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Semantic Web: Eine Vision sucht ihren Markt

Eine Idee des Web-Miterfinders Tim Berners-Lee geistert seit 1998 durch das Netz und die Universitäten. „Das Web“, so raunt er viel versprechend aber vage, „wird sein volles Potenzial erst dann ausschöpfen, wenn es zu einer Umgebung wird, in der Daten nicht nur von Menschen, sondern auch von automatischen Werkzeugen getauscht und verarbeitet werden können.“ Seine Utopie hat inzwischen einen Namen: Das semantische Web. Der Hype-Begriff suggeriert, dass künftig Maschinen die Bedeutung (Semantik) von Informationen im Web „verstehen“ sollen. Themenbereiche werden großspurig in Ontologien (philosophisch: Lehren vom Sein hinter den Erscheinungen) zusammengefasst. Hier werden Science-Fiction-Assoziationen von Künstlicher Intelligenz heraufbeschworen, Visionen von einem Internet, das die Welt nicht nur begrifflich abbildet, sondern darüber hinaus auch noch versteht.

Techniker fasziniert zudem, dass das semantische Web auf bekannten Techniken beruht. In dem Aufsatz „Das semantische Web hebt ab“ schreiben Berners-Lee und Eric Miller, dass es sich um eine Erweiterung des gegenwärtigen Webs handelt, „in dem Informationen eine klar definierte Bedeutung zugewiesen wird, um so die Zusammenarbeit zwischen Computern und Menschen zu verbessern.“ So beruht die Technik zum einen auf der Fähigkeit von XML, Inhalte mit Tags zu strukturieren, und zum anderen auf den URLs genannten Web-Adressen. Letztere werden von den ganz ähnlich funktionierenden Unified Resource Identifiers (URIs) ergänzt, die statt dem Ort einer Information ihre Bedeutung ermitteln.

Berners-Lee und seine Mitstreiter haben mit dieser Terminologie inzwischen weltweit die Phantasie vieler Entwickler entfacht. Einige träumen davon, das gesamte Web mit URIs zu indizieren. Das Konzept dafür ist mit Resource Description Framwork (RDF) bereits geschaffen. Es definiert ähnlich wie Bibliothekssystematiken die Vorgehensweise bei der Verschlagwortung, mit der eine Metaebene über dien Inhalte gelegt wird. Gefüllt wird diese Ebene mit Schlagworte, die von Fachleuten gewählte werden. Dabei werden auch Ontologien definiert, sprich: es werden eindeutige Definitionen aller zum Fachgebiet gehörenden Begriffe festgelegt. Schon an dieser Stelle wird klar, wie utopisch die Hoffnung auf die Verschlagwortung des gesamten Web ist. Unternehmen mögen sich noch mit ihren Partnern auf eindeutigen Definitionen festlegen können, und aus kommerziellem Interesse zudem bereit sein, diese zu pflegen. Doch wer wollte eindeutig definieren, was Freiheit ist, Gerechtigkeit oder Schönheit. Selbst bei Alltagsgegenständen wie Sitzmöbeln dürfte man in Japan, Algerien, Italien und den USA auf unterschiedliche Vorstellungen stoßen. Kurz: Der Einsatz von semantischen Webs dürfte sich weit gehend auf geschlossene Benutzergruppen beschränken – zumal sich der Aufwand für das gesamte Web vermutlich nicht lohnt.

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ZDNet.de Redaktion

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