Er ist wieder da: Cray, Hersteller legendärer Supercomputer. „X1“ ist die Bezeichnung seines neuen Produkts, einer Symbiose aus Massiv Paralleler Verarbeitung (bisher nur mit Skalarprozessoren durchgeführt) und Vektor-basierten Prozessoren . In München hat er heute nähere Erläuterungen zu der Rechenmaschine und seinen künftigen Kurs gegeben.
Hardware gerät zur „Commodity“, zur als selbstverständlich wahrgenommenen Massenwahre, sagte kürzlich Steve Prentice, Analyst bei dem Marktforschungsinstitut Gartner Group. Doch bei Supercomputern dürfen Technik-Fans ins Schwärmen geraten. Gerade beim X1.
Ein einzelner Prozessor – das Design stammt von Cray, IBM (Börse Frankfurt: IBM) baut ihn – ermöglicht eine Leistung von 12,8 Gigaflops (Flops = Floating Point Operations per Second). Auf einer etwa drei Inches großen Platine sitzen vier solcher Multistream-Prozessoren und vier Cache-Chips, bilden einen Knoten. Auf einem Board befinden sich bis zu vier Systemknoten. Gekühlt werden die Rechnereinheiten mit einer Kühlflüssigkeit von 3M, die direkt aufgedampft wird. Wasser oder Luft bringen wiederum die Kühlflüssigkeit auf Normaltemperatur.
Ein X1-Schrank besteht aus 16 Systemknoten, also 64 CPUs, die demnach eine Peak-Performance von 819 Gigaflops aufweisen. Die Speicherkapazität beträgt 256 bis 1064 Gigabyte. Zum Vergleich: Ein Pentium 4-PC bringt heute eine Leistung von zwei Gigaflops. Um also einen Schrank zu ersetzen, benötigte man theoretisch also 400 PCs. Diese wiesen allerdings einen gigantischen System-Overhead auf, so dass die tatsächliche Leistung erheblich unter der Performace eines X1-Schranks läge.
Beachtlich ist auch der mögliche Datendurchsatz. 200 Gigabyte pro Sekunde erlauben jeweils die 16 Memory Control Chips, die den Austausch zwischen Memory und Rechnerchip steuern. Bei einem PC liegt die Leistung zwischen einem bis zwei GByte pro Sekunde. Die Speicher kauft Cray übrigens von Samsung, das Design für das Interconnect-Equipment stammt von Cray und wird von IBM gebaut, einige Betriebssystemkomponenten liefert SGI.
Für die meisten dürfte X1 mit nahezu unvorstellbaren Kapazitäten ausgestattet sein. Doch für den Cray-Chef, James Rottsolk, ist das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht „Bis zum Ende dieser Dekade werden wir die Möglichkeit haben, Anwendungen mit anhaltender (sustained) Petaflop-Geschwindigkeit zu betreiben“, kündigt er an.
Rottsolk ist Mitbegründer der Tera Computer Company, die das Kunststück fertig gebracht hat, zehn Jahre lang Spezialrechner für Forschungszwecke zu bauen, ohne auch nur ein System tatsächlich zu verkaufen. Die Arbeit bestand hauptsächlich aus Projekten in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Forschungsteams.
Am 1. April 2000 gründete er Cray praktische neu. Dazu erwarb seine etwa 100 Mitarbeiter starke Firma die Cray-Forschungsabteilung von SGI, 750 Mitarbeiter und rund 600 Service-Verträge für Cray-Baureihen. Derzeit verfügt die Cray Inc. über rund 830 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr einen Verlust von rund 20 Millionen Dollar erwirtschaftet haben. Doch in diesem Jahr ging es aufwärts. Die bisherigen Quartale waren profitabel. Das Jahreseinkommen wird bei 150 bis 160 Millionen Dolar liegen. Die Profitabilität beginnt bei 140 Millionen Dollar.
Ein X1-Rechner ist ab rund 2,5 Millionen Dollar zu bekommen. Fünf Pilotmaschinen dieser Bauart hat Cray im Zeitraum zwischen August bis September bereits verkauft. Die meisten der Anwender sind geheim. Unter anderem jedoch werden die Maschinen für die Simulation von Atombombentests gebraucht, aber auch für Kryptografie-Anwendungen, Wetter und Klima-Simulationen. So arbeitet Cray eng mit den amerikanischen Ministerien für Verteidigung und Wissenschaft zusammen.
In Europa sieht der zuständige General Manager Andreas Kerl seine Kunden unter den Forschungseinrichtungen. Abnehmer sind hier etwa das spanische Institut für Meteorologie, das einen Auftrag in Höhe von 8,4 Millionen Dollar erteilt hat. Dieser erstreckt sich bis Anfang 2005. Mitte 2003 soll X1 in den Madrider Einrichtungen installiert werden.
Cray-Kunde ist auch das Konrad Zuse-Zentrum für Informationstechnik, Berlin, und die Universität Bielefeld. Diese wollen dass Cray-System für die Lösung von Problemen der Bioinformatik nutzen.
Die in Europa typischen Budgets liegen laut Kerl zwischen fünf und 65 Millionen Dollar. Nachbestellt werde in einem Zyklus von fünf bis sechs Jahren. Leider haben viele in Frage kommende Forschungseinrichtungen erst kürzlich bestellt – und zwar IBM-Maschinen.
Als SGI im Jahr 1996 Cray aufkaufte, beschäftigte der Supercomputerhersteller rund 5000 Mitarbeiter und hatte einen Jahresumsatz von knapp einer Milliarde Dollar. Der im deutschen Sprachraum verbreitetste Superrechner war das System T3E. Doch unter dem Dach SGI schlief die Produktion der Nischenmaschinen nahezu ein. So erzählt die heutige Cray-Führung das eher dunkel anmutende Kapitel aus der Firmengeschichte.
Laut Europa-Manager Kerl nutzte vor allem IBM die Chance für seine Großsysteme. Symptomatisch seien etwa der deutsche Wetterdienst und die Stuttgarter Universität, die sich gerade IBM-Equipement zugelegt hätten. Mit den Stuttgartern allerdings ei man bereits wieder in konkreten Verhandlungen.
Weiterer Konkurrent ist NEC. Von dem japanischen Hersteller stammt das derzeit größte System, das in dem japanischen Projekt Earth Simulator eingesetzt wird. Cray vermarktet NEC-Computer, hat in den USA sogar das Exklusivrecht dazu. Hierzulande allerdings, so Kerl, besteht lediglich ein Wettbewerbsverhältnis. Wie lange also die Vertriebspartnerschaft mit NEC noch Bestand hat, konnte auch Cray-Chairman Rottsolk nicht sagen.
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