Kriminell oder genial: fünf bekannte Hacker im Porträt

Von seinem jugendlichen Aussehen sollte man sich nicht täuschen lassen – Adrian Lamo hat mit dem Hacken angefangen, bevor er Auto fahren durfte.

Das erste Mal spürte Lamo die Begeisterung fürs Hacken, als er herausfand, wie man beide Seiten einer 5,25-Zoll-Diskette beschreibbar machen kann, während er mit seinem ersten Computer spielte – einem Commodore 64, den er mit acht Jahren bekam. „Das war für mich eine große Entdeckung“, meint er.

Anders als viele andere so genannte Hacker hatte Lamo nie ein Interesse daran, seine Altersgenossen zu beeindrucken. „Ich entwickelte ein großes Interesse für die Hackerkultur und las alles darüber, was ich finden konnte, bevor ich tatsächlich mit ihr in Kontakt kam“, sagte er. „Als es dann schließlich zum Kontakt kam, stieß mich das Ganze ab und ich entschloss mich, solo zu arbeiten. Forschung darf nicht Konkurrenz heißen“, sagt er ZDNet gegenüber.

Als er 18 war beschlossen seine Eltern von San Francisco nach Sacramento zu ziehen, aber Lamo entschied sich zu bleiben. Damals war er als Netzwerkadministrator für eine Anwaltskanzlei tätig. „Ich wohnte bei Freunden, manchmal in Abbruchgebäuden oder in Lagerräumen von Bürohäusern, zu denen ich Zugang hatte. Manchmal bin ich auch einfach an meinem Schreibtisch eingeschlafen“, erinnerte er sich.

Nach einer Weile nahm er seine Ersparnisse und begab sich auf Wanderschaft. Die nächsten zwei Jahre durchstreifte er die Vereinigten Staaten. „Es hat einiges für sich, wenn man nichts weiter besitzt als seine Kleidung, einen Rucksack und die Möglichkeit, einen Busfahrschein zu kaufen, ohne an etwas gebunden zu sein.“

Adrian Lamo: schon als Kind viel unterwegs…

„Ich verbrachte meine Zeit in New York, Washington DC, Philadelphia, Pittsburgh, Ohio, Teilen von Kalifornien, Virginia und einigen Orten dazwischen – gewöhnlich, weil ich dort Leute kannte, die Stadt kennen lernen wollte oder aus anderen Gründen“, sagte er.

Lamo hat das ganze Land durchquert, die Zeit in Philadelphia gefiel ihm jedoch am besten. „Ich bin früh aufgestanden und spazieren gegangen, habe dann von einer Fensterbank aus, die freien Zugriff auf ein ungesichertes 802.11-Netzwerk bot, mein E-Mail-Konto überprüft, mich mit Freunden getroffen, bin in Universitätsbibliotheken, Internet-Cafes und Kneipen dem Hacken nachgegangen, habe den ganzen Tag in der Sonne gelesen oder einfach die Stadt erkundet. Es war großartig.“

Mit den Jahren hat sich Lamo den Ruf erworben, nicht viel auf Regeln zu geben. Er nutzte seine Fähigkeiten um in wichtige Netzwerke von Microsoft, America Online und vielen anderen einzudringen.

Aber er verfolgte nie böse Absichten. Nachdem er in die Netzwerke eingedrungen war, rief er die Netzwerkbetreiber an und teilte ihnen mit, was er getan hatte. Dieses Vorgehen funktionierte eine Zeit lang problemlos – bis er sich 2002 in das Netzwerk der New York Times hackte und die Autoren-Datenbank anzapfte.

Adrian Lamo greift zum ersten Mal aufs Internet zu.

Dabei muss man wissen, dass sich unter den Autoren der New York Times wichtige Persönlichkeiten befinden. Lamo griff Berichten zufolge auf die Sozialversicherungsnummern vieler bekannter Personen des öffentlichen Lebens zu, darunter der frühere US-Präsident Jimmy Carter, die Hollywood-Schauspieler Robert Redford und Warren Beatty sowie der ehemalige UN-Waffeninspektor Richard Butler. Bei einigen Einträgen in der Datenbank waren auch die privaten Telefonnummern verzeichnet.

Die Times, eines der einflussreichsten Presseorgane der Welt, war von dieser Leistung nicht sehr begeistert. Die US-Behörden gaben einen Haftbefehl für Lamo heraus, der sich selbst stellte und sich wegen Computerkriminalität für schuldig bekannte. Die Urteilsverkündung wurde auf Juni verschoben.

„Ich werde entweder zu einer Gefängnisstrafe oder zu Hausarrest verurteilt“, vermutete Lamo, der das Ganze philosophisch nimmt. „Ich hoffe das Beste und werde das Beste aus jedem Urteil machen, das über mich verhängt wird. Keine Erfahrung ist vergebens.“

Bei seiner Verhaftung wurde er aufgrund seines nomadischen Lebenswandels von einigen Medien als der „Homeless Hacker“ bezeichnet. „Ich selbst habe mich nie als heimatlos beschrieben. Das haben die Medien irgendwo aufgeschnappt“, betont Lamo.

Lamo lebt derzeit aufgrund eines Gerichtbeschlusses bei seinen Eltern in Sacramento. Er findet Parallelen zwischen dem von ihm gewählten Lebensstil und seinen Online-Aktivitäten. „Ich ziehe keine Grenze zwischen den beiden Formen der Erfahrung. Ich versuche, Dinge anders zu betrachten, ganz gleich, wo ich mich befinde. Ich kann ebenso gut mit einem Fremden sprechen, der gerade aus dem Stadtgefängnis entlassen wurde, ihm ein Frühstück ausgeben und etwas über sein Leben erfahren wie ich mir Zugang zu einem Unternehmen verschaffen oder aufs Geratewohl das Netz durchstreifen kann. Das Prinzip ist immer dasselbe: Der Wunsch, Dinge zu sehen, die andere Menschen in ihrem Alltag gar nicht beachten.“

Adrian Lamo (links) mit Kevin Mitnick (Mitte) und Kevin Poulsen (Bild: Matt Griffiths).

Diese ausgeprägte Neugier hat Lamo zu seiner neuen Berufung geführt – dem Journalismus. Derzeit ist er als Redakteur des American River Current, einer alle zwei Wochen erscheinenden kalifornischen Zeitung, und nebenbei als freier Autor tätig.

„Ich interessiere mich für den Journalismus, weil er eine Erweiterung meiner Tätigkeit darstellt: das Erkunden, das Auffinden neuer Blickwinkel, anderen Menschen die Augen für die Einzigartigkeit der Welt öffnen. Darum versuche ich auch wann immer es geht, meine eigenen Fotos aufzunehmen. So habe ich die Möglichkeit, Momente festzuhalten, man manchmal nicht mit Worten beschreiben kann“, erzählte Lamo.

Einen ähnlichen Weg schlug der legendäre Hacker Kevin Poulsen ein, der heute das Online-Portal für Sicherheitsbelange Securityfocus.com leitet, das 2002 von Symantec übernommen wurde. Poulsen war bekannt geworden, als er in ein Telefonsystem eingedrungen war, um sich den Sieg bei einem Radiowettbewerb zu erschleichen. Er gewann einen Porsche 944 S2, bevor er erwischt wurde und schließlich einige Zeit im Gefängnis verbrachte. Nach seiner Entlassung widmete er sich dem Journalismus.

Das Schreiben über Sicherheitsfragen interessiert Lamo weniger. „Poulsen steht für mich für all das, was ich nicht sein möchte: er ist bekehrt und auf ein Fach festgelegt“, sagte Lamo, während er gleichzeitig seinen Respekt für Poulsen als Journalist bekundete.

Genauso wenig möchte Lamo in der Sicherheitsbranche arbeiten, da er der Ansicht ist, sich durch Bereitstellung seiner Dienste gegen Geld „zu prostituieren“.

„Ich glaube nicht, dass die Branche ehrlich ist, deshalb habe ich alle mir angebotenen Sicherheitsjobs abgelehnt. Der Journalismus ist zwar auch keine ehrliche Branche, aber wenigstens habe ich hier eine gewisse persönliche Kontrolle über den Grad an Unehrlichkeit, dem meine Opfer ausgesetzt werden“, scherzt er.

Es kommt nicht von ungefähr, dass Lamo ein nomadisches Dasein gewohnt ist – für ihn hat dieser Lebensstil bereits eine lange Geschichte. Im Laufe des Interviews spielte er auf gewisse finanzielle Schwierigkeiten an – etwa in der Art vom Millionär zum Tellerwäscher. „Wir waren wohlhabend und wir waren arm, wir wohnten in einem Haus und wir lebten in einer winzigen Wohnung“, erinnerte er sich.

Seine Eltern haben ihn immer unterstützt, sagte Lamo, trotz ihrer Bedenken über den von ihm gewählten Lebensweg. „Meine Eltern sind gebildete Menschen. Mein Vater hat einen Abschluss in Anthropologie und interkulturell orientierter Verwaltung; meine Mutter war früher Englischlehrerin. Wir sind häufig umgezogen und beide haben dafür gesorgt, dass es immer viel Input für meine Erziehung gab“, sagte er.

Wer „Input“ für eine seltsame Umschreibung von Erziehung hält, sei an Linux-Schöpfer Linus Torvalds erinnert, der auf seiner Website ein Bild seiner Tochter mit dem Titel „Linus v2.0“ versehen hat. Lamo besteht jedoch darauf kein Eigenbrötler zu sein.

„Meine Neugier ist nicht nur technischer Natur. Ganz im Gegenteil, ich betrachte mich nicht als technisch orientiert, ich sehe die Dinge einfach anders und das gilt für jede Umgebung, in der ich mich aufhalte. Dieser Tage verbringe ich viel Zeit mit dem Fotografieren – das ist so eine Art Ersatz für das Eindringen in Netzwerke“, meinte Lamo.

Derzeit wartet Lamo auf sein Gerichtsurteil, wobei seine Einstellung fatalistisch bleibt. „Handlungen haben Konsequenzen. Ich habe zwar nie geglaubt, dass dies unvermeidlich sei, aber ich war mir immer im Klaren darüber, dass so etwas passieren kann.“

Adrian Lamo
Pseudonym keines
Alter 23
Familienstand „Seit einem Jahr in einer festen Beziehung“
Aktueller Wohnort Lebt im Exil in Sacramento, Kalifornien, USA
Beruf Redakteur bei American River Current und Freier Journalist
Erster Computer Commodore 64
Bekannt durch Eindringen in das Netzwerk der New York Times
Spezialgebiet „Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten“

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ZDNet.de Redaktion

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