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Peoplesoft: „Der Middleware-Markt ist tot“

Ob der Leadership Summit 2003 des Softwareanbieters Peoplesoft unter einem guten Stern stand, wird die Zukunft zeigen. Eigentlich wollte der Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware auf seiner mehrtätigen Roadshow durch Europa nur über seine Strategien und Produkte im Bereiche Realtime Enterprise informieren. Doch zu Beginn der vergangenen Woche platzten die Pläne zur Übernahme des Mitbewerbers J.D. Edwards dazwischen (ZDNet berichtete). Und kurz vor dem Pfingstwochenende setzte dann auch noch Oracle-Chef Larry Ellison eins drauf — nach der Devise „es gibt immer noch einen größeren Fisch“: für 5,1 Milliarden Dollar in bar wolle man Peoplesoft übernehmen, verlautete es aus San Mateo, Kalifornien. Auch an J.D. Edwards sei Oracle interessiert, müsse das Kaufangebot nach vollzogener Übernahmen von Peoplesoft allerdings erst prüfen.

„Das ist eine Zirkusnummer, um Peoplesoft zu schaden und die geplante Übernahme von J.D. Edwards zu verhindern“, sagte Craig Conway, CEO von Peoplesoft, gegenüber der Wirtschaftszeitung „Euro am Sonntag“. Auch Bob Dutkowsky, CEO von J.D. Edwards, ist an einer Übernahme durch Oracle nicht interessiert. Peoplesoft und J. D. Edwards weisen das Übernahmeangebot bislang jedenfalls scharf zurück. Das Peoplesoft-Mangement wolle sich erst intern beraten, bevor es den Aktionären eine Empfehlung ausspricht, heißt es in einem offiziellen Statement.

Von dem brisanten Umfeld war Peoplesoft-Boss Conway auf dem Frankfurter Event wenig anzumerken. In seiner Keynote-Ansprache stellte er die Ausrichtung seiner Company vor: Realtime Enterprise (RTE) ist demzufolge das Zukunftsthema der Softwerker aus dem kalifornischen Pleasanton. „Unternehmen stehen vor einer Reihe wirtschaftlicher und technologischer Herausforderungen“, sagte er. Es gelte Prozesse zu beschleunigen, und Kosten zu senken. Zudem müssten Produkte künftig schneller auf den Markt gebracht werden (time to market). Der Schlüssel, um diese Ziele zu realisieren ist laut Conway Realtime-Business. Dadurch können Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten auf für sie relevante Daten in Echtzeit und direkt zugreifen.

Die wesentlichen Nutzenpotentiale von RTE beschreibt der Peoplesoft-Manager wie folgt: Kunden kommunizieren ohne Umwege und Medienbrüche mit Herstellern, geben selber Aufträge ein, überprüfen die Verfügbarkeit, verfolgen Lieferungen, zahlen ihre Rechnungen online und senden Anfragen an den Kundendienst. Das binde zum einen weniger Mitarbeiter bei den Unternehmen und erlaube es Kunden zum anderen, direkten Einfluss zu nehmen und rasch Informationen zu erhalten. Von der Echtzeitintegration profitierten jedoch auch Lieferanten, wie Conway erklärte, etwa durch mehr Transparenz über Nachfragen und Status von Lagerbeständen. Nicht zu verachten seien zudem die Potenziale, die sich aus Realtime-Funktionen für die Mitarbeiter des RTE ergeben, erklärt der Manager weiter: „Stets aktuelle Personaldaten wie Informationen über Geschäftsreisen und geplante Seminare oder auch der Ausbildungsstand erhöhen die Produktivität von Personalabteilungen.“

Laut Conway müssen Unternehmensanwendungen fünf Kriterien erfüllen, um Realtime-Prozesse unterstützen zu können — klar, dass Peoplesoft diese Liste erfüllt: Die Technik muss zu 100 Prozent Internet-fähig sein, um jedem möglichen User einen Zugriff unabhängig von seinen Standort zu ermöglichen. Ferner ist es notwendig, dass die technische Basis der Applikationen überhaupt Echtzeitprozesse ermöglicht — Batch-Verarbeitung ist wenn möglich zu vermeiden. Da Unternehmen in den seltensten Fällen Anwendungen eines Herstellers einsetzten, sei es zudem wichtig, dass die Software über eine ausgereifte Integrationstechnik verfügt. Hier wagte Conway einen Blick in die Kristallkugel: „Anbieter von Unternehmenssoftware müssen eine Enterprise Application Infrastructure bieten“, konstatierte er. Diese umfasse neben den Softwarekomponenten, die die fachlichen Prozesse abdeckten, in zunehmendem Maße auch Integrationstechniken.

Aus Sicht von Conway bedeutet das „den Anfang vom Ende von Integrations-Middleware“. „Wir selbst übernehmen die Verantwortung dafür, dass unsere Applikationen beispielsweise mit SAP oder Oracle kommunizieren können und liefern im nächsten Release entsprechende Tools dazu mit aus.“ Peoplesofts hauseigene Integrations-Plattform heißt „App Connect“, die im Gegensatz zu SAPs „Netweaver“ bereits verfügbar und erprobt sei. Eingebaute Analysefunktionen (Business Intelligence) etwa für das Performance Management und integrierte Content-Management-Bausteine runden laut Conway die Bestandteile einer Realtime-fähigen Anwendungs-Suite ab.

Trotz des umfassenden Portfolios, positioniert Conway seine Company als Anbieter von Best-of-breed-Lösungen. Dafür spreche einerseits die mitgelieferten Integrations-Tools sowie andererseits, Anwendern ein hohes Maß an Unabhängig bieten zu wollen, etwa bei der Auswahl der technischen Plattformen. So sollen bis Ende des Jahres alle vier Architekturschichten der Peoplesoft-Anwendungen — Client, Web-Server, Application-Server und Datenbank — unter Linux verfügbar sein. Daneben unterstütze Peoplesoft alle namhaften Datenbank, ganz im Gegensatz zu Mitbewerbern wie Oracle oder Microsoft, deren Anwendungslösungen lediglich auf den hauseigenen Techniken verfügbar seien. Hier ließ sich Conway einen Seitenhieb geben Microsoft .Net-Technologie nicht nehmen. „Wer braucht schon eine Entwicklungsplattform, um damit letztendlich Enterprise-Anwendungen für den PC zu bauen?“

Conway sieht Peoplesoft in der Kombination mit J.D. Edwards für die Zukunft gut aufgestellt, das machte er in Frankfurt deutlich: Das fusionierte Unternehmen liefere die umfangreichsten Lösungen für die meisten Märkte und Branchen. Er skizzierte eine Konzentration des neuen Gesamtunternehmens auf drei Kernbereiche: den I-Series-Markt (AS/400), den Mittelstand sowie Großunternehmen.

Peoplesoft und IBM bieten Unternehmen des gehobenen Mittelstands ein Komplettpaket bestehend aus Hardware, Software, Service und Wartung. Das Angebot ist modular aufgebaut, vollständig Web-fähig und soll sich binnen acht Woche implementieren lassen, wie Peoplesoft mitteilt. Im Rahmen der Kooperation steuert Peoplesoft die Software bei, die auf der Suite „Human Capital Management“ (HCM) basiert, und für die Anforderungen des deutschen Marktes vorkonfiguriert ist. Big Blue liefert auf Wunsch Implementierungsservices, Hardware sowie den Betrieb und die Finanzierung der Lösung.

Die HCM-Suite umfasst unter anderem Module für die Personal- und Stellenverwaltung, Personalentwicklung und –abrechnung sowie Self-Service-Prozesse. Das Angebot ist brachenneutral.

ZDNet.de Redaktion

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