Die Apotheker in Deutschland müssen sich möglicherweise bald auf Konkurrenz durch Internet-Versand aus ganz Europa einstellen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) will am Donnerstag sein Grundsatzurteil zum Versandhandel für Arzneimittel verkünden. Folgen die Luxemburger Richter einem im März vor dem EuGH vorgelegten Rechtsgutachten zur niederländischen Internet-Apotheke DocMorris, dann könnten die 21.500 Apotheken in Deutschland bald Konkurrenz durch Internet-Versender auch aus dem europäischen Ausland bekommen. (Az: C-322/01) Der Versandhandel innerhalb Deutschlands ist nach dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von Januar an ohnehin zulässig.
Durch die Neuregelung hoffen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Krankenkassen auf Einsparungen in Milliardenhöhe. Nach Einschätzung der Kassen eignet sich der Versand vor allem zur Versorgung chronisch Kranker. Vor dem EuGH geht es um eine Klage des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) gegen die niederländische Versand-Apotheke DocMorris, bei der auch deutsche Kunden über das Internet bestellen können.
Weil die nun anstehende Liberalisierung noch nicht spruchreif war, verteidigte in dem Verfahren auch die Bundesregierung die bisherigen deutschen Beschränkungen: Ein ungeregelter Internethandel höhle die deutschen Zulassungsbestimmungen und damit den Gesundheitsschutz aus. Das EuGH-Urteil ist nun noch für die Frage wichtig, inwieweit der europaweite freie Wahrenverkehr auch den zwischenstaatlichen Arznei-Versand umfasst. Nach einem im März beim EuGH vorgelegten Rechtsgutachten erlaubt das europäische Recht Beschränkungen nur für Medikamente, die zwar zulassungspflichtig aber (noch) nicht zugelassen sind. Zudem dürfen demnach ausländische Apotheken nicht vom deutschen Markt ausgesperrt werden. Die Gutachten sind für die Luxemburger Richter zwar nicht verbindlich, sie folgen ihnen aber in den allermeisten Fällen.
DocMorris bekräftigte auf Anfrage seine Pläne, die Versandzentrale so bald wie möglich nach Deutschland zu verlagern. Dies sei allerdings auch nach künftigem Recht noch nicht möglich, sagte Sprecherin Karin Cofalka, weil der so genannte Fremdbesitz von Apotheken weitgehend verboten bleibe. Nach dieser Regelung dürfen auch künftig nur Apotheker Apotheken besitzen und Filialen nur in enger räumlicher Nähe betreiben. Ein EuGH-Erfolg für DocMorris dürfte den Druck auf den deutschen Gesetzgeber erhöhen, diese Beschränkungen weiter zu lockern. Ein solches Urteil würde der Versandapotheke zudem wohl auch Rückenwind im Streit mit den Pharma-Herstellern verschaffen. Diese verweigern DocMorris bislang die für Apotheken üblichen Rabatte, weil das Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat. DocMorris bereitet dagegen rund vierzig Klagen gegen verschiedene Hersteller vor.
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