Für Durchblick bei Web Services sorgen

Es gibt aber noch weitere ungelöste Konflikte, die aus parallelen Standardisierungsbemühungen herrühren. Anfang des Monats sandten hochrangige Vertreter von 11 Technologie-Unternehmen einen offenen Brief an das W3C mit der Forderung, ein Beratungskomitee einzurichten, das die beiden Web Services-Spezifikationen „unter einen Hut“ bringen soll.

Die unkoordinierten Standardisierungsprozesse hätten ihre Ursache in der Praxis des so genannten „Forum Swapping“, bei dem Anbieter ihre bestehende Technologie bei derjenigen Standardisierungs-Organisation einreichen, die ihren Anforderung am ehesten entspricht, sagte Andrew Updegrove, Anwalt bei Gesmer Updegrove.

„Diese Praxis sorgt derzeit im Bereich Web Services für das totale Chaos. Eine wechselnde Gruppe von Unternehmen, darunter üblicherweise Microsoft, IBM, BEA und einige weitere Firmen, formulieren einen Standard vor und reichen ihn dann bei einer Standardisierungs-Organisation ein“, so Standardfachmann Updegrove.

Diese „vorformulierenden“ Unternehmen behaupten, diese Praxis würde schneller zu besseren technischen Spezifikationen führen. Scott Dietzen, CTO von BEA, ist bei BEA für die Standardisierung verantwortlich. Seiner Meinung nach sollten IBM, Microsoft und BEA diejenigen sein, die in Sachen technischer Spezifikationen zum Beispiel bei Reliable Messaging oder Business Process Workflow eine Vorreiterrolle spielen, da sie über den entsprechenden Marktanteil und die Erfahrung verfügen.

„Man kann nicht 20 oder 30 Anbieter zusammen an einen Tisch setzen und hoffen, dass etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Außerdem gab es hier auch schon eine Menge an Urheberrechten“, sagte Dietzen. „Ein paar von den Anbietern, die nicht mitmachen durften, sind verärgert, aber das Modell funktioniert.“

Schon mit der Gründung des WS-I demonstrierte die neu zusammengestellte Gruppe, dass selbst eine branchenweite Einigung auf dieselben Standards langjährige Rivalitäten nicht aus dem Weg räumt. Sun Microsystems war auf Wunsch von Microsoft ursprünglich nicht als Gründungsmitglied des WS-I vorgesehen, was CEO Scott McNealy zu dem Vorwurf veranlasste, die neu gegründete Gruppe sei nur ein „politisches Feigenblatt“. Sun trat dem WS-I dann aber doch bei und wurde letztes Jahr auch in den Vorstand aufgenommen.

Das WS-I versucht bei den politischen Rangeleien der Mitglieder untereinander die Rolle des Schiedsrichters einzunehmen, indem bei Entscheidungen die technischen Vorzüge unterschiedlicher Spezifikationen sowie die Marktakzeptanz berücksichtigt werden, wie hochrangige WS I-Vertreter betonen. Ein Ergebnis mit zwei ähnlichen, aber im Detail inkompatiblen Web Services-Standards sei nicht akzeptabel, so Andy Astor, Manager bei Webmethods, einem Anbieter von Integrations-Software und Mitglied des WS-I-Vorstands.

„Ist dieser Entscheidungsprozess optimal? Nun, er orientiert sich am Markt“, sagte Astor. „Gibt es eine technische Meritokratie? Auf jeden Fall. Geht es dabei auch um Politik und wirtschaftliche Macht? Natürlich.“

Glover vom WS-I argumentiert, ein Wettbewerb zwischen Standardisierungs-Vorschlägen sei zum Vorteil der Kunden, da die Ergebnisse langfristig technisch ausgereifter gerieten, selbst wenn es dabei kurzfristig zu Verunsicherungen komme. Da das WS-I nicht einer einzigen Standardisierungs-Organisation zugeordnet sei, gingen in die veröffentlichten Richtlinien und Tests die Ergebnisse mehrerer Standardisierungsgruppen ein, fügte er hinzu.

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ZDNet.de Redaktion

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