blase in Nichts auf.

Michael Dells Geschäftsmodell dagegen entfaltete gerade in der Krise seine Stärken. Er bewies der Branche, dass man Rechner im Built-to-Order-Verfahren und damit ohne teure Lagerhaltung kostengünstiger produzieren kann als in Massenfertigung, und er zeigte ihr, wie man Versandhandel durch Online-Shopping optimiert. Tatsächlich erkannte er früher als der Wettbewerber, dass sich der Markt grundsätzlich geändert hat.

PCs waren keine Hightech-Produkte mehr, die man mit kryptischen Kürzeln vermarktet, sondern ein Massenprodukt, das über den Preis verkauft wird. Dementsprechend hat er seine Komponentenfertigung weitgehend an Zulieferfirmen ausgelagert und die Vertriebskosten durch den Verzicht auf ein Händlernetz minimiert. Die günstigen Produktions- und Vertriebskosten werden an die Kunden weitergegeben, die sich über die günstigen Angebote freuen.

Soweit kann man Dell zu seinen Erfolg nur beglückwünschen und man möchte den Mitbewerbern raten, diesem Vorbild nachzueifern. Nur leider ist das Dell-Konzept für etablierte Hersteller nicht nachahmbar. So würde es Jahre dauern, sich eine ähnlich ausgefeilte Logistik aufzubauen, wie das Dell in 18 Jahren Firmengeschichte getan hat.

Wichtiger aber ist, dass man nicht einfach zugunsten eines Direktvertriebs das in Jahrzehnten aufgebaute Händler- und Partnernetz im Regen stehen lassen kann. Große Vertriebspartner wie Ingram würden in so einem Falle ganz einfach den Lieferanten wechseln. Einen bitteren Beigeschmack erhält Dells-Erfolgsgeschichte aber auch, weil das Unternehmen von der Entwicklungstätigkeit der Hersteller lebt, die es jetzt an die Wand drückt. Schließlich ist der PC-Konfektionär stolz darauf, nur bewährte Standards zu assemblieren — nachdem diese von HP, IBM und Co. erprobt wurden.

Die aufwändige Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurde über den Preis für alle Produkte finanziert. Dieses Polster ist es, das Dell den Mitbewerbern nicht mehr gönnt. Entsprechend sauer reagieren die Hersteller denn auch. So hat die vage Dell-Ankündigung, man überlege eigene Drucker zu bauen, dazu geführt, dass bisherige Lieferanten wie HP und Canon auf Dell als Vertriebskanal verzichten. Mag sein, dass die Kunden sich heute über sinkende Hardwarepreise freuen können — auf Dauer wird damit technische Innovation erstickt.

ZDNet.de Redaktion

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