CeBIT 2003: „Als Massen-Hoster müssen wir die Software selbst entwickeln“

Seit vielen Jahren setzt die 1&1 Internet AG auf selbstentwickelte Software. Als Basis dienen Open Source Produkte wie Linux, Apache und MySQL, doch diese werden durch eine 80 Mann starke Entwicklungsabteilung erweitert und an die Bedürfnisse eines Massenhosters angepasst. ZDNet sprach mit dem 1&1 Technikvorstand Achim Weiss über neue Techniken wie TINC, das neue Mailsystem und den neu entwickelten Spam-Schutz.

ZDNet: Sie werden in den Hosting-Paketen 4.0 eine neue Technik namens TINC vorstellen, die dynamischen Content und Web-Formulare ermöglicht, ohne den Einsatz von Sprachen wie Perl und PHP. Ausgeschrieben steht TINC für This is not CGI, aber was ist es dann?

Weiß: Wir haben beobachtet, dass viele unserer Kunden auf ihren Präsenzen CGI-Scripte einsetzen. Diese verursachen auf den Maschinen systembedingt eine hohe Last, weil für jeden Request ein neuer Task gestartet werden muss. TINC ist in C++ programmiert und läuft auf einem Applikation Server im Hintergrund. Dieser kann solche Anfragen, zum Beispiel ein Web-Formular, viel schneller verarbeiten als ein CGI-Script.“

ZDNet: Viele Hoster haben Probleme mit der Last, wenn die Kunden CGI-Scripte intensiv einsetzen. Gab es auf dem Markt keine fertigen Lösungen, die Sie hätten anpassen können?

Weiß: Leider nein. Das Problem ist, dass nur wenige Hoster einige tausend Kunden auf einer Maschine laufen lassen. Daher finden Sie im Open Source Bereich leider keine Lösung, die bei uns auftretenden Anforderungen erfüllen können. Wenn es dann eine Lösung gibt – wie zum Beispiel gegen Spam – dann ist so ein System einfach zu teuer, wenn man es gleich für 14 Millionen Postfächer lizenzieren will. Dann müssen wir auch von Hand programmieren.

ZDNet:Wie wird das neue Spam-System denn arbeiten und wann wird es eingeführt?

Weiß: Bisher haben wir ein recht starres System. Sie können mit White- und Blacklisten-Arbeiten, also bestimmte Server einfach abblocken, wenn von dort zu viel Spam kam oder Sie können IP-Adressen für eine Zeit blocken. Das neue System ist lernfähig und analysiert zum Beispiel den Text der Nachricht. Jeder Kunde hat dann die Möglichkeit zu entscheiden, ob eine Nachricht Spam ist oder nicht. Nach und nach wird die Software dann besser in ihrer Erkennung und passt sich den Bedürfnissen der User an.

ZDNet: Wann kommt das neue Spam-System?

Weiß: Das neue System wird im Mai zunächst bei GMX eingeführt. Die User haben dann in der Web-Oberfläche die Möglichkeit, Nachrichten als Spam zu markieren oder Nachrichten aus dem Spam-Ordner zurück in den normalen Posteingang zu schieben. Diese Funktionalität wird auch beim Zugriff per Imap möglich sein. Später im Jahr wollen wir das neue System auch bei 1&1 einführen. Hier wird der Kunde entscheiden können, ob wir die von uns als Spam erkannten Mails sofort löschen oder in eine andere Pop3-Box verschieben sollen.

ZDNet: In den neuen Hosting-Paketen soll es auch ein neues Statistik-Tool geben, um die Zugriffe auf die eigene Website auszuwerten. Was sind die Vorzüge der neuen Software?

Weiß: Die neue Software wird die Zugriffe in Echtzeit auswerten. Gegen Aufpreis erhalten die Kunden dann die Möglichkeit, jederzeit zu sehen, wie viele Zugriffe auf die eigene Site erfolgen und welchen Weg die User durch die Site gehen. In der Basis-Version, die wir ab den Star-Paketen anbieten werden, ist die Auswertung nicht in Echtzeit.

ZDNet: Wenn der Kunde in Echtzeit sehen soll, wie viele Zugriffe sein System verzeichnet, müssen ja enorme Datenmengen verarbeitet werden. Wie lösen sie dieses Problem?

Weiß: Die Zugriffe werden nicht mehr auf den Webserver in eine Datei geschrieben, sondern direkt in ein Cluster-System übertragen, dass eine Auswertungen automatisch durchführt. Wenn der Kunde dann seine Zugriffe auswerten möchte, sind einige Daten schon berechnet und müssen nur noch abgerufen werden. Auch hier finden wir auf dem Markt kein passendes System. Unsere Server verzeichnen rund 25 Milliarden Zugriffe pro Monat und das sind sehr große Dimensionen, die nicht oft auftreten.

ZDNet: Ihre bisher intern genutztes Newsletter-Software soll in Kürze auch den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Welche Funktionen wird der Kunde nutzen können?

Weiß: Wir haben beobachtet, dass viele Kunden auf ihrer Präsenz ein Perl-Script installiert haben, um Newsletter zu verschicken. Unser System macht den Versand deutlich einfacher, da zum Beispiel nicht mehr vorhandene Mailadressen automatisch gelöscht werden. Zusätzlich wird der User die Möglichkeit bekommen, die Links im Newsletter zu tracken, so dass er sehen kann, wie viel Leser auf einen Link geklickt haben.

ZDNet: Was ist auf der technischen Seite in 2003 noch geplant?

Weiß: Wir werden Mitte des Jahres ein neues Mailsystem in Betrieb nehmen. Wir arbeiten seit rund 18 Monaten an einer Lösung, bei der die Server untereinander mit Corba kommunizieren und hierfür nicht mehr das bisher genutzte – aber sehr ineffektive – SMTP-Protokoll benutzen. Das neue System kann so bedeutend besser erweitert werden. Vorteil für den Kunden: Das Mailsystem wird besser verfügbar sein und schneller arbeiten. Vorteil für uns: Da viel automatisiert wurde, genügt ein Techniker, um das gesamte Mailsystem zu administrieren.

ZDNet: Die neuen Techniken wie Tinc und die Log-File-Auswertung wird wahrscheinlich nicht den Rootserver-Kunden zur Verfügung gestellt. Wie sieht es mit den Exklusiv-Server-Nutzern aus?

Weiß: Die Exklusiv-Server werden diese Features komplett nutzen können. Allerdings werden wir ab 1. April die Monatspreise um 20 Euro anheben. Bei bestehenden Kundenverträgen wird der Preis nicht angehoben und sie bekommen trotzdem die neuen Dienste. Bei den Root-Servern erhöhen wir den Freitraffic. Je nach Monatspreis erhalten die Kunden 75, 100 oder 150 GByte pro Monat kostenlos. Den Root-Servern können wir diese neuen Features nicht zur Verfügung stellen, da wir keinen Root-Zugang zum System haben.

Kontakt: 1&1, Tel.: 02606/96-0 (günstigsten Tarif anzeigen)

ZDNet.de Redaktion

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