ZDNet: Das haben doch bereits die Anbieter von CRM- und ERP-Lösungen versprochen.
Martin: Verkauft haben sie es schon, aber nicht in den Produkten umgesetzt. Das ist erst jetzt der Fall, und die Kunden werden das erst im nächsten Jahr im großen Stil umsetzen. Richtig ist, dass Unternehmen seit längerem die Prozesse im Griff haben, die vom Unternehmen zum Kunden gehen, darauf sind die heutigen Workflows sowie ERP- und CRM-Systeme ausgelegt. So ist es heute Usus Marketing-Kampagnen zu fahren und Mailings aufzusetzen. Aber wehe der Kunde trägt einen Wunsch an das Unternehmen heran. Der Rückkanal vom Kunden zum Unternehmen ist nur in den wenigsten Fällen durchgängig gestaltet.
Um hier auf Ereignisse in angemessener Zeit reagieren zu können, braucht man Echtzeit sowie Ereignisorientierung und die Synchronisation der Prozesse die von außen nach innen gehen und von innen nach außen. Ein gutes Beispiel von Echtzeit im Bereich CRM ist die Service-Level-Differenzierung wie sie beispielsweise Bertelsmann realisiert hat.
ZDNet: Was bedeutet das konkret?
Martin: Zu dem Zeitpunkt, wenn der Kunde an das Unternehmen herantritt, stehen dem Call-Center-Agenten alle aktuellen Daten des Klienten zur Verfügung: Ist er ein guter Kunde, was hat er zuletzt gekauft, hat er pünktlich bezahlt etc. Der Kunde erhält dann einen Service, der seinem Status angepasst ist. In Echtzeit reagiert beispielsweise auch Lufthansa, die ihren Senatorkunden Zusatzdienste anbietet und Verspätungen per SMS verschickt.
Dr. Wolfgang Martin, Analyst S.A.R.L. Martin |
Eine relativ neue Sache sind Lauerkampagnen, um in Echtzeit auf Kunden zu reagieren. Dabei entwickelt ein Unternehmen eine handvoll möglicher Kampagnen, aber vermarktet sie nicht im großen Stil. Sie lauern auf der Website oder im Call-Center und erwachen zum Leben, wenn ein Kunde mit einem passenden Profil anruft. Lauerkampagnen bieten sich nicht nur für Cross-selling an, sondern es lassen sich auch Beschwerdefälle, bestimmte Kampagnen oder Muster bereithalten. Dahinter liegt dann ein enstprechender Workflow, der je nach Metriken, die nächst höhere Management-Ebene über einen Vorgang informiert. Mir sind Fälle bekannt, wo Lauerkampagnen einen Response-Rate von 30 Prozent und mehr gebracht haben. Das ist sehr viel für Kampagnen.
ZDNet: Wenn es so effektiv ist, warum machen es dann nicht mehr Unternehmen?
Martin: Wichtige Voraussetzungen für Realtime sind eine Integrationsarchitektur und gekoppelte Systeme und realtime-fähige Geschäftsprozesse. Doch viele Unternehmen haben weder integrierte Kundendaten – das ist laut CRM-Jahresgutachten immerhin noch auf Platz eins der Wunschliste – noch sind die Prozesse echtzeitfähig. Die größten Hindernisse sind hierbei organisatorischer Art. Möchten Unternehmen ihre Prozesse durchgängig gestalten, müssen sie die Frage beantworten, wem die Kundendaten gehören: Und das bedeutet Krieg.
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