ZDNet: Welchen Marktchancen rechnen Sie sich generell in den kommenden fünf Jahren für Linux auf dem Desktop aus?
Seibt: Klar ist, dass keiner von uns voraussagen kann, wie sich die Zukunft ausformen wird. Wie Sie bestimmt wissen, hat sich Linux aktuell einen Marktanteil von etwa sechs bis sieben Prozent auf dem Desktop erobert. Das ist besser als Apple zu seinen besten Zeiten. Sie sehen also, auf welch große Akzeptanz Linux stößt. Und wie gesagt, unsere Server haben den Unternehmen Lust auf Linux auch auf dem Client gemacht. Davon werden es immer mehr! In fünf Jahren – vermute ich – wird der Desktop-Anteil von Linux bei dem des Server-Bereiches heute liegen, also bei rund 26 Prozent.
Aktuell sind die Betriebsressourcen noch in der Hauptsache durch den Server gebunden. Es wird aber die Zeit kommen, in der die Großkunden in Bezug auf den Client ähnlich engagiert sein werden. Lassen Sie mich als eines der ersten Beispiele Schwäbisch Hall nennen. (Schwäbisch Hall ist die bundesweit erste bekannt gewordene Kommune, die in ihrer Informationstechnik komplett auf Linux und Open Source Software setzt, Anm. der Red.)
ZDNet: Wenn Sie also den Unix-Markt aufrollen wollen, brauchen sie einen starken Partner: IBM. Big Blue steht mittlerweile ja fast synonym für Linux-Engagement. Wie wollen Sie sich gegen Red Hat behaupten, das mit IBM denselben Deal hat wie mit Suse, wie uns Joerg Ludwig, Direktor Linux Marketing & Sales bei IBM, kürzlich verriet?
Seibt: Das sehe ich gelassen. Bei den Großrechnern haben wir unzweideutig die Nase vorn: Im Bereich der z-Series verfügen wir über einen Betriebssystem-Anteil von 80 Prozent, im Bereich der p-Series hat Red Hat überhaupt kein Angebot vorzuweisen. Wir sehen unsere Position dahingehend gefestigt. Außerdem verlangen die Kunden nach einer konsistenten Lösung, und wir vertreten in dieser Beziehung eine ganz andere Philosophie als Red Hat: wir entwickeln aus einer Code-Base heraus all unsere verschiedenen Angebote, Red Hat baut meines Wissens auf wenigstens acht verschiedene Bases auf.
Zweitens können wir ein starkes Commitment der Open Source-Gemeinde gegenüber vorweisen: Wir verwenden – anders als Red Hat – nur APIs, die bereits abgesegnet sind. Deren Kunden werden unweigerlich Probleme bekommen.
ZDNet: Hans Bayer, Managing Director Central Europe ihres United Linux-Partners SCO hat im Interview mit uns angedeutet, dass sich sein Unternehmen künftig gerne als Vertriebskanal für Suse positionieren würde. Was sind Ihre Pläne diesbezüglich?
Seibt: Stimmt, SCO und wir sind Partner in UL-Verbund und sprechen daher über dasselbe Produkt. SCO – also Caldera – ist traditionell eher auf den Mittelstand hin ausgerichtet, dort lässt sich der Suse Linux Enterprise Server ganz hervorragend absetzen. Andererseits ist SCO, anders als wir, bei „Großen“ wie beispielsweise der Deutschen Bank weniger vertreten. Wir ergänzen uns da ganz ausgezeichnet, eine Vertriebspartnerschaft ist also durchaus auch in unserem Sinne.
ZDNet: Es gab also schon konkrete Verhandlungen?
Seibt: Ja, ich habe diesbezüglich Gespräche mit Darl McBride (President und CEO von SCO; Anm. d. Red.) geführt.
ZDNet: Hätten Sie in Bezug auf United Linux gerne Red Hat mit im Boot gehabt?
Seibt: Jeder, der sich mit Linux beschäftigt und dessen Herz an dieser Sache hängt, kann sich nur wünschen, dass es eine allgemeingültige Version gibt. Wir sind ja im Mai vergangenen Jahres angetreten, um den Kardinalfehler der Unix-Welt zu vermeiden: die Fragmentierung der verschiedenen Betriebssystem-Versionen. Wenn Red Hat ebenfalls daran Interesse hat, brauchen sie nur anzurufen. Wir sind dran.
ZDNet: Wie sehen Sie sich in Deutschland generell gegen Red Hat aufgestellt? Das amerikanische Unternehmen geht den hiesigen Markt ja gerade erst an.
Seibt: Meine Erfahrung ist, dass sich die deutschen und generell die europäischen Kunden ein bestimmtes Produkt erst eingehend ansehen. Dann erst entscheiden sie sich für oder gegen den Einsatz. Ich bin daher der Überzeugung, dass sich unser Angebot mittel- und langfristig durchsetzen wird, weil es das bessere Produkt ist. Zudem kommt der Support hier aus Deutschland, und wer hat den Kundendienst nicht gerne aus seiner näheren Umgebung kommend? In der EU haben wir eindeutig die besseren Karten. Außerdem: Erfolg muss sich rechnen. Auch Red Hat kann keine Marketingmittel in den Kampf werfen, die sich nicht auszahlen. Ich sehe die Konkurrenzsituation daher gelassen.
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