Jammern, fordern, blockieren

„Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun wird, sondern fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt.“ Diesen Satz von John F. Kennedy sollte man Bitkom-Lobbyisten Volker Jung mehrmals vorlesen. Seit Jahren tut sich der Verband vor allem dadurch hervor, die Regierung zu beschimpfen und im gleichen Atemzug Subventionen von ihr zu verlangen.

In diesem Sinn hat Jung auch auf der CeBIT angekündigt, dass die Branche mindestens 10.000 Mitarbeiter entlassen werde, im Gegenzug aber E-Government-Aufträge haben möchte. Außerdem sei es die Aufgabe von Papa Staat mehr PCs für die Schulen kaufen und das Gesundheitswesen für viel Geld mit IT aufzurüsten. Leere Kassen sind für ihn kein Argument. „Wenn wir über Finanzierungsengpässe im öffentlichen Bereiche reden, sollten wir zuallererst über Möglichkeiten der Effizienzsteigerung nachdenken, und nicht über Nullrunden und schon gar nicht über Steuererhöhungen“, so der Bitkom-Präsident.

Ansonsten findet er, dass arme Schlucker sowieso nichts zu sagen haben: „Die öffentliche Hand hat kein Geld, und mischt sich trotzdem in Dinge ein, von denen sie nichts versteht“, erklärt er und fordert, „einfach weniger Staat“.

Ach ja, es gibt doch etwas, das Jung bereit ist, für das Land, ja für Europa und den Umweltschutz zu tun. Die Branche werde die europäische Rücknahmerichtlinie umsetzen – vorausgesetzt, die Kommunen übernehmen das Einsammeln der Geräte. Mehr Belastung, so meint er, sei seinen Verbandsmitgliedern beim besten Willen nicht zuzumuten.

Wie anders Verbandsarbeit aussehen kann, war nur wenige Minuten später beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) zu erleben. Verblüfft erfährt man dort, dass Deutschland mitnichten überall das Schlusslicht abgibt – vielmehr bei der Innovationskraft sogar weltweit die Nummer eins ist. Und auch bei der Qualität der lokalen Zulieferer liegt Deutschlands Wirtschaft vorn, zitiert VDI-Präsident Hubertus Christ den „Global Competitiveness Report“ des World Economic Forums. Darüber hinaus betont er die führende Rolle Deutschlands bei optischen Systemen, der Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie. Diesen Vorsprung gelte es auszubauen. Bei der Schaffung der dafür nötigen Rahmenbedingungen wolle der Verband die Regierung beraten.

Politiker beraten, vor allem hinter geschlossenen Türen – dieses Konzept stellt der VDI den schlagzeilenträchtigen Entlassungsankündigungen der Bitkom entgegen. Während Lobbyist Jung 10.000 Kündigungen als unausweichlich darstellt, besteht Christ darauf, dass der Wirtschaft nach wie vor rund 20.000 Ingenieure fehlen, auch wenn die Nachfrage angesichts der Wirtschaftslage etwas zurückgegangen sei. Entlassungswellen und deren Androhung zeichnen ein falsches Bild, wirft Christ den Unternehmen der IT-Branche vor. Zudem seien solche Maßnahmen gefährlich, weil damit junge Leute vom Informatik-Studium abgeschreckt würden, obwohl der Bedarf nach Informatikern dramatisch ansteigen werde, sobald die Wirtschaft wieder anspringt.

Anders als die IT-Lobbyisten geht der Ingenieurverband die seine Probleme selbst an. Um den eigenen Berufsstand zu sichern, wirbt der VDI schon bei Kids für den Berufsstand, hilft den Schulen Technik positiver erlebbar zu machen und spricht mit Politikern darüber, wie die Auswanderung von Fachleuten verhindert werden kann.

Kurz: Wo Bitkom jammert, fordert, und blockiert, lobt der VDI, zeigt Chancen auf und berät sachlich. Kennedy hatte Recht. Voran geht es nur, wenn die Interessensgruppen weniger danach fragen, was das Land für sie tut, als was sie für das Land und damit für sich tun können.

ZDNet.de Redaktion

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