„UMTS-Antennen auf alle Gebäude der bayerischen Regierung“

Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber, kündigte in einer Diskussionsrunde auf den Medientagen in München an, dass die Staatsregierung ihre Gebäude als Strandorte für Mobilfunkmasten anbieten wird. Huber reagierte damit auf eine vergleichsweise ablehnende Haltung der SPD-geführten Stadt München in dieser Beziehung. „Es ist Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für den Erfolg neuer Technologien zu schaffen. Jeder will mobil telefonieren, aber keiner möchte einen Sendemasten in seiner Nähe haben.“ Er kündigte ein Angebot des Freistaates gerade an die UMTS-Mobilfunkbetreiber an.

Die UMTS-Lizenzen sowie die Chancen des breitbandigen Mobilfunks waren der roter Faden, an denen sich Huber durch die Systems und die benachbarten Medientage hangelte. Als Messe-Dauerläufer hielt er seit Montag dieser Woche täglich mehrmals Vorträge zum E-Government, zur Situation auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte sowie zu besagten Mobilfunktechnologien. Dabei wird er von seinen Zuhörern gern belächelt. Der Niederbayer aus Dingolfing lässt seine Herkunft ungeniert erkennen: Oft bedient er sich des bayerischen Idioms, um seine Meinung kurz und prägnant zum Ausdruck zu bringen. „A so a Schmarrn“ schnarrte er beispielsweise vernehmlich, als eine Moderatorin auf offener Bühne von rabenschwarzen Tagen für die IT-Industrie berichtet. Sein scheinbar grenzenloser Optimismus kollidiert natürlicherweise mit jeglichem Pessimismus. Diese Haltung mag auf den ersten Blick als naiv erscheinen – die Arbeitslosenzahl in der Branche würde diese Ansicht rechtfertigen – in der Vergangenheit hat sich der Optimismus bezüglich neuer Technologien jedoch in der Regel als Realismus entpuppt. Und so zieht Huber ungeachtet seiner Kritiker gegen die Schwarzmaler der Branche zu Felde.


Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei Erwin Huber auf der Systems 2002, hier unbeirrt durch seinen Mitarbeiter Richard Tiggs von Goto Bavaria

Der Unbeirrbare wirkt bei seinen zahlreichen Auftritten bodenständig, ja sogar bäuerlich. Gerne stilisiert er sich selbst zum Kleingeist: „Die Diskussion über Digital Divide ist eher etwas für Bücherschreiber und Soziologen“, erwidert er etwa auf Ausführungen von Professor Peter Wippermann, seines Zeichens Trendforscher aus Hamburg, bezüglich einer digitalen Trennlinie quer durch die Gesellschaft von Morgen. Huber sagt tatsächlich „Bücherschreiber“ und bringt damit zum Ausdruck, dass ihm die Eierköpfe und Dampfplauderer seine geradlinige Vision nicht zerreden sollen. „Neue Techniken werden zunächst immer von einer Minderheit genutzt, sollen wir erst starten, wenn alle ‚ja‘ schreien?“ Er ist von der Kraft der Innovation überzeugt, und gibt sich als Überzeugungstäter und Simplizissimus zugleich. Man dürfe sich nur nicht beirren lassen, dann wird alles gut. Die rustikale Haltung Hubers passt nur schwerlich ins Bild der New Economy, dessen letzter offensiver Vertreter er ist. Aber die Letzten werden die Ersten sein, scheint der Christsoziale überzeugt zu sein – und präsentiert sich als die treibende Kraft in Punkto Mobilfunk und IT in ganz Deutschland, nicht nur Bayern. Dabei kommt ihm zu Gute, dass die Mehrzahl der einschlägigen Unternehmen und Konzerne in der Landeshauptstadt München angesiedelt sind. Gerne und ausdauernd beschwört Huber das bayerische Silicon Valley.

Dem ländlichen Typus wird eine gewisse Bauernschläue angedichtet. Tatsächlich setzt er diese offensiv ein. So kritisierte er in der heutigen Diskussionsrunde die SPD-Regierung für die UMTS-Auktion des Jahres 2000 hart. Diese habe sich als extrem hinderlich für den künftigen Ausbau erwiesen. Auf die Frage von Moderator Helmut Brandstätter von n-tv, ob er denn die Lizenzeinnahmen von umgerechnet rund 50 Milliarden Euro nicht kassiert hätte, erwidert er: „Widerwillig“, und offenbart in die Lacher des Publikums hinein ungeahnte Milde im Umgang mit dem politischen Gegner. „Zugegebenermaßen hat niemand absehen können, wohin sich die UMTS-Auktion bewegen würde. Die gab es damals ja in jedem europäischen Land. Ich saß selbst im Beirat, und wir haben mit Einnahmen in Höhe von maximal drei Milliarden Euro gerechnet.“ Im August 2000 hatten insgesamt sechs Anbieter in Deutschland für je 8,5 Milliarden Euro eine UMTS-Lizenz ersteigert. Damals glaubten alle Bieter, dass man ohne eine solche Lizenz keine Chance im deutschen Mobilfunkmarkt haben würde. Heute drängen die siegreichen UMTS-Ersteigerer auf erleichterte Wettbewerbsbedingungen.

An der Diskussion zum Thema „Mobilfunk: Wachstum oder Geldvernichter“ nahmen neben dem Staatsminister, Wippermann und Brandstätter noch Uwe Bergheim, Vorsitzender der Geschäftsführung, E-Plus Mobilfunk aus Düsseldorf, Lauri Kivinen, Senior Vice President Corporate Communications Nokia Group (Börse Frankfurt: NOA3), Rudi Lamprecht, Mitglied des Vorstands Siemens (Börse Frankfurt: SIE), Bernhard Ribbrock, Geschäftsführer Be Mobile aus Gütersloh sowie Jürgen Thiel, Geschäftsführer Intel (Börse Frankfurt: INL) für Deutschland, Österreich und Schweiz, teil.

ZDNet.de Redaktion

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