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„Der Linux-Markt ist erst im Entstehen“

ZDNet: Herr Schlabschi, hat Sun zu lange auf Solaris und Sparc gesetzt und den Linux-Markt übersehen. Genau das wirft Ihnen ja eine neue Studie der Meta-Group vor: In der vergangenen Woche hieß es in einem Report namens „Sun is the next Digital unless…“, das Unternehmen habe Intel-Chips und Linux-Software zugunsten von Solaris-Betriebssystem und passenden Sparc-Prozessoren vernachlässigt.

Schlabschi: Wir setzen auf Sparc und Solaris als Ergänzung zum x86-Angebot. Wir sehen es also genau andersherum: Das ist ein 30 Milliarden Dollar Markt, und den wollen wir mit standardisierten Linux, standardisierten Solaris, x86 und ein paar starken Partnerschaften adressieren. Gerade heute zum Beispiel haben wir ein neues Announcement mit Oracle zusammen.

ZDNet: …was wenig überraschend ist.

Schlabschi: Na ja, wir haben uns lange mit Oracle über den den x86-Markt unterhalten und wollen ihn nun gemeinsam angehen. Wir verfügen über eine lange Tradition und eine gut installierte Basis, da erhoffen wir uns sehr gute Synergie-Effekte.

ZDNet: Aber die Frage war eigentlich, ob Sie zu lange auf Solaris und Sparc gesetzt und den Linux-Markt übersehen haben.

Schlabschi: Nein, überhaupt nicht. Der Markt für Linux ist ja erst im Entstehen. Ich hab neulich unter ‚linux.org‘ nachgesehen, es gibt etwa 180 verschiedene Distributionen. Das erinnert mich stark an den Unix-Markt in seiner Frühzeit. United Linux zum Beispiel erinnert stark an OSF (Open Software Foundation). Was der Markt noch vor sich hat ist ein ‚major shakeout‘. Das muss sich also noch konsolidieren. In diesem Markt muss man sich positionieren. Dass wir zu lange gewartet haben, kann man nicht sagen. Unsere Sun One-Software beispielsweise existiert schon länger, genau wie andere wesentliche Software-Pakete für Linux. Vor gut einem Jahr haben wir mit der Arbeit daran begonnen.

ZDNet: Vor einem Jahr! Wie lange gibt es Linux jetzt schon? Was haben Sie die letzten fünf Jahre gemacht?

Schlabschi: In den letzten Jahren hatten wir Star Office in den Markt gebracht, 1999 haben wir Solaris weitstgehend Linux-kompatibel gemcht, also lange vor IBM oder andere Wettbewerber.

ZDNet: Ähnliches hat uns bereits Sun-Deutschland-Chef Helmut Wilke zur CeBIT erzählt, aber Entschuldigung: Sie hängen zum Beispiel hinter HP oder IBM deutlich hinterher.

Schlabschi: Wieso?

ZDNet: Im IBM-Forschungszentrum in Böblingen sieht man seit Jahren kaum etwas anderes als Pinguine.

Schlabschi: Man muss unterscheiden zwischen Marketing und Realität. IBM positioniert sich als Service Provider, betreiben Rechenzentrums-Outsourcing und so weiter, da ist es einfach das Thema Linux zu besetzen. Wir dagegen treten als Service- und Produkt-Lieferant auf. Wir müssen uns also länger Gedanken machen, wie ein Produkt aussehen soll, das zusammen mit Services im Feld bestehen kann. Linux ist fester Bestandteil unserer N1-Technologie zur Rechenzentrumsadministration und so was muss ausgearbeitet werden. Wie gehen vom Produkt-fokussierten Standpunkt aus und sehen, welche Services adäquat sind. IBM macht es ja genau andersherum.

ZDNet: Nichts desto weniger hat die Meta Group erst letzte Woche den Kopf von Scott McNealy gefordert, weil er den Linux-Markt verschlafen hat.

Schlabschi: Ich weiß nicht, was die Meta Group zu so einer Verzweiflungstat treibt. Das ist weit außerhalb der üblichen geschäftlichen Gepflogenheiten, das ist eine emotionale Äußerung und hat nichts im Geschäftsleben zu suchen.

ZDNet: Wollen wir nochmals auf die Linux-Strategie von Sun näher eingehen. Haben vor einigen Monaten eigenes Server-Linux aufgegeben.

Schlabschi: Aufgegeben?

ZDNet: Ja, den macht ihr nicht mehr.

Schlabschi: Ja gut, dass ist ein normales Produkt-Ende. Sun Linux wird aber noch weiterhin geserviced. Und heute haben wir erst ein Announcement mit Red Hat herausgegeben. Wir haben also zwei Betriebssysteme, auf die wir setzen: Red Hat Linux und Solaris.

ZDNet: Ist Suse damit aus dem Rennen?

Schlabschi: Wie unterstützen Suse Linux weiterhin, aber die Verlautbarung wurde zusammen mit Red Hat gemacht.

ZDNet: Sie fahren aber noch auf einem zweiten Gleis: Mit Mad Hatter wollen Sie in den kommenden Wochen eine Linux-Version für den Desktop auf den Markt bringen. Wie wollen Sie damit Geld verdienen?

Schlabschi: Kennen Sie ein besseres Geschäftsmodell als eine Alternative zu Microsoft auf dem Desktop anzubieten? Wir verfügen bereits über Star Office, benötigen aber noch den restlichen Desktop für eine komplette Alternative zu Microsofts Office-Umgebung. Genau das ist aber die Frage: Wie lösen wir die Verbindung von Client und Server über Exchange auf? Da braucht man Technologien. Wir brauchen standardkonforme Protokolle wie Orion oder Oracle-Backends. Da denken viele Leute drüber nach.

ZDNet: Sie adressieren also Unternehmen und nicht den End-Konsumenten.?

Schlabschi: Unternehmen haben einen hohen Kostendruck, den kann man mit Linux-Produkten adressieren. Wir denken an Behörden, Mittelständler und große Firmen — die brauchen das. Wen ich mich umhöre, der Ruf nach einer Alternative ist nicht zu überhören. Letzen Endes sehen wir an Mad Hatter oder der Oracle-Kooperation, dass wir einem geschlossenen Block gegenüberstehen, der eine proprietäre Softwareumgebung entwickelt. Da müssen wir Alternativen anbieten.

ZDNet: Wenn Sie einem geschlossenen Block gegenüberstehen, wäre es dann nicht sinnvoll, die Reihen ebenfalls zu schließen. Zum Beispiel, indem man statt Red Hat die United Linux-Allianz unterstützt?

Schlabschi: Es gibt ja verschiedenste Ansätze für Linux. Wettbewerb braucht viele Wettbewerber. Auf der einen Seite will man den Wettbewerb, auf der anderen Seite Geschlossenheit — ersteres schließt aber eine Differenzierung mit ein. Der Markt wird sich also noch ausdifferenzieren. Wir glauben an den offenen Wettbewerb, der durch offene Standards geregelt werden muss.

ZDNet.de Redaktion

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