KOMMENTAR – Jahrzehntelang war die IT-Messe Comdex in Las Vegas die weltweit wichtigste Veranstaltung der Branche. Hier erfuhr, wer sich im Chaos von Keynote-Ansprachen, Hotelzimmer-Präsentationen, Konferenzen und Messeständen zurechtfand, was sich im Folgejahr in den USA und in den kommenden zwei Jahren in Europa tun würde.
Das war einmal. Die Beteiligung stürzte gegenüber dem Jahre 2000 von 2300 auf 1000 Aussteller ab. Und auch die Besucherzahl hat sich – trotz vieler Gutscheine und drastisch gesenkter Hotelpreise – in den vergangenen zwei Jahren halbiert. Selbst die Comdex 2001 lief noch etwas besser, obwohl es aufgrund des Attentats auf das World Trade Center in rauen Mengen Absagen gehagelt hatte und viele Besucher aus Flugangst ferngeblieben. Diese Argumente ziehen heute nicht mehr.
Der Niedergang der Comdex als Leitmesse der IT-Branche hat aber nicht erst in den vergangenen zwei Jahren begonnen. So fiel während der Internet-Euphorie nur wenigen auf, dass die Besucherzahlen längst stagnierten. Sie lagen 1999 kaum höher als vier Jahre zuvor. Zu Beginn des Internet-Booms, 1995, übernahm der japanische Investor Softbank die Comdex von der Interface Group und machte sie zum Spielball von Wachstumsspekulationen. Der Investor wollte den Erfolg der Computermesse nutzen, um einen weltweiten Messekonzern auf die Beine zu stellen.
Entsprechend dieser Zielsetzung erwiesen sich für die Japaner Allianzen mit global agierenden amerikanischen IT-Konzernen natürlich wichtiger als das Aufzeigen aktueller Trends. Das Konzept ging auf. Das Ziff Davis-Spin-off Key3Media, Nachfolger von Softbank als Comdex-Eigner, veranstaltet heute Messen rund um den Globus. Die Kehrseite: Die Comdex hatte sich bis ständig gegen den Vorwurf zu wehren, sie sei Microsoft-hörig geworden und würde deshalb Innovationen von anderer Seite eher verstecken. Tatsächlich hat die Wintel-Fraktion wider besseres Wissen immer wieder die goldene Zukunft der PCs gepriesen.
Innovationen waren nach der Pionierzeit der Messe in den 80er Jahren längst Mangelware. Das war auch nicht nötig, denn die Hauptklientel der Comdex sind Händler, die weniger nach Ideen fahnden als nach möglichst leicht verkaufbaren Produkten, nach Massenware. Innovationen und Visionen beschränkten sich in Las Vegas daher in aller Regel auf die Keynotes.
Mit diesen Grundsatzreden wurden – allerdings mit wechselndem Erfolg – Trends forciert: der Internet-Boom angeschoben, der Netz-Computer (NC) als Lean Client propagiert, der Netz-PC dagegen positioniert, E-Business in den Himmel gehoben, die Vernetzung der in Kleinbüros und Haushalten vorangetrieben oder Wireless-Techniken angepriesen. In diesem Jahr war es technisch eher unspektakulär. Mit dem jetzt herausgekommenen Tablet-PC langweilt Bill Gates die Branche schon seit drei Jahren. Auch das Pervasive-Computing, Computer in allen möglichen Alltagsgeräten, wurde wieder aufgewärmt – lediglich um den Wireless-Aspekt erweitert. Die Firmenchefs konzentrierten sich stattdessen darauf, sich selbst Mut zuzusprechen. Die Talsohle sei durchschritten und neue, vage angedeutete, Projekte, stünden vor der Marktreife.
Kurz: In der Krise kommt aus Las Vegas kaum mehr als Zweckoptimismus. Nach den wenig inspirierenden Vorjahren hat auch niemand mehr erwartet. So ist es kein Wunder, dass die Comdex inzwischen um ihr Überleben ringt. Die Verluste des Messeveranstalters Key3Media sind so hoch, dass Verkauf und Konkurs erwogen werden. Aus der Wall Street wurde die Penny-Aktie bereits verstoßen.
Doch die Krise der Comdex ist nicht unbedingt identisch mit einer Branchenkrise. Hoffnung machen aus Bereiche, die in Las Vegas nur am Rand eine Rolle spielten. Bei der Suche nach Einsparungspotenzial haben die Anwender System- und Anwendungsintegration entdeckt. Hier steckt ein lukratives Geschäft für IT-Dienstleister und für neue Techniken wie Web-Services.
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