Ratlos in die mobile Zukunft

Die kollektive Ratlosigkeit der ITK-Manager hat einen einfachen Grund: Sie wurden ausgebildet, um am Quartalsende möglichst viel Umsatz und Gewinn vorweisen zu können. Dazu berechnen sie Engelkurven und plantschen in mikro- und makroökonomischen Gewässern. Diese Gewässer sind aber von Ufern umgeben, die keine Sicht auf das Land dahinter zulassen. Diese Länder sind bevölkert mit Menschen, die Bedürfnisse, Hoffnungen und Träume auf ein besseres Leben in sich tragen. Die Visionen der Geschäftsführer und ihrer Zuträger sind jedoch auf Zahlen beschränkt – was der Anwender will, muss ihnen verborgen bleiben. Sie gehen vermutlich zum Arzt, sobald Sie eine nicht auf zahlen beschränkte Vision haben.

Dabei gab es eine Zeit reich an richtigen Visionären. Die nicht auf den Rechenschieber schielten sondern sich frontal auf die Anforderungen und Konstitutionen des Menschseins konzentrierten. Sich überlegten, wie die Essenz des Lebens mittels der digitalen Revolution erfasst werden könnte. Mitte bis Ausgangs der 90er Jahre wurden Namen wie William Gibson, Timothy Leary oder Nicholas Negroponte wie Geheimlosungen auf eine bessere Zukunft gehandelt. Aus dieser Zeit stammen übrigens – wie eingangs erwähnt – auch noch die Visionen der besagten Manager.

Natürlich, vieles in diesen wilden Jahren erdachte hat sich nicht bewahrheitet: nach wie vor klappt Spracheingabe nur in sehr eingeschränktem Maße, der Cyberspace hat sich nicht wie die Matrix im gleichnamigen Film über die Nutzer des Internet gestülpt, und auch das ewige Leben ist uns noch nicht in Form von Bits und Bytes geschenkt worden. Fuzzy Logic blieb eher fuzzy als logisch. Aber die Hoffnung, der die genannten Autoren Ausdruck verliehen, beflügelte die Branche zu einem Höhenflug, der heute unter der Bezeichnung New Economy in die Geschichte eingegangen ist. Natürlich musste Ikarus abstürzen – das liegt in der Natur der Sache – aber er muss und wird sich auch wieder wie der Phönix aus seiner Asche erheben.

Dies kann jedoch nur durch neue, echte Visionen geschehen. Nicht durch neue Werbekampagnen für wenig durchdachte Produktangebote. Man möchte gleich dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zu einem neuen Ruck aufrufen – Mut zur Vision fordern. Visionen, die über Budget-Pläne hinausgehen, Kolmogorov-Algorithmen hinter sich lassen und Quartalsenden ignorieren. Die grundlegende Frage muss sein: Wozu die breiten Bande? Wozu die demnächst fälligen zehn GHz und mehr im heimischen Rechner? Wozu die kabellose Verbindung zwischen dem Handy und dem umgebenden Gebäude?

Die Hoffnung auf eine bessere Welt, die mit Bausteinen modernster Elektronik errichtet wird, ist nicht gestorben. Ja, es handelt sich um einen Hippie-Traum, der der Computer-Szene von den Rechner-Pionieren im kalifornischen Silicon Valley eingeimpft wurde. Das Fundament der Branche ruht auf eben diesem Traum, auch wenn die heutige Garde der Manager, eingewoben in den Mantel der zahlengestärkten Seriosität, dies vergessen machen will. Sie sollten den Traum im Gegenteil wieder neu träumen. Es täte ihren Umsätzen sicherlich gut.

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ZDNet.de Redaktion

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