Soweit ich weiß, geht die erste Aufzeichnung solcher Überlegungen auf das Jahr 1929 zurück, als Frigyes Karinthy in Budapest eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Ketten“ schrieb, in der er die These aufstellte, dass 1.000.000.000 Personen nur durch fünf Schritte getrennt seien. Er war kein Mathematiker, Wissenschafter oder Ingenieur, sondern Dichter und Schriftsteller, weshalb unklar bleibt, wie er auf die Zahl 5 kam. Erst viel später, 1967, führte schließlich der Soziologe Stanley Milgram anhand des Versands von Postkarten die ersten dokumentierten Versuche zur Frage der sozialen Vernetzung durch, am Beispiel der US-amerikanischen Bevölkerung. Angesichts des wenig präzisen Konzepts dieses Experiments und der Unpünktlichkeit seiner Teilnehmer ist es ganz erstaunlich, dass Milgram einen Durchschnittswert von 5,5 ermittelte. Durch Aufrundung entstand so das Rätsel der sechs Schritte.
In neuerer Zeit wurde dieser scheinbar allgemein gültige niedrige Trennungsgrad durch Computersimulationen, mathematische Studien und Internet-Experimente weiter bestätigt. Die aufschlussreichste Entdeckung war jedoch die des Superknotens. Es scheint nämlich, dass nur sehr wenige Netzwerke gleichmäßige oder homogene Strukturen aufweisen. Es finden nahezu immer Zusammenballungen an einer kleinen Anzahl von Superknoten statt.
In unserem Alltagsleben könnte dies ein Manager sein, der das gesamte ihm unterstehende Unternehmen umspannt und somit Tausende von Personen überbrückt, oder es könnte sich um einen Internet Service Provider handeln, der eine direkte Verbindung zu einem internationalen Hub für die Vernetzung aller weltweiten Großstädte unterhält. In diesen Fällen liegt der Trennungsgrad bei vier. Wenn man jedoch den Vorgesetzten des genannten Managers oder einen zusätzlichen ISP-Knoten einbezieht, erhöht sich diese Zahl rasch auf sechs.
An dieser Stelle wird es aber erst richtig spannend! Es zeigt sich nämlich, dass solche auf Superknoten basierenden Netzwerke enorm widerstandsfähig sind. Denn sollte ein Knoten oder Superknoten ausfallen oder beschädigt werden, findet eine hochgradig effiziente Umleitung statt. In den meisten Fällen hat ein solcher Ausfall nur wenige oder gar keine Auswirkungen auf den Grad der Trennung. Darin besteht der Hauptgrund, weshalb Internet-Ausfälle, Hirnschäden oder biologische Fehlfunktionen häufig behoben werden können. Dies erklärt auch, weshalb Unternehmen oft sehr erfolgreich sind, obwohl Teile von ihnen äußerst ineffizient arbeiten.
Eher indirekt habe ich all das oben Genannte mehr als ein Jahrzehnt lang selbst im Internet beobachtet. Üblicherweise lösche ich alle E-Mail-Empfänger, die mir gar nicht oder viel zu spät antworten. Ebenso verfahre ich mit Websites und Hyperlinks. Und siehe da: Es funktioniert wirklich! Dank weit über 1000 E-Mail-Adressen proaktiver Kontakte und noch mehr Websites, Referenzen und Dokumenten auf meinem Laptop bin ich nun im Vergleich zu vor 10 Jahren unglaublich effizient.
Bin ich nun also zu einem Superknoten geworden? Keine Ahnung. Abgesehen von der E-Mail-Flut in Reaktion auf diese Kolumne bearbeite ich noch immer nur ca. 50 E-Mails am Tag. Dafür verbinde ich Tausende von Menschen, die sich auf meiner Homepage informieren.
Das Traurige an der Sache ist, dass diejenigen Menschen, die einen Superknoten bilden könnten, dies jedoch nicht wollen, rasch isoliert und ausgestoßen werden, häufig ohne dies überhaupt zu bemerken. Ich glaube, dass im Internet 3 oder 4 ein sehr guter Wert ist, während global gesehen 5 oder 6 normal ist.
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