Diese Zwickmühle in Sachen Schulungen ist dabei nicht auf Unternehmen beschränkt, die in J2EE-basierte Systeme investiert haben. Jedes Unternehmen, mit dem ich in den letzten zwei Wochen Kontakt hatte, hatte auch Schulungen für .NET aufgeschoben oder gestrichen. Dabei betonten alle, es liege nicht daran, dass sie keine .NET-Systeme entwickelten. Ganz im Gegenteil – wegen ihrer umfangreichen Investitionen in Microsoft-Technologie hatten alle Pläne für die Entwicklung und Implementierung eines gemeinsamen Sets von Tools, Musterbeispielen und Standards, mit deren Hilfe zuerst Pilotprojekte durchgeführt werden sollten, um dann zur Umsetzung umfangreicherer .NET-basierter Systeme fortzuschreiten. Aber diese Pläne wurden immer wieder aus wirtschaftlichen Gründen hinausgeschoben, so dass bei den meisten inzwischen für die Planungsperiode der Sommer 2003 angesetzt ist, während erste Pilotprojekte für den Herbst erwartet werden. Damit wird es wohl 2004, ehe man in größerem Umfang mit .NET-Systemen rechnen kann.
Bei diesem Zeithorizont sind die Unternehmen natürlich zögerlich, ihre Entwickler schon auf der .NET-Plattform zu schulen. Die meisten sind der Überzeugung, dass ihre Entwickler das Gelernte auch sofort umsetzen wollen, wenn man sie schult. Und da man ihnen hierzu im Moment keine Möglichkeit bieten kann, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Entwickler sich nach anderen Unternehmen umsehen, wo sie ihre neuen Kenntnisse sofort anwenden können. Genau darin besteht die Ironie: Diese führenden Entwickler sind sich darüber im Klaren, dass ein Entwickler nicht mehr die alten Tools einsetzen wollen wird, sobald er erst einmal die .NET-Plattform kennen gelernt hat und deren großes Produktivitätspotenzial für die Entwicklung von Windows- und Web-Anwendungen erkennt. Da das Management jedoch die Finanzierung für alle neuen Projekte gekappt hat, zwingt man die Entwicklerteams dazu, ältere und weniger effiziente Tools zur Pflege der vorhandenen Systeme zu verwenden.
Der Weg aus der Sackgasse
Wie also sollten Führungskräfte in diesen Unternehmen oder Mitarbeiter in ähnlicher Situation darauf reagieren? Zuallererst müssen CIOs erkennen, dass das Schulen von technischen Mitarbeitern ein entscheidendes Element ist, um diese Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Wenn diese technischen Mitarbeiter das Gefühl haben, ihr Know-how nicht innerhalb der Firma erweitern zu können, werden sie dies selbstständig tun und sich dann nach einem Job umsehen, wo sie ihr Wissen auch einsetzen können.
Wer Angst hat, dass die eigenen Investitionen in Schulungen vergeblich sein könnten, sollte Mitarbeiter, die an Schulungen teilnehmen, eine Erklärung unterzeichnen lassen, dass sie die Schulungskosten erstatten müssen, falls sie die Firma innerhalb eines Jahres oder innerhalb von 18 Monaten verlassen. Dann kann man im Fall, dass ein Mitarbeiter kündigt, zumindest das Geld verwenden, um jemand anderen zu schulen. Zweitens werden die Unternehmen, die 2004 und 2005 Gewinne machen, diejenigen sein, die am Ende der Rezession über eine Infrastruktur verfügen, die technisch und personell für neue Geschäftsgelegenheiten gewappnet ist.
Wer seine Systeme immer weiter zusammenstutzt oder die Verwaltung externen Beratungsunternehmen überlässt, wird nicht schnell genug auf die steigende Nachfrage nach seinen Diensten reagieren können. Sie sollten deshalb eines sicherstellen: Ihre wichtigsten Entwickler und Manager müssen wissen, dass Sie um die Finanzierung für jedes neue Projekt kämpfen werden, solange sie nur nachzuweisen, wie die neue Technologie Geld sparen kann oder sich zumindest in kurzer Zeit amortisiert und dem Unternehmen langfristig steigende Gewinne verspricht.
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