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Ist die Zeit reif für den Austausch von Exchange?

Zusammen mit der Idee der Thin Clients (die eigentlich bald wieder auftauchen müsste, nun, da Sicherheits- und Server-Technologien ausgereift genug sind, um dieses Verfahren zu unterstützen) hat Oracle mehr als einmal die Drohung ausgesprochen, eine eigene Collaboration-Anwendung herauszubringen. Da diese sang- und klanglos wieder in der Versenkung verschwunden ist, gehen viele Anwender davon aus, dass es auch diesmal nicht anders sein wird.

Es gibt allerdings noch einen Mitbewerber, den viele vielleicht gar nicht im Blick haben – vor allem, da die meisten Anwender meinen, dass das Produkt endgültig zu den Akten gelegt worden sei: OpenMail von HP. Vor fünf oder sechs Jahren verfügte OpenMail über eine zufriedene Anwenderschar, nicht aber über eine aussichtsreiche Zukunftsstrategie. HP hatte kein Interesse an Business Application Software, wohl aber daran, führender Systempartner von Microsoft zu werden. Da machte es wenig Sinn, weiter in OpenMail zu investieren. So siechte das Programm langsam dahin und wurde von HP vor ungefähr zwei Jahren offiziell eingestellt.

Mir gefällt dabei besonders das Entwickler-Team von HP, da zu diesem auch mehrere Folk-Musiker zählen. Sie haben auf eine Weise reagiert, wie es nur Folk-Musiker können: Sie haben eine OpenMail-Wehklage geschrieben, eine ihrem getreuen Freund gewidmete Ballade. Das Ergebnis kann nur als IT-Protest-Song bezeichnet werden, der auch ein paar Spitzen gegen HP-Chefin Carly Fiorina enthält.

Ich vermute, dass dieser Song zur Rettung von OpenMail beigetragen hat. Andererseits waren es vielleicht einfach auch nur die Stärke des Produkts an sich und die Tatsache, dass es zu einem günstigen Preis angeboten wurde, die Samsung, einen der wichtigsten OpenMail-Kunden von HP, dazu bewogen hat, die Rechte an dem Programm zu kaufen und das britische Entwickler-Team gleich dazu. Deshalb ist die Anwendung jetzt unter dem Namen Samsung Contact noch immer erhältlich.

Während Notes eigene Clients verwendet, lassen Samsung Contact und die angekündigte Oracle-Lösung im Hintergrund des den meisten Anwendern vertrauten Outlook-Clients einen weiteren Server laufen, wobei sie den Client über Standardschnittstellen unterstützen.

Es wird derjenige das Rennen machen, der schnell handelt, der mit Microsofts Features Schritt halten kann, und der alles das bietet, was Outlook zurzeit bietet – und das zu einem günstigeren Preis. Richi Jennings, Architekt von Samsung Contact, ist der Meinung, dass Contact sich durchsetzen wird, weil es die MAPI-Schnittstelle verwendet und nicht IMAP, die Konkurrenz-Lösung mit weniger Funktionen. „Wir können besser sein als Exchange und trotzdem denselben Client verwenden“, so Jennings.

Und dann sind da noch die zusätzlichen Features. Oracle plant die Integration von Voice-Mail, um so eine Messaging-Lösung zu schaffen, die gleichzeitig teure proprietäre Voice-Messaging-Systeme ersetzt. Die Oracle-Lösung basiert – wie könnte es anders sein – auf einer relationalen Datenbank. Doch könnte sich dies als Schwachpunkt erweisen. Das Team von Samsung Contact erzielt hervorragende Ergebnisse mit ihrem eigens für diesen Zweck entwickelten Message Store, der nach ihrer Aussage effizienter und skalierbarer ist als eine allgemeine Datenbank.

Was Samsung im Gegensatz zu Oracle vorweisen kann, ist eine Anwendergemeinde. Jennings vermutet, dass Contact an mehr als fünf Millionen Arbeitsplätzen installiert ist. Schon als das Produkt noch von HP betreut wurde, gab es einen Linux-Ableger, der sich dank einiger Marketing-Unterstützung von Samsung als Collaboration-Lösung für alle Nicht-Microsoft-Nutzer etabliert hat. Damit verfügt das Unternehmen über eine gute Ausgangslage für den Kampf mit Microsoft. Wie auch immer das Ergebnis aussehen wird, Titanium dürfte jedenfalls auf Jahre hinaus keinen besonderen Einfluss auf den Markt haben. Es scheint also recht wahrscheinlich, dass sich der Marktanteil von Exchange in einem Jahr eher verkleinert als vergrößert haben wird. Was natürlich für ein marktführendes Microsoft-Produkt sehr seltsam klingt.

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ZDNet.de Redaktion

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