Welches ist der undankbarste und belastendste Job, den man sich in einem Fortune 2000-Unternehmen vorstellen kann? Wie wäre es damit: Ihre Tätigkeit wird nur wahrgenommen, wenn etwas schief geht, Sie werden nur als ziemlich großer Kostenfaktor betrachtet, und Ihre Arbeitsbelastung hat sich im letzten Jahr verdreifacht. So steht es heute um die IT-Abteilungen. Willkommen in der neuen IT-Krise!
Diese Krise ist eine schwere Belastung für die Erträge der Unternehmen. Durchschnittlich große Unternehmen geben inzwischen 7 bis 8 Prozent ihres Umsatzes für IT aus, wobei fast 70 Prozent des Budgets für die Verwaltung von Datenzentren eingesetzt werden. Dabei kommt vieles zusammen: der Wettlauf der Firmen, um im E-Business Fuß zu fassen, die Nachwehen des Jahr-2000-Problems und der Druck zur Errichtung Web-basierter Architekturen. Da kann die IT kaum Schritt halten.
Das letzte Jahrzehnt war ganz damit ausgefüllt, allen übrigen Abteilungen innerhalb des Unternehmens zum Aufsprung auf den Technologie-Zug zu verhelfen, aber inzwischen muss die IT selbst sehen, dass sie noch mitkommt. Genauer gesagt, muss die IT von Anfang an neu durchdacht werden.
Vor Jahren war das Telefonsystem ein vollständig manuelles Unterfangen. Telefonistinnen vermittelten Gespräche per Hand – der Service war schlecht, und die Konsistenz der Systeme war bestenfalls als fragwürdig zu bezeichnen. Als immer mehr Leute anfingen zu telefonieren, brach das Telefonsystem zusammen. Gespräche rissen unvermittelt ab, und die Leitungen waren besetzt. Es gab falsche Verbindungen. Also waren die Telefongesellschaften gezwungen, sich nach technischen Lösungen umzuschauen und ein automatisches System zu schaffen.
Wer heute einen Blick ins Datenzentrum bei einem der Fortune 500 wirft, wird auf verblüffende Ähnlichkeiten stoßen: Server und Applikationen sind mit Ersatzteilen, Draht und Kaugummi notdürftig zusammengestöpselt. Legionen von System-Administratoren führen manuell ihre Beschwörungszeremonien durch, um alles am Laufen zu halten. Bei den Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Servern, die heutige Web-Anwendungen erfordern, kann die IT einfach nicht mehr mitkommen. Die Lösung liegt in der Automatisierung und dem Einsatz von entsprechenden Utilities, damit die IT so einfach zu betreiben und benutzen ist wie das Telefonsystem – und möglichst ohne manuell Hand anlegen zu müssen.
Die Umstellung der IT auf eine völlig neue Arbeitsweise wird jedoch nicht über Nacht erfolgen. IT-Abteilungen können nicht einfach überall den Stecker rausziehen und ihren Kunden sagen, dass in sechs Monaten wieder alles online sein wird. Technologien kann man nicht von einem Augenblick zum anderen implementieren und einsetzen wie ein neues Software-Tool. Und auch die Menschen wird man nicht durch Roboter ersetzen können. Wahrscheinlich wird es genauso schwierig werden, wie die Finanzabteilung von ERP (Enterprise Resource Planning) oder den Vertrieb von SFA (Sales-Force Automation) zu überzeugen. Doch wenn man jemanden aus dem Vertrieb jetzt fragen würde, ob sie dort wieder zurück zur manuellen Vorhersage ihrer Planungen, Kontakte und Quoten wollen, würde er ein solches Ansinnen weit von sich weisen. Die Automatisierung von Vertrieb und Finanzwesen ist nicht mehr rückgängig zu machen.
Dabei muss die IT erste Schritte unternehmen, wenn sie Wachstumsmotor sein will und nicht Bremsklotz, sobald die Wirtschaft wieder anzieht. Die einzelnen Abteilungen verlangen einen höheren Grad an Service von der IT. Und CIOs schauen ganz genau hin, wie ihr Betrieb läuft, wofür sie Geld ausgeben und wie sie die Zukunft planen.
Wenn dieser fundamentale Wechsel in der Weise, wie IT ihre Dienste anbietet, erst einmal vollzogen ist, werden die Vorteile verblüffend sein. Anfragen von Abteilungen nach neuen Services oder Änderungen an bestehenden werden sich in einem Tag statt in einer Woche oder einem Monat umsetzen lassen.
Die Sicherheit der IT-Systeme von Unternehmen wird sich um den Faktor 10 verbessern, da Software-Patches innerhalb von Minuten weltweit eingespielt werden können. Wenn die Marketing-Abteilung groß mit einem neuen Produkt herauskommt, erhält sie einfach einen größeren Anteil der gemeinsam genutzten Ressourcen zugeteilt, was Einsparungen in Millionenhöhe mit sich bringt, da für das eine Jahr mit höherem Traffic nicht extra Hard- und Software angeschafft werden muss.
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für eine solche Veränderung. Die Aufregung und der ganze Rummel um das Internet haben sich gelegt, so dass die Leute einen Schritt zurücktreten können, um zu sehen, was wirklich funktioniert. So kann man aktiv für zukünftiges Wachstum vorausplanen, anstatt nur von der allgemeinen Aufregung mitgerissen zu werden. Auch wenn viele IT-Leute heutzutage eher risikoscheu sind, handelt es sich hierbei um eine Veränderung, der sie sich nicht entziehen sollten. Wer nicht jetzt aktiv wird, wo man den Luxus von ausreichend Zeit besitzt, um alles richtig zu machen, wird feststellen, dass er mit der Konkurrenz nicht mithalten kann, wenn die Wirtschaft wieder wächst.
Denn beim nächsten Mal werden die Kunden nicht so viel Verständnis aufbringen, wenn der Server wieder einmal nicht zu erreichen oder das System ausgefallen ist. Sie erwarten inzwischen einen höheren Service-Standard, und nur wer den bieten kann, wird beim nächsten Aufschwung erfolgreich sein.
Über den Autor:
Marc Andreessen ist Geschäftsführer von Opsware. Er war Mitgründer von Netscape Communications und war bereits als Studienanfänger an der University of Illinois in Champaign an der Entwicklung des Mosaic-Browser-Prototyps beteiligt.
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