„Office 2003 hängt noch im Zoll“

Anlässlich der CeBIT hatte Microsoft die erste offizielle Demonstration des kommenden Office 2003 angekündigt, doch Unternehmenssprecher Thomas Jensen musste die Öffentlichkeit enttäuschen: „Die Marketing-Beta ist fertig und seit Montag frei gegeben, aber derzeit hängt sie leider im Zoll fest.“ Macht nichts, dachte sich Microsoft Deutschland-Geschäftsführer Jürgen Gallmann und präsentierte die Suite trotzdem – so gut es eben ging.

„In Deutschland haben wir zwölf Rapid Adoption Partner, darunter beispielsweise Siemens“, teilte Manager Michael Hartmann mit. „Wir verfügen über 35 Teilnehmer am Joint Development Program, weltweit erhalten 500.000 Tester die Betas — 65.000 sind es alleine in Deutschland“, so Hartmann weiter. Die erste Testversion ging noch mit dem Codenamen „Office 11“ im Oktober 2002 an rund 12.000 Tester. Nach Auskunft von Hartmanns Kollegen Christian Obermayer umfasst die Marketing-Beta nicht weniger als 13 CDs inklusive dem Windows Server 2003 RC2 und dem neuen Exchance Server. Wie die endgültigen Pakete geschnürt werden, etwa ob es wieder ein Consumer- und eine Profi-Version gibt, stehe derzeit noch nicht fest.

„Office 2003 lebt nicht nur von seiner erweiterten Funktionalität sondern vielmehr durch den Punkt der Integration. Begeistert bin ich über Onenote — die Version des papierlosen Büros wird dadurch Realität“, warb Gallmann für die neue Bürosuite. Damit wies er den Weg für den Schwerpunkt der ,,Präsentation“: Die Integration verschiedenster Datenkanäle in Office 2003. In ähnlicher Weise hatte der Erzfeind Oracle erst vor wenigen Wochen für seine Collaboration Suite (CS) geworben. Sie fungiert als Inbox für alle Nachrichtenkanäle im Unternehmen – E-Mail, Voicemail, Faxnachrichten und Kalendereinträge – und ist zudem von überall aus zugänglich: über Outlook, Webbrowser, Telefon und PDA.

Schon im Vorfeld war Microsoft für seine zweite große Neuerung in der Anwendungssammlung, die XML-Funktionalität, gelobt worden: ,,Infopath (früher: „Xdocs“) erstellt Dokumente in XML — damit fällt lästiger Formularkrieg weg und beispielsweise eine Krankenakte muss nicht mehr physisch über mehrere Stockwerke hinweg transportiert werden“, berichtete der IT-Leiter des Klinikums Ingolstadt, Thomas Kleemann, der mit Office 2003 auf Tablet PCs bereits seit mehreren Wochen experimentiert. „Das XML-Format ist offen und kompatibel — jedes andere Krankenhaus mit welchem System auch immer kann eine Akte von uns anfordern und sie auch tatsächlich lesen. Momentan haben wir nur Bedenken bezüglich der Anbindung von Fremdsystemen an unseren Server“, so Kleemann weiter.

Extensible Markup Language ist ein Standard für Meta-Daten, der Zugriff auf die Objekte erfolgt über SOAP. Der entscheidende Vorteil von XML gegenüber der herkömmlichen Hypertext Markup Language (HTML) ist seine Flexibilität. Mit XML kann sich jeder Web-Designer seine eigenen Tags (Anweisungen im Quellcode) definieren, was Browser-spezifische Erweiterungen obsolet macht. Selbst Funktionen, die bisher nur durch Scripts und Applets zu erzielen waren, lassen sich in XML einfach als Tag deklarieren.

Wie bereits mehrmals berichtet soll XML auch zur Anbindung von Customer Relationship Management (CRM) und Enterprise Resource Planning (ERP) herangezogen werden. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte Microsoft ein Abkommen bekannt gegeben, wonach Siebel Systems seine CRM-Lösungen an .Net anpassen will. Office soll als Folge im .Net-Geflecht eine wichtige Rolle einnehmen, so Gytis Barzdukas, Manager bei Microsoft für Office, im Oktober gegenüber ZDNet/CNET.

Nach Ansicht von Analysten hat der Schritt hin zu XML aber noch einen ganz anderen Grund: Um sich von konkurrierenden Produkten wie Star Office von Sun oder die artverwandte Open Source-Alternative Open Office abzuheben, muss MS Office unverwechselbarer werden. „Die Anwender gelangen immer mehr zu der Überzeugung, sie könnten MS Office durch Star Office ersetzen, weil sie ja doch nur das übliche Word einsetzen. Microsoft muss sein Office ‚unüblicher‘ machen“, so der Gartner-Analyst Michael Silver vor einigen Wochen.

Verschwiegen präsentierte sich die Microsoft-Riege in Punkto Update-Willigkeit der Kunden. Angeblich hat eine ganze Reihe von Großkunden Lizenzen für Office XP erworben, diese jedoch nur in einem Bruchteil der Fälle auch tatsächlich eingesetzt. In der Folge werden diese Kunden als Abnehmer für Office 2003 ausfallen. „Bislang liegen uns noch keine Marketing-Zahlen vor, das ist noch in der Mache“, versicherte Galmann und Obermayr unisono.

Möglicherweise erklärt sich die Zurückhaltung aus bislang vorliegenden Prognosen: In einer informellen Umfrage während eines Gartner Symposiums im vergangenen Oktober gaben 31 Prozent der IT-Manager von US-Firmen an, dass ihre Unternehmen immer noch mit Office 97 arbeiten. Rund 56 Prozent der Befragten sagten, man setze Office 2000 ein. Nur erst Prozent setzen dagegen auf Office XP in ihrem Unternehmen. Viele der Kunden geben zudem dem älteren Office 2000 vor dem im vergangenen Jahr gelaunchten Office XP den Vorzug.

In der Vergangenheit war die Veröffentlichung von einer neuen Office-Version immer ein signifikantes Ereignis für Microsoft. Office ist eines der beiden Flaggschiff-Produkten. Microsofts Information Worker Abteilung, die hauptsächlich Office ausmacht, stand im vergangenen Quartal für 2,4 Milliarden Dollar Umsatz und 1,88 Milliarden Dollar Gewinn. Der Konzernumsatz betrug insgesamt 8,5 Milliarden Dollar und das Plus 3,25 Milliarden Dollar.

Kontakt: Microsoft, Tel.: 089/31760

ZDNet.de Redaktion

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