Im Mai vor einem Jahr wurde die Übernahme von Compaq durch Hewlett-Packard (Börse Frankfurt: HPC) gegen heftigste Widerstände von fast allen Seiten vollzogen. Zeit für eine erste Bilanz:
Nach den Prognosen aus Zeiten der Übernahmeverhandlungen wäre zu erwarten gewesen,
Tatsächlich hat Capellas New HP bereits Ende vergangenen Jahres verlassen – mit einer fürstlichen Abfindung -, und leitet jetzt den maroden Telekommunikations-Konzern MCI Worldcom. Fiorina dagegen hat ihre Position als Konzernchefin gefestigt.
Recht hatten die Kritiker auch mit der Prognose, dass HP/Compaq die Marktführerschaft im PC-Geschäft verlieren würde. Allerdings hat es bis zum Weihnachtsgeschäft Ende 2002 gedauert, bis Dell (Börse Frankfurt: DLC) sich die Führungsrolle zurückerobern konnte. Es war auch richtig, nach dem Wert der Markführerschaft in einem Massengeschäft ohne Margen zu fragen. Eine Frage, die sich trotz ausgefeiltester Internet-Logistik und Direktvertrieb auf Dauer auch Dell wird stellen müssen. Doch die Diskussion des mörderischen PC-Wettbewerbs hat schon damals von den eigentlichen Argumenten abgelenkt.
Die immer noch gültigen Lehren des Internet-Booms lauten, dass in einem globalen Markt Größe eine unerlässliche Voraussetzung für Erfolg ist, und dass sich die Rechenleistung zunehmend vom Client-PC auf die Server im weltweiten Netz verlagern. Und beim Server-Geschäft ist HP Weltmarktführer, auch mit Hilfe der Compaq-Erwerbungen Digital Equipment und Tandem.
HP ist aber nicht nur im Server-Geschäft führend. Generell erwirtschaftet in der weltweiten Computerbranche nur die IBM mehr Umsatz; in Europa jedoch ist New HP die Nummer eins. Derartige Marktmacht stärkt den Konzern gegenüber Lieferanten und gibt den Kunden Investitionssicherheit. Als Carly Fiorina vor über einem Jahr mit diesen Argument vor die Analysten trat, stieß sie an eine psychologische Mauer. Zu sehr hatten sich die professionellen Marktbeobachter dabei die Finger verbrannt, als sie die Megamergers der 90er Jahre bejubelten und den Internet-Startups dazu rieten, um jeden Preis Marktanteile zu ergattern. Dabei übersahen sie offensichtlich, dass sie es bei HP und Compaq mit Firmen zu tun hatten, die beide seit Jahrzehnten in ihrer Branche fest verankert waren, beide über eine weltweite Kundenbasis verfügen, eine funktionierende Logistik, reale Werte wie Gebäude, Maschinen und Patente besaßen und sich vor allem auf erfahrene Mitarbeiter verlassen konnten.
Beide Firmen waren im Kern gesund und ihre Chefs bereit, harte Sparmaßnahmen rasch umzusetzen. Von Anfang an hat zudem Fiorina dem Juniorpartner Capellas klar gemacht, wer das Sagen hat. So ließen sich in wenigen Monaten die Produktlinien verschlanken, massiver Stellenabbau durchsetzen, Betriebsstätten zusammenlegen und günstige Verträge mit den Lieferanten aushandeln. Firmenangaben zufolge liegen die Einsparungen heute bei drei Milliarden Dollar bis 2004, statt – wie ursprünglich geplant – bei 2,5 Milliarden Dollar.
Auch die Gewinne der ersten drei gemeinsamen Quartale sprechen eine eindeutige Sprache. Das entschlossene Vorgehen hat für Klarheit bei den Kunden gesorgt, so dass sie wenig Anlass für einen Wechsel sahen – insbesondere in Europa gingen kaum die Markanteile an den Mitbewerb verloren. Die neue Entschlossenheit wirkt sich auf die Firmenkultur aus. So reagierte das Management auf die schleppenden Absätze im Bereich Enterprise-Server sofort mit Umstrukturierungen.
Auch technologisch wurde keine Zeit verloren. Die Entwicklerteams von Compaq und HP arbeiten heute zusammen. Unüberwindliche Architekturgrenzen gibt es kaum. Beide Firmen haben Erfahrungen bei Dienstleistungen für Web-Services-Infrastrukturen, wobei die Compaq-Mitarbeiter vor Allem Erfahrungen für Microsofts Dotnet-Techniken einbringen können. Im Rechenzentrums-Bereich beispielsweise konkurriert HPs Utility Data Center (UDC) gegen das N1-Konzept von Sun und IBMs Aktivitäten für Autonomic Computing.
Schließlich scheinen der Outsourcing-Vertrag mit Procter & Gamble sowie Vorverträge mit Ericsson und der Bank of Ireland zu belegen, dass sich New HP sogar im Service-Bereich überraschend gut etabliert hat. Solche aufgrund der hohen Summen werbewirksamen Verträge sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Unternehmen, die unbedingt ihre Dienstleistungskompetenz beweisen wollen, achten nicht immer so genau darauf, ob sich der Deal auch rechnet. Aber auch hier hilft schiere Größe. In einem IT-Weltkonzern finden sich Fachleute für alles.
Die im Wesentlichen positive Bilanz des ersten Jahres von New HP zeigt, dass sich Größe rechnen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört auch die momentane Branchenkrise, die viel dazu beiträgt, dass harte Maßnahmen durchsetzbar sind. Sie bedeutet aber auch, dass man neben den internen Problemen auch noch externe schultern muss. Ohne zahlungskräftige Kunden kann auch der größte Konzern nicht bestehen.
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