Der Chef von Microsoft (Börse Frankfurt: MSF), Steve Ballmer, hat sich öffentlich intensiv und überraschend differenziert mit dem Open Source-Lager auseinandergesetzt. Auf der Microsoft Most Valued Professionals-Konferenz (MVPs) in London erklärte er: „Linux ist ein ernstzunehmender Wettbewerber. Wir müssen mehr Wert liefern als die kostenlose Software, aber auf eine smarte Art und Weise. Wir können unsere Produkte nicht verschenken, also müssen wir unsere Preispolitik rechtfertigen. Linux wird nicht einfach verschwinden – es muss unser Ziel sein, ein besseres Produkt anzubieten.“
Beim Ruf zu den Waffen erinnerte Ballmer auch an längst vergangene Schlachten: „Bei Linux verhält es sich nicht wie mit Novell, wo einfach das Geld ausging“, stichelte er gegen einen der Hauptrivalen in den frühen 90er Jahren. „Eigentlich sind die ja schon bankrott gestartet.“
Der ehemalige Studienkollege von Konzerngründer Bill Gates präsentierte anschließend eine Lösung, um gegen die kostenlose Software zu punkten: „Wir werden Linux durch Cluster schlagen.“ Mit Windows ließen sich leichter Rechnernetze bilden als mit dem kostenlosen Betriebssystem. Und Clustern, im IBM-Jargon Grids genannt, gehörten die Zukunft.
Dann versuchte Ballmer, den „Geist“ von Linux zu fassen. „Bei Linux geht’s nicht um Software – es geht um die Gemeinschaft.“ Die MVPs-Initiative stelle das Microsoft-eigene Gegengewicht zur Linux-Community dar. Zu den Most Valued Professionals sollen künftig neben Entwicklern auch Anwender zählen, und sie sollen sich ähnlich eng vernetzen wie das im Bereich der Open Source-Software heute schon der Fall ist. MVPs gibt es seit neun Jahren. Die Mitglieder rekrutieren sich aus besonders befähigten Entwicklern – diese werden beispielsweise durch die Menge und Qualität ihrer Postings in Newsgroups ausgelesen. Aktuell gibt es rund 1200 MVPs – die Hälfte davon lebt in den USA.
Möglicherweise werde man die hauseigene „Shared Source Initiative“, bei der ausgewählten Partnern wie Regierungen oder Universitäten Einblick in den Quellcode von Microsoft-Produkten gewährt wird, auf die MVPs-Gemeinde ausgeweitet, so Ballmer. Eine Entscheidung dazu solle in den nächsten Monaten fallen, so Lori Moore, Vice President der Product Support Services bei Microsoft, im Gespräch mit ZDNet. Auch solle geklärt werden, ob Entwickler mit Sondergenehmigungen den Windows-Quellcode einsehen dürfen. „Derzeit spielen wir verschiedene Möglichkeiten durch und sehen uns auch ältere Ideen noch mal an. Es gibt viele Wege, sich weiter zu öffnen.“
Ballmer griff mit seinem Vortrag eine Rede von Mitte Juni auf. Auf der „Fusion 2002“, einem Symposium für Microsoft-Partner, hatte der Microsoft-Chef erklärt: „Wir konnten bis jetzt nicht herausfinden, wie wir billiger als Linux werden konnten – aber wir können dennoch preiswerter als Linus sein“. In den Mittelpunkt der Debatte wolle man künftig entsprechend nicht den Preis, sondern die „Total Cost of Ownership“ stellen. „Wir werden unseren Kunden klarmachen müssen, dass wir zwar einen höheren Preis verlangen, dafür aber auch zusätzlichen Nutzen bieten.“
Trotz allem Kriegsgeschrei muss man sich dennoch die puren Zahlen vor Augen halten: Laut einer im vergangenen Monat veröffentlichten Studie des Marktforschers IDC werden die Umsätze mit dem Open Source-Betriebssystem bis 2006 kontinuierlich ansteigen. Nichtsdestoweniger sind die Verkaufszahlen des Kindes von Linus Torvalds marginal, verglichen mit den Einnahmen von Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) und seinem Windows: 2001 haben die Linux-Distributoren 80 Millionen Dollar durch den Absatz von Betriebssystemen eingenommen, so die Studie „Worldwide Linux Operating Environments Forecast and Analysis, 2002-2006: A Year in Transition“. Diese Zahlen sollen bis 2006 auf 280 Millionen Dollar anwachsen. Zum Vergleich: Microsoft erwirtschaftete 2001 alleine mit Windows mehr als zehn Milliarden Dollar.
„Der Markt für Linux-Systeme macht jedes Jahr gerade einmal einen halben Prozent aller Umsätze mit Betriebssystemen aus. Anders gerechnet: Linux ist gerade zwei Verkaufstage von Windows wert“, erklärte IDC-Analyst Al Gillen. „Am zweiten Januar hat Microsoft schon mehr mit seinem Betriebssystem eingenommen, als alle Linux-Firmen im ganzen restlichen Jahr.“
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